Die Liberalen möchten bei der nächsten Kommualwahl in den Rat der Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde einziehen. LokalDirekt sprach mit der Vorsitzenden über die FDP vor Ort und kommunalpolitische Themen. Das Interview erfolgte schriftlich. Da sich nach der Beantwortung der Fragen durch die Vorsitzende ergänzende Fragen ergaben, wurden diese nachträglich noch geschickt. Sie sind als „ergänzende Fragen“ gekennzeichnet. Das Interview ungekürzt im Wortlaut:
Fünf Jahre FDP in Nachrodt-Wiblingwerde. Ein Grund zum feiern? Und wenn ja, wie und wann?
Michaela Christodoulakis: „Ja, auf jeden Fall! Die Neugründung eines Ortsverbandes ist schon etwas Besonderes und jedes Jahr ein Etappenziel, das gewürdigt werden will. In diesem Jahr ist mein Stellvertreter für die Veranstaltung verantwortlich. Geplant ist ein lockerer Abend, zu dem auch Interessenten herzlich eingeladen sind. Wir erwarten Gäste aus verschiedenen politischen Ebenen, um auch Informationen über den Tellerrand hinaus liefern zu können. Die Veranstaltung findet am 15.11.23 ab 18 Uhr in der Pizzeria Padre Pio statt. Da wir ein kleiner Ortsverband sind, somit unsere Mittel für Veranstaltungen und die folgenden Wahlkämpfe benötigen, zahlt jeder selbst.“
Wie viele Mitglieder haben Sie aktuell?
„Derzeit hat die FDP Nachrodt-Wiblingwerde neun Mitglieder aus allen Altersklassen, aus meiner Sicht eindeutig zu wenig. Wir würden uns über Zuwachs freuen.“
Wie arbeitet die FDP in Nachrodt-Wiblingwerde? Sie sind keine Ratsfraktion. Das heißt, es fehlt auch schlicht die Bühne. Dass es die FDP gibt, wissen viele gar nicht. Wie sieht Ihre politische Arbeit hier vor Ort aus?
„Das haben Sie sehr gut auf den Punkt gebracht! Die Arbeit als außerparlamentarische Opposition ist hartes Brot. Im Grunde kann man nur seine Meinung äußern, wie jedes Gemeindemitglied. Es kommt tatsächlich oft vor, dass man von Bürgern angesprochen wird. Sei es zum Thema Flutfolgen oder horrenden Nebenkostenabrechnungen. Dem ein oder anderen konnte schon, durch Vermittlung von Ansprechpartnern geholfen werden. Ich freue mich immer riesig, wenn durch kleine Interventionen große Dinge ins Rollen kommen.
Glücklicherweise wissen es schon einige im Ort (dass es die FDP in Nachrodt-Wiblingwerde gibt, Anm. der Redaktion). Nicht zuletzt die Präsenz am Tag des offenen Denkmals 2022 hat diesbezüglich viel bewirkt.“
Jeder fängt mal klein an. Aber wie soll es weiter gehen? Was sind die Ziele (nicht politisch). Wo sehen Sie den FDP Ortsverband in 5, 15 und 50 Jahren?
„In 5 Jahren sehe die FDP Nachrodt-Wiblingwerde ganz klar und am liebsten als Fraktion im Gemeinderat! In 15 Jahren, als eine Partei, die für Nachrodt-Wiblingwerde und die Bürger vor Ort viel erreicht hat und kommunal nicht mehr wegzudenken ist.In 50 Jahren hoffe ich auf einer Wolke zu sitzen und die Generationen der Parteinachfolge mit einem stolzen Lächeln zu betrachten und zu denken, weiter so!“
Kommen wir zum Thema Politik. Kommunalpolitik und Bundespolitik sind nicht immer vereinbar. Oft treffen SPD und CDU hier Entscheidungen, die vielleicht bundespolitisch anders gesehen werden. Für Nachrodt-Wiblingwerde aber richtig sind. Für was steht die FDP hier vor Ort?
„Gott sei Dank! Ich denke auf kommunaler Ebene kommt es darauf an, dass jedes Ratsmitglied seine eigenständige wertebasierte Entscheidung zum Wohle der gesamten Gemeinde trifft.
Mir persönlich ist es zum Beispiel wichtig, dass die Gemeinde zukunftsfähig bleibt. Ältere Leute sollen Ihren Lebensabend komfortabel und aktiv vor Ort verbringen können. Anderseits soll Nachrodt-Wiblingwerde auch für junge Familien attraktiv werden, um das Aussterben der ländlichen Regionen, wie es vielerorts geschehen ist, zu vermeiden.“
Wären Sie Mitglied im Rat, was wäre das Erste, was Sie in Angriff nehmen würden?
