Sowohl in Rennerde als auch im Bereich Holensiepen/Obstfelder Stall war das Dröhnen der Motoren und das Quietschen der Reifen zu hören. Manch einer schreckte in der Nacht auf Sonntag, 12.Oktober, auf und dachte, dass er direkt an einer Rennstrecke wohnt. Die Polizei wurde alarmiert. Und die traf die Raser auch an. Aber: Die Staatsanwaltschaft entschied, die Fahrer ziehen zu lassen. Es erfolgte keine Sicherstellung von Fahrzeugen oder Führerscheinen. Das sorgt nicht nur für Unverständnis und Unmut bei den Anliegern, sondern auch ganz offensichtlich für Frust bei den Behörden.
Es war eine ereignisreiche Nacht. Viel Polizei und Blaulicht. Erst schien alles klar: Die Polizei hat alle Raser erwischt, weil einer in einen Unfall verwickelt war. Das Auto sollte nach ersten Angaben sichergestellt werden. Eine Stunde später war alles anders: Ein normaler Verkehrsunfall wurde aufgenommen und alle durften weiterfahren. Auch der Unfallfahrer. Das angebliche Rennen fand, wie bereits berichtet, zwischen Holensiepen und Rennerde statt. Polizeisprecher Lukas Borowski berichtet auf Anfrage von LokalDirekt noch einmal im Detail die Ereignisse der Nacht.
"Die Polizei wurde gegen 23.30 Uhr von Anwohnern gerufen. Diese meldeten schnellfahrende Fahrzeuge zwischen Feuerwache Holensiepen und Rennerde. Sie berichteten unter anderem auch von quietschenden Reifen", erzählt Lukas Borowski. Die Polizei sei daraufhin auch sofort dorthin gefahren. Habe sich nach Augenzeugenberichten auch ohne Blaulicht der entsprechenden Stelle genähert, um nicht direkt aufzufallen. "Die Kollegen sind von Nachrodt hochgefahren und da lag dann auch ganz oben der BMW im Graben. Zudem gab es diverse Spuren auf dem Boden", berichtet der Sprecher weiter. Die Spuren auf dem Boden waren am Sonntag das Gesprächsthema in der Gemeinde. "Die Strecke sieht aus wie der Nürburgring", berichtete eine Spaziergängerin. Deutlich zu sehen ist auch, wie viel Glück der Unfallfahrer hatte. Die Polizei geht davon aus, dass überhöhte Geschwindigkeit der Grund für den Unfall war.
Der Fahrer, ein 22-jähriger Lüdenscheider, war mit seinem dunklen BMW aus Richtung Nachrodt kommend hinter dem ehemaligen Salzlager nach rechts von der Straße abgekommen und in den Wald gefahren. Er fuhr einige kleine Bäume um und schrammte an einem dicken Baum gerade so vorbei. Spuren an der Rinde des Baumes zeigen dies deutlich. Ein paar Zentimeter weiter rechts und der Unfall wäre vermutlich nicht so glimpflich abgelaufen.
"Natürlich lag der Verdacht eines illegalen Kraftfahrzeugrennens nahe. Die Schilderungen der Anrufer und die Reifenspuren sprachen auch klar dafür. Vor Ort waren mehrere Fahrzeuge. Alles junge Fahrer mit viel PS", beschreibt Borowski die Eindrücke der Beamten. Daher habe es den Anschein gehabt, dass sich mehrere junge Leute dort getroffen hatten, "um mal etwas zügiger zu fahren". Da eine größere Anzahl von jungen Erwachsenen mit mehreren Fahrzeugen am Einsatzort war, wurde Verstärkung gerufen. Gemeinsam wurden die Anwesenden laut Polizei den jeweiligen Fahrzeugen zugeordnet. Noch vor Ort sei ein Gespräch mit der Staatsanwaltschaft geführt worden.
Und die entschied: Die Fahrer dürfen ihre Fahrt fortsetzen. Auch der Unfallfahrer. Der Unfall wurde aufgenommen und die Polizei stellte Strafanzeige wegen des Verdachts auf ein illegales Straßenrennen. Das Problem: Es gab keinen konkreten Nachweis. "Wir konnten keinem konkret nachweisen, was dort gelaufen ist. Wir haben nur das Ergebnis gesehen. Aber wir leben in einem Rechtsstaat. Also akzeptieren wir die Entscheidung", sagt Lukas Borowski.

Warum die Staatsanwaltschaft so entschieden hat, erklärt Staatsanwalt Dr. Tobias Schülken aus der Pressestelle der Staatsanwaltschaft Hagen: "Ich kann schon verstehen, dass das für die Bürger - und auch für die Polizisten vor Ort - wirklich frustrierend ist. Aber das Problem ist, dass wir keinem der Anwesenden konkret ein Rennen nachweisen konnten." Schülken nahm sich viel Zeit. Ihm sei es wichtig, dass solche für den Bürger unverständliche Entscheidungen erklärt werden.
Dazu erklärte er erstmal, dass es zwei Arten von illegalen Kfz-Rennen gibt. Einmal das klassische Rennen, bei dem mehrere Autofahrer gegeneinander antreten. Es gebe aber auch Rennen, bei denen es nur um ein Fahrzeug gehe. Das sei dann der Fall, wenn jemand versuche, eine Strecke mit der höchstmöglichen Geschwindigkeit zu fahren. Natürlich sei auch der Staatsanwaltschaft klar, dass sich die jungen Fahrer mit ihren PS-starken Autos dort nicht zufällig beim romantischen Waldspaziergang getroffen hätten.
"Aber die Polizei kam erst, als das Auto bereits im Graben stand. Wir können also nicht nachweisen, dass jemand ein solches Rennen gefahren hat. Wir haben es nicht gesehen und es gibt keine Zeugen, die die Autos oder Fahrer identifizieren. Und selbst dann müssten wir einem Fahrer erstmal nachweisen, dass er nicht nur zu schnell war, sondern, dass er probiert hat, die höchst mögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Denn nur dann handelt es sich um ein Rennen", erklärt der Staatsanwalt das Dilemma. Das bedeute aber keineswegs, dass die Staatsanwaltschaft dem Fall nicht mehr nachgehe. Einen Führerschein vor Ort abzunehmen oder das Auto sicherzustellen sei jedoch ein harter Eingriff. "Wie bei einer Haft muss das genau abgewogen werden", betonte der Staatsanwalt.
Lukas Borowski ruft derweil Zeugen auf, sich bei der Polizei zu melden: "Auch wer woanders bereits eine auffällige Gruppe gesehen hat, soll sich melden. Das könnte zeigen, dass die Gruppe sich nicht zufällig dort getroffen hat. Das alles ergibt später ein großes Gesamtbild." Und auch wer noch Angaben zu den Vorkommnissen in den Serpentinen machen kann, sollte sich ebenfalls melden. Genauso sollten solche Rasereien immer schnell gemeldet werden. Die Beamten der Wache in Altena sind erreichbar unter der Rufnummer 02352-91990.
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