"Rosa Winkel - als homosexuell verfolgte Häftlinge in den Konzentrationslagern 1933-1945 ... und heute?" - Der sperrige Titel passt zum komplexen Thema der am Samstagnachmittag im Foyer der Museen der Stadt Lüdenscheid eröffneten Ausstellung zum Schicksal homosexueller Häftlinge in der Zeit des Nationalsozialismus. Und sie ist von brennender Aktualität. Das machten alle Redner in ihren Ansprachen deutlich. Dabei, auch das wurde deutlich, ist Akzeptanz ein wesentlicher Baustein einer demokratischen Gesellschaft.

Mit den Worten „Diese Ausstellung ist mir wichtig. Sie liegt mir am Herzen.“, wandte sich Gudrun Benkhofer vom Arbeitskreis „Ge-Denk-Zellen“ in ihrer Eröffnungsrede an die Zuhörer. Illustriert mit zahlreichen Fotos, schriftlichen Dokumenten und Erinnerungsberichten ermögliche die Ausstellung den Besuchern „sich eine Bild davon zu machen, wie man in der NS-Zeit - und leider auch noch lange darüber hinaus - mit der Homosexualität, mit dem Paragrafen 175, und mit Abweichungen von der heterosexuellen Norm umgegangen ist.“
Ergänzend dazu habe man mit Unterstützung des CSD Lüdenscheid die Biographie von drei Lüdenscheider Opfern recherchiert und dargestellt, fuhr Gudrun Benkhofer fort. Im Zuge der aufwändigen Recherchearbeiten habe sie sich die Frage gestellt, „ob die Geisteshaltung, die uns aus den Zeugenaussagen und Urteilsbegründungen in den Akten entgegenkamen, wirklich der Vergangenheit angehört.“ Ihr sei klar geworden, dass die weitgehende rechtliche Gleichstellung leider nicht gleichbedeutend mit einer breiten gesellschaftlichen Anerkennung dieser Rechte sei. Sie forderte nicht Toleranz, sondern Akzeptanz der queeren Gesellschaft. Nur Akzeptanz fördere Bindungen und Zusammenleben in einer Gemeinschaft.

Noch deutlichere Worte fand Carina Büdenbender, Vorstandsvorsitzende des CSD-Vereins in Lüdenscheid, in ihren Grußworten: „Wann immer über den CSD, den Verein oder CSD-relevante Themen berichtet wird, verlieren die Kommentarspalten auf Social Media jegliches Maß.“ Die Kommentare würden von Jahr zu Jahr deutlicher, gehässiger und bösartiger, bis hin zur strafrechtlichen Relevanz. Solche Dinge dürften nicht unwidersprochen im Netz stehen bleiben.
„Je mehr dieser Kommentare widerspruchslos bleiben, umso mehr laufen wir Gefahr, dass uns die Demokratie aus den Händen gleitet.“ Sie seien ein Spiegel der Gegenwart – und sie zeigten, dass Diskriminierung nicht Geschichte ist, sondern Realität. Sie machten deutlich, warum Ausstellungen wie diese nicht nur erinnern, sondern auch mahnen.„Diese Ausstellung erzählt nicht nur Geschichte – sie stellt uns auch eine Aufgabe. Jede und jeder von uns entscheidet jeden Tag, ob Hass und Ausgrenzung Raum bekommen oder nicht. Wenn Sie eine diskriminierende Bemerkung hören – widersprechen Sie“, forderte Carina Büdenbender. „Die Opfer des Nationalsozialismus mahnen uns, nicht wegzusehen. Unsere Aufgabe ist es, heute dafür zu sorgen, dass niemand mehr Angst haben muss, zu sein, wer man ist.“ Nachdrücklich warnte Carina Büdenbender vor rechter Hetze. Es sei nicht mehr die Zeit, sich politisch neutral und bedeckt zu halten, wenn Mitmenschen, Nachbarn, Arbeitskolleginnen und Kollegen, Kinder oder Freunde und Freundinnen bedroht werden.