„Meine Stärken sehe ich in erster Linie in der sozialen Kompetenz. Ich würde definitiv die Stimme der Bürger im Rat sein. Meine Themen sind Inklusion von Älteren und Behinderten! Teilhabe am sozialen Leben muss uneingeschränkt möglich sein. Kindern und Jugendlichen muss ermöglicht werden, Ihre Freizeitaktivitäten im Ort zu erleben. Das kulturelle Dorfleben und die Brauchtumspflege müssen wieder aufleben. Ich stehe für eine aktive Gemeinde als Mehrgenerationenprojekt.“
Warum ist (fast) nie jemand aus Ihrer Partei bei den Ratssitzungen dabei? Sie könnten als Besucher daran teilnehmen. Denn dort gibt es ja nunmal die politischen Informationen aus erster Hand. Woher beziehen Sie Ihre Informationen zu lokalpolitischen Themen? Gibt es Anfragen an die Verwaltung?
„Das ist einen durchaus berechtigte Frage. Um mal bei meiner Person zu bleiben, liegen die Termine der Ratssitzungen innerhalb meiner Arbeitszeiten. Ich denke die Sitzungen hätten allgemein mehr Resonanz, wenn sie ab 18 Uhr beginnen würden oder digital zugänglich wären, Stichwort e-government.
Es sind FDP-Mitglieder oder Sympathisanten in Ratssitzungen anwesend. (Anfragen an die Verwaltung, Anm. d. Red.) Die gab es bereits. Zuletzt eine Anfrage, ob das Aufstellen eines Spiegels vom Ortsausgang Wiblingwerde auf die L652 (gemeint ist die L692, Anm. d. Red.) in die Zuständigkeit der Gemeinde fällt. Denn in der aktuellen Verkehrssituation ist das schon eine gefährliche Ecke.“
Ergänzende Frage: Es gibt aber in der Regel keine Besucher im Rat oder Ausschuss. Und wenn welche da waren, waren sie wegen eines bestimmten Themas dort und nicht aus allgemeinem Interesse. Heißt das, dass sie Informationen aus den anderen Fraktionen erhalten und diese mit Ihnen sympathisieren?
„Selbstverständlich ging es um den öffentlichen Teil der Sitzungen. Das Ratsinfosystem der Gemeinde mit öffentlich zugänglichen Sitzungsvorlagen, Beschlüssen, Niederschriften und Protokollen ist für jeden Bürger zugänglich und verschafft einen Überblick aus erster Hand.“
Die Flüchtlinge und die Bauprojekte sind die lokalpolitischen Themen aktuell. Die Fraktionen ziehen da weitestgehend an einem Strang. Es gibt selten richtige Diskussionen. Ist das Ihrer Meinung nach richtig? Teilen Sie die Meinungen?
„Die Themen sind kommunal ein heißes Eisen. Ich nehme an, dass es deshalb nur wenig Diskussionen gibt. Hier möchte ich den FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zitieren: ,Wir müssen Migration begrenzen sonst packen die Kommunen das nicht.‘ Es reicht nicht, nur die Menschen in der Gemeinde unterzubringen, wir müssen auch die Möglichkeit haben, sie in die Gemeinde zu integrieren. Haben wir in Nachrodt-Wiblingwerde noch Kapazitäten in Schulen und Kindergärten? Aktuell macht die Flüchtlingshilfe vor Ort und besonders Frau Lippert im Amt einen sehr guten Job, mit wahren Erfolgsgeschichten! Bis zu welcher Personenanzahl können wir diesen Standard aufrecht erhalten!? Die Bauprojekte oder besser gesagt Baustellen sind mittlerweile so zahlreich,dass man schon fast den Überblick verliert. Ich stelle mir die Frage, ob eine solide Planung zugrunde oder Nachrodt-Wiblingwerde irgendwann nur noch in Schutt und Asche liegt.“
In der kommenden Ratssitzung wird der Haushalt eingebracht. Gewiss geht es da auch wieder um das Thema Isolation von Kosten. Wie stehen Sie dazu?
