Der erste LokalDirekt Kandidaten-Check umfasst insgesamt drei Teile. Zunächst füllten die Bewerber einen kurzen Steckbrief mit den harten Fakten aus. Danach ging es in die Diskussion. Die Kandidaten stellten sich zum ersten Mal gemeinsam durchaus kritischen Fragen. Vermutlich hätten sie noch lange weiter diskutieren können. Doch dieser Part war auf 90 Minuten begrenzt. Zum Abschluss durften sich die Kandidaten per Video-Botschaft direkt an die Nachrodt-Wiblingwerder wenden. Dafür hatten sie eine Minute Zeit. Den Text für das Video konnten sie zuvor in Ruhe vorbereiten. Und auch der Steckbrief wurde im Vorfeld beantwortet. Welche Fragen in der Debatte auf den Tisch kommen, wussten sie zuvor nicht.
Teil 1: Die harten Fakten
Teil 2: Die politische Debatte
Die beiden Kandidaten gegen die Amtsinhaberin. Das wurde schon in der Sitzordnung, die eigentlich zufällig entstand, deutlich. Das urig-gemütliche Ambiente des Schloss Hotels Holzrichter, die Weihnachtsdeko und die kleinen Schneeflocken vor dem Fenster bilden eigentlich eine romantische Kulisse. Doch romantisch war es wahrlich nicht. Die Kandidaten gönnten sich nichts. Und beide Kandidaten schossen durchaus scharf gegen die Amtsinhaberin. Die wiederum ließ sich nicht aus der Reserve locken. Blieb gewohnt sachlich und konterte rein mit Argumenten. Am präsentensten war wohl Christian Pohlmann, der die größte Redezeit an sich riss und teilweise gestoppt werden musste. Aber auch Aykut Aggül schoss durchaus scharf und bezeichnete die Bürgermeisterin unter anderem als „feige“. Doch von vorn:
Christian Pohlmann betonte zum Gesprächseinstieg, dass er einen produktiven Wahlkampf möchte. Einen, in dem Ideen ausgetauscht werden: „Ich möchte gerne, dass wir Gedanken mitnehmen, auch wenn einer von uns nicht gewinnt. Es heißt ja nicht, dass neue Ideen und Ansätze falsch sind.“ Als Bürgermeister sei man schließlich kein Diktator. Der Wahlkampf sei viel mehr ein Wettbewerb um die besten Ideen.
Apropos Ideen: In seiner Nominierungsrede hatte Pohlmann ein altes Thema ausgegraben, das 2018 einstimmig seitens des Rats abgelehnt wurde: Die SPD schlug damals vor, das Kreckelhaus zum Amthaus umzufunktionieren. Auch Jugendzentrum und Bücherei waren dort angedacht. So wäre ein Anbau an das historische Amtshaus, wie er jetzt geplant ist, überflüssig und Kosten würden gespart. Frage: Warum hat die SPD dann damals selbst mit für den Anbau und gegen diese Idee gestimmt, hat er damals falsch abgestimmt? „Die SPD hatte damals selbst einen Gutachter da. Der ist zu anderen Schlüssen gekommen. Meine eigene Überzeugung war damals eine andere“, betonte Pohlmann. Birgit Tupat hat das anders in Erinnerung: „Es gab damals ein Gespräch auf dem Dach des Kreckelhauses, da waren auch Sie dabei. Da hat der Ingenieur ganz klare Aussagen getroffen. 13,5 Millionen Euro hätte dieses Projekt gekostet. Wenn ich da die 3,4 Millionen Euro Fördergelder abziehe, die wir für den Anbau jetzt bekommen, bleibt immer noch eine immens höhere Summe übrig. Ein weiterer Punkt war, dass das Amtshaus ein ortsprägendes Gebäude ist. Der Rat war damals der Meinung, dass der Standort wichtig sei.“ Warum Pohlmann so eine „alte Kamelle“ für den Wahlkampf nutzt? „Mit diesem Thema möchte ich darstellen, dass wir global und langfristig denken müssen.“
Aykut Aggül macht dieser Tage vor allem bei Abstimmungen auf sich aufmerksam. Er stimmte in der vergangenen Ratssitzung gegen eine Neuregelung der Grundsteuer B und lehnte auch Änderungen in den Gebührensatzungen für Abfallentsorgung und Abwasser ab. Allein diese Kosten würden das Haushaltsdefizit deutlich erhöhen. 210.000 Euro fehlen im Bereich der Grundsteuer B, 53.000 Euro im Gebührenhaushalt für Abwasser, 13.000 Euro im Gebührenhaushalt für Abfallensorgung und weitere 61.555 Euro im Bereich Offener Ganztag und Betreuung. Gegen diese Erhöhung stimmte Aggül bereits in der vorherigen Ratssitzung. Rund 337.555 Euro müssten folglich kompensiert werden, wenn die anderen nicht für die Erhöhungen und Änderungen gestimmt hätten. Und das in einer ohnehin bereits extrem angespannten Haushaltslage. 