Schon im Vorfeld lief viel schief. Der Alleingang der Wiblingwerder, falsch veröffentlichte Zeiten und jede Menge Durcheinander, wer, wann, wo, was macht. Bei den ganzen Diskussionen, Konflikten und Kritiken ist das Wesentliche auf der Strecke geblieben, nämlich die eigentliche Bedeutung von Volktstrauertag. Doch der Reihe nach:
Nachrodt: Wenig Hände, noch schnelleres Ende
Aykut Aggül hatte vollkommen Recht: „Das war doch keine Gedenkveranstaltung.“ Knappe fünf Minuten dauerte die lieblos gestaltete Zusammenkunft. Und das sollte die zentrale Gedenkfeier der Gemeinde sein? Da verwundert es nicht, dass das Interesse gering war. Klar, es fehlte die Beteiligung aus dem Höhendorf – aber dazu später mehr. Das hat aber nichts damit zu tun, dass es dieser Veranstaltung vor allem an einem mangelte: Der Bereitschaft, sich für das aktive Gedenken einzusetzen. „Wir haben ja keine Chöre mehr“, sagte Birgit Tupat auf Nachfrage. Mit dieser Antwort macht es sich die Verwaltung dann doch etwas zu leicht. Wenn die einen Akteure wegbrechen, sollte über neue Ideen, Konzepte und Partner nachgedacht werden. Musik kann beispielsweise auch vom Band eingespielt werden. Eine Box fürs Handy reicht da sicherlich. Vielleicht gibt es auch private Musiker, die sich an dem Tag einbringen, wenn sie gefragt werden.
Wenn die Ratsfrauen und -herren Kritik üben, warum sie nicht einfach aktiv einbinden? Gerade sie sollten Botschafter für das Gedenken sein. Ein Gedenken, dass in diesen Tagen wichtiger denn je ist. Jüngst berichtete der heimische CDU-Landtagsabgeordnerte Thorsten Schick von jüdischen Kindern, die sich nicht mehr auf eine Gedenkveranstaltung trauen. Es ist Zeit, trockene Gedenkveranstaltungen mit Leben zu füllen. Gedenken erlebbar zu machen. Es braucht keine lange Reden. Das abstrakte Gedenken muss greifbarer werden. Die Gedenkfeier, wie sie bisher war, ist tot. Aber der eigentliche Grundgedanke darf nicht sterben. Das gilt es mit allen Mitteln zu verhindern. Es ist Zeit für neue Ideen und Konzepte.
Diese zu entwickeln, muss und sollte nicht an der Verwaltung oder Politik hängen. Jedoch sollten sie den Prozess ins Rollen bringen. Vielleicht bindet man Geschichtslehrer mit ein, macht ein Schulprojekt daraus, fragt den Heimatverein, ob er vielleicht eine Fotoausstellung im Kornspeicher machen möchte, nutzt die Nähe zu den Kirchen, um Musiker zu bekommen, vielleicht möchte auch die musikalische Grundschule auftreten. Gedenken muss nicht steif sein und erst recht keine Pflichtveranstaltung. Gedenken soll anregen und zum Frieden mahnen. Allerdings ist es wie immer, einer muss den Hut aufsetzen und die Sache in die Hand nehmen. Diesen gilt es zu finden und zu begeistern.
Wiblingwerde/Veserde: Frieden braucht kein Kirchturmdenken
Ja, eine gewisse Arroganz lässt sich nicht abstreiten. „Wir sind mehr.“ Ja, das stimmte am Sonntag defintiv. Aber: Weniger als in den vergangenen beiden Jahren. Die Veranstaltungen waren gelungen und lockten viele Menschen an. Die Nachrodter waren sich nicht zu schade, ins Höhendorf zu kommen und es war ein würdiger Rahmen. Warum nicht an dem Konzept festhalten? Es war gut. Stattdessen macht die evangelische Kirchengemeinde einen Alleingang. Zur Freude der Veserder. Aber dient es der Sache an sich? Vermutlich eher nicht. Volkstrauertag braucht kein Kirchturmdenken. Volkstrauertag braucht Menschen, die sich gemeinsam für das einsetzen, was zählt – Frieden, Toleranz und Akzeptanz. Ja, es ist unverständlich, warum die Nachrodter nach Wiblingwerde kommen, die Wiblingwerder aber nicht nach Nachrodt. Fängt Akzeptanz und Toleranz nicht im Kleinen an?
Letztlich ist es völlig egal, ob oben oder unten. Schluss mit den Grenzen im Kopf. Wenn die Energie, die fürs Ärgern, Lästern und Koordinieren verbraucht wurde, für die gute Sache eingesetzt würde, wäre allen geholfen. Also Ärmel hochkrempeln, Emotionen auf Null setzen und ran an den runden Tisch. Dann entsteht gewiss ein gutes und zukunftsweisendes Konzept für den Volkstrauertag 2024.
Dieser Kommentar bezieht sich auf den Text: Volkstrauertag: „Frieden ist keine Selbstverständlichkeit“