„Ich bin seit 17 Jahren selbstständige Unternehmerin, im Rat würde ich Budgetentscheidung so treffen, als wenn ich sie aus eigener Tasche zahlen müsste, also mit Bedacht. Es gibt natürlich auch Ausgaben, die nicht kostendeckend sind, als Beispiel nochmal die Dorfkultur, aber einen hohen immateriellen Wert für die Gesellschaft haben. Letztlich sind wir da wieder beim Thema der eigenen wertebasierten Entscheidung im Einzelfall. Nichts einfach Durchwinken.“
Ergänzende Frage: Das beantwortet aber meine Frage nicht. Bei der Isolation von Kosten geht es ja nicht um eine Haushaltspostion, sondern um eine politische Entscheidung für Generationen? Haben Sie dazu eine Meinung?
„Sie meinten die kameralen Haushaltspositionen. Ich würde mich in diese Materie erst explizit einlesen wollen, um einen qualifizierte Meinung abgeben zu können.“
(Anmerkung der Redaktion für die Leser: Was es mit dem Thema Isolation auf sich hat, lesen Sie unter anderem im unteren Bereich dieses Textes. Dort wird auch das Generationen-Dilemma erklärt: UWG: „Haushalt mit heißer Nadel gestrickt“
Es gab eine gefühlt unendliche Diskussion zum Thema Schwerbehindertenparkplätze. Was ist Ihre Meinung dazu?
„Ehrlich gesagt gehört das Thema zu meinen persönlichen Aufregern. Tatsächlich bin ich 2015 begründet durch den Kampf um den Behindertenparkplatz an der B236 zum Entschluss gekommen mich politisch zu engagieren. Wir leben in einer Welt in der Inklusion Grundrecht ist und in Nachrodt-Wiblingwerde, gibt es nicht einmal einen Behindertenparkplatz an der Grundschule. In Anbetracht dessen,dass über Sonnensegel diskutiert wird, erspare ich mir hier jeden weiteren Kommentar.“
Ergänzende Frage: Das stimmt, das sehen – glaube ich – auch alle so. Zumindest wurde es immer so betont. Für den Parkplatz an der Grundschule gab es einen Kompromiss. Es wird gebaut, wenn Bedarf besteht, ansonsten im Rahmen der Umbauarbeiten Ehrenmalstr. 59. Da die Kosten in keinem Verhältnis stünden. Das sehen Sie dann anders, richtig? Also die hohen Kosten wären berechtigt und der bestehende Parkdruck ist kein Problem?
„Der Kompromiss: Es wird gebaut, wenn Bedarf ist. Besteht ist nicht im Sinne der Inklusion! Jeder beeinträchtigte Mensch muss zu jeder Zeit die Möglichkeit haben, einen Ort seiner Wahl barrierefrei aufsuchen zu können. Beispiel: VHS Veranstaltung in der Grundschule. Ein auf einen Rollstuhl angewiesener Bürger möchte diesen Kurs mitmachen. Mit welcher Vorlaufzeit soll er sich bei der Gemeinde melden,damit der entsprechend gestaltete Parkplatz entsteht? Wäre es nicht ein galanterer Kompromiss, die Garage des Schuster-Schulte-Hauses bereits jetzt, abzureißen und mit überschaubaren Mitteln einen Behindertenparkplatz zu gestalten?
Man müsste zunächst den Parkdruck definieren. Die Anwohner der Ehrenmalstraße, nehmen ihre Wohnsituation wie sie ist. Sie sind es gewohnt, sich einen Parkplatz in den Nebenstraßen zu suchen. Ich kenne viele und würde mich sehr wundern, wenn diese Menschen sich beschweren würden, wenn ein Behindertenparkplatz entstehen würde. Sollte Parkdruck auf die Zeiten der Elterntaxis bezogen sein, wäre doch eine Kinderein- und- ausstiegszone der bessere und vor allem sichere Weg. Herr Putz (Anm. d. Red. Sebastian Putz, Leiter des Ordnungsamts) hatte eine derartige zu Zeiten der Sperrung der B236 erfolgreich an der Dorfstraße eingerichtet. Dem Lehrkörper wird die Thematik der Inklusion bewusst sein und auch in diesem würde ich mich sehr wundern, wenn sich jemand beschweren würde.“
Dann haben wir noch das Thema mit den Beschlagnahmungen von Wohnungen. Dass die Begrifflichkeit schwierig ist, ok. Aber wie stehen Sie zu dem Grundproblem?