Museumsleiter Dr. Eckhard Trox bedankte sich bei seiner Vorrednerin für ihr politisches Statement, das an dieser Stelle „unbedingt notwendig“ gewesen sei. Er erinnerte in seiner Rede an die Gräueltaten des Nationalsozialismus. Die Schätzungen, die Verbrechen und Kriegsfolgen einbezögen, reichten bis zu 80 Millionen Toten. Darin sei auch die Gruppe von homosexuellen Menschen eingeschlossen, „die der NS-Staat absichtsvoll tötete, weil diese Menschen nicht in das Menschenbild des Staates passten …“ Die Erinnerungsarbeit dürfe nie aufhören, forderte er und bedankte sich ausdrücklich für die „intensiven Recherchen“ des Gedenkzellen-Vereins, dank der sich die Ausstellungsbesucher nicht nur einfach so, sondern „mit Empathie an einzelne Schicksale“ erinnern könnten.

Bürgermeister Sebastian Wagemeyer stimmte seinem Vorredner zu. Die Biographien der drei Lüdenscheider machten das Schrecken greifbar. Es sei wichtig, dass es Akteure gebe, die sich für die Demokratie stark machten, betonte er und spannte den Bogen hin zur Kommunalpolitik. Obwohl künftig die AfD im Stadtrat mitrede, sei er überzeugt, dass Lüdenscheid eine bunte, tolerante und demokratische Gesellschaft bleibe.

Letzter Redner war Sebastian Benkhofer, Vorstandsmitglied des Gedenkzellen-Vereins. Anstelle des verhinderten Kurators der Ausstellung, Prof. Dr. Jens-Christian Wagner, verlas er dessen Eröffnungsrede, in der nochmals der historische Hintergrund dargestellt und das Zustandekommen der Ausstellung erläutert wurde. Musikalisch eingerahmt wurde die erfreulich gut besuchte Eröffnungsfeier von gefühlvollen Liedbeiträgen von Nancy Siskou.

Fotogalerie
Die Wanderausstellung „Rosa Winkel – als homosexuell verfolgte Häftlinge in den Konzentrationslagern Buchenwald und Mittelbau-Dora“ wurde 2022 unter der Leitung von Dr. Daniel Schuch und Prof. Dr. Jens-Christian Wagner mit Studierenden der FSU Jena in Kooperation mit der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora erarbeitet. Sie ist bis zum 9. November im Glaszwischenbau der Museen der Stadt Lüdenscheid zu den regulären Öffnungszeiten zu sehen. Nach Absprachen sind Führungen für Schulklassen auch außerhalb der Öffnungszeiten möglich (Kontakt: [email protected]). Zur Ausstellung gehört ein vielseitiges Rahmenprogramm aus Vorträgen und Filmvorführungen:
1. Oktober 18 Uhr, Museen der Stadt Lüdenscheid: Vortrag von Hans-Ulrich Dillmann über Lüdenscheider Schicksale
8. Oktober 19 Uhr, frieda's: Filmabend zum Thema der Ausstellung mit anschließender Diskussionsrunde
15. Oktober 18 Uhr, Museen der Stadt Lüdenscheid: Vortrag "Ein verhängnisvoller Liebesbrief" von Jürgen Wenke
22. Oktober 19 Uhr, frieda's: Filmabend "Klänge des Verschweigens" und anschließende Diskussionsrunde mit dem Regisseur des Film, Klaus Stanjek
23. Oktober 17 Uhr, Apollo-Theater Altena: Filmabend "Klänge des Verschweigens" und anschließende Diskussionsrunde mit dem Regisseur des Film, Klaus Stanjek
29. Oktober 18 Uhr, Museen der Stadt Lüdenscheid: Vortrag von Janika und Carina Büdenbender über die Stonewall Riots
5. November 19 Uhr, frieda's: Filmabend zum Thema der Ausstellung und anschließende Diskussionsrunde
9. November, Museen der Stadt Lüdenscheid: Finissage der Ausstellung
12. November 19 Uhr, frieda's: Filmabend zum Thema der Ausstellung und anschließende Diskussionsrunde