„Allein schon die Idee fremdes Eigentum zu beanspruchen lässt mich Kopfschütteln. Der normale Weg wäre doch gewesen, den Eigentümer anzusprechen und ihm die Vorteile der Inanspruchnahme zu erläutern, wie es Andernorts erfolgreiche Praxis ist. Die Erwähnung der Gemeinde bei Lanz hätten es nicht gebraucht.“
Ergänzende Frage: Beschlagnahmung: Genau so, wie Sie es vorschlagen wird es doch auch in Nachrodt gemacht. Ist es dann doch richtig? Siehe: Thema des Tages (2): „Einvernehmliche Vereinbarungen“
„Ist diese Ordnungsverfügung so korrekt? Wenn ich die hätte würde ich mal jemanden fragen,der sich damit auskennt. Ich bin keinen Juristin, aber die richtige Nomenklatur ist doch eher Inanspruchnahme. Beschlagnahmung definiert meiner Meinung nach, ich nehme etwas ganz, somit auch den Nutzen (in diesem Fall die Mieteinnahme). Inanspruchnahme bedeutet, ich nehme etwas einvernehmlich, lasse dem Eigentümer, den Nutzen (Miete) und gebe etwas dafür (z.B. Renovierung einer Schrott-Immobilie auf Gemeindekosten). Die feinen Unterschiede entscheiden, ob gängige legitime kommunale Praktiken dem Populismus zum Opfer fallen!“
Lennehalle: Neubau, kleinerer Neubau, gar kein Bau?
„In der Ist-Situation, Neubau und zwar in einer Größe, die Schulsport ermöglicht und veranstaltungstauglich ist. Entsprechende Aufbauplanungen sollten bereits stehen, bevor die Abrissbirne wütet.“
Hallenbad: Zu viel Sanierung oder alles richtig gemacht?
„Definitiv zu viel. Sinnvoll ist das Einsetzen des Edelstahlbeckens und energieeffizienterer Fenster.Dazu gab es übrigens um den 26. Juli einen sehr fachkompetenten Leserbrief von Sabine Karisch. Die Einzelheiten hier zu erläutern wurde zu weit führen.“
Nicht kommunal, aber kommunal bedeutsam: Die Sache mit der Lennebrücke. Was wäre die Lösung? Was wiegt mehr? Das allgemeine Interesse einer ganzen Region oder das Recht auf Eigentum? Eine Frage, die hier schon öfter gestellt wurde. Wie steht die FDP dazu?
„In erster Linie hätte die ganze Geschichte schon längst erledigt sein müssen. Ich habe erst kürzlich einen Bericht von Radio MK aus dem Jahre 2018 gelesen, indem davon ausgegangen wurde, dass die neue Brücke 2023 fertig ist. Somit hätte die Region das aktuelle Problem nicht gehabt.
Ich selbst hatte mich 2020, als ersten politischen Schritt, intensiv mit dem Thema beschäftigt und somit beantworte ich die Frage aus meiner Sicht. Die mit Verlaub erwachsene Lösung, die vielerorts erfolgreich praktiziert wird, ist das Anbieten von Ausgleichsflächen. Somit wäre sowohl der Region,als auch dem Eigentümer geholfen. Nicht zu vergessen ist, dass die Brücke letztendlich im Verantwortungsbereich von StraßenNRW liegt!
Ergänzende Frage: Wie bereits mehrfach berichtet, gab es Angebote für Ausgleichsflächen, die allesamt abgelehnt wurden. Und jetzt?
„Wieviele Versuche gab es? Wurden die Wünsche der Gegenseite im Ansatz berücksichtigt? Keiner von uns war dabei. Vielleicht liegt es an meiner liberalen Weltanschauung, aber ich bin mir sicher, dass sich Ausgleichsflächen gefunden hätten, die beiden gedient hätten. In dem Augenblick, in dem man hart in eine Verhandlung geht, verhärten sich die Fronten. Zu einem Streit gehören immer zwei, der Gegenseite die Schuld in die Schuhe schieben zu wollen, ist mit Verlaub nicht erwachsen. Wenn das soweit geht, dass höhere Instanzen eingeschalten werden, gehen Jahre ins Land. Und darunter leiden wir jetzt alle.“
Gibt es Themen, die kommunalpolitisch Ihrer Meinung nach bedeutsam sind und viel zu kurz kommen?
„Zukunftsfähigkeit der Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde. Wie wirken wir dem demografischen Wandel entgegen? Was wirkt gegen die Abwanderung?“
Ist Ihnen noch etwas wichtig, das Sie gerne loswerden möchten?
„Ich möchte hier für das kommunale Ehrenamt werben. Für mich heißt Ehrenamt Ehrenamt, weil es eine Ehre ist, in diesem Amt zu sein.“