597.015 Euro – so hoch ist das Defizit der Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde. Kämmerer Heiko Tegeler sagte dazu: „Der Haushalt der Gemeinde, wird vor allem durch externe Faktoren an den äußersten Rand der Belastbarkeit gebracht. Wir stehen mit dem Haushalt 2025 vor der größten finanziellen Herausforderung mindestens seit der Einführung der kommunalen Doppik und der Teilnahme am Stärkungspakt.“ Wie soll das also gelingen? Kann man einfach so dagegenstimmen? „Ich stimme nicht ohne vernünftige Gedanken ab“, betonte Aggül. Er schlug vor, die Aufwandsentschädigungen für Ratsmitglieder zu streichen. Er selbst könne gut auf die 234,60 Euro verzichten. Doch das ist nicht so einfach. Denn diese müssen gezahlt werden. Die einzige Möglichkeit wäre, dass die Ratsmitglieder ihre Entschädigungen der Gemeinde zurück spenden. Rund 100.000 Euro könnten so eingespart werden. „Der Haushalt wird von der Gemeinde gestrickt. Sprich darin steht, was die Verwaltungsmitarbeiter als dringlich sehen.“ Bisher sei der Rat immer dem Vorschlag der Verwaltung gefolgt. „Es ist aber unsere Pflicht, genau zu prüfen, ob wir alles so machen, wie es auf der Agenda steht.“ Zur Diskussion stünde für ihn unter anderem der geplante Neubau der Lennehalle. „Wir brauchen keine dritte Sporthalle, aber eine Mehrzweckhalle“, sagte Aggül. Es gäbe viele Bürger, die keine Notwendigkeit in einer dritten Sporthalle sähen. „Da sollte eine Abfrage bei den Bürgern erfolgen“, appellierte Aggül. Birgit Tupat entgegnete, dass es natürlich wichtig sei, die Bürger einzubinden. Derzeit aber erst einmal geprüft werde, welche Sportarten und Vereine welche Bedarfe haben und welche Eigenschaften eine Halle erfüllen muss, um diesen gerecht zu werden. Im Arbeitskreis sitzen daher nicht nur Politiker, sondern auch Vertreter der Sportvereine und des KulturSchocks.
Christian Pohlmann sagt dazu, dass auch er das Problem sehe, dass sich Bürger und Vereine nicht mitgenommen fühlen. Und nannte als Beispiel den Konflikt mit dem Trägerverein des Gartenhallenbads. Der Vorstand habe immer moniert, dass das Verhältnis zur Verwaltung nicht funktioniert habe. Jetzt gebe es einen neuen Vorstand und auch da seien weiterhin große Probleme in der Kommunikation zu spüren. Birgit Tupat sieht das anders und erklärt: „Wir haben regelmäßige Treffen mit dem Trägerverein. Wenn wir d‘accord auseinander gehen und alle mit den Plänen einverstanden sind, wie jetzt erst, als es um die Umkleidebereiche ging, und einen Tag später die Welt für den Trägerverein auf einmal eine andere ist, dann ist das durchaus merkwürdig.“ Irgendwann sei der Punkt gekommen, an dem es weitergehen müsse. Zudem gebe es auch einfach Vorschriften. So müsse unter anderem eine Umkleidekabine oder Toilette für Behinderte gewisse Größenvorgaben und Eigenschaften erfüllen: „Wenn dann gesagt wird, wir machen doch besser die Behindertentoilette kleiner, dann muss ich sagen: Es gibt Vorschriften, wie groß die sein muss.“ Und auch der Brandschutz müsse eingehalten werden. Am Gartenhallenbad selbst sei nicht zu rütteln. „Wir brauchen das Bad für Nachrodt-Wiblingwerde“, betonte die Bürgermeisterin.
Und dann ist da noch die Sache mit der Qualifikation. Gerade die wird unter den Nachrodt-Wiblingwerdern diskutiert. Christian Pohlmann ist sich sicher, alle Kompetenzen mitzubringen. „Ich bin seit 30 Jahren beruflich in einer Behörde tätig“, sagte er. Auf Rückfrage erklärt er, dass er in einer Justizvollzugsanstalt arbeite. Viele Jahre habe er einen Betrieb innerhalb der Anstalt geleitet und hatte teilweise bis zu 30 Gefangene unter sich. Grundsätzlich komme ihm aktuell die politische Komponente zu kurz. Es werde mehr verwaltet als gestaltet. „Man muss die Dinge von hier auch nach Düsseldorf und Berlin tragen“, erklärte der SPD-Kandidat. Daher sei es gut, dass er auf ein Parteinetzwerk zurückgreifen könne. Dann würde sich manch eine Tür schneller öffnen. Dem widersprechen die anderen beiden. „Man braucht keine Partei. Ich habe auch so Kontakte. Wenn ich ein Problem habe, habe ich auch Kontakte“, erklärte Aykut Aggül. Er traue sich durchaus zu, eine Verwaltung mit 27 Mitarbeitern zu führen. „Ich bringe neue Energie und Mut mit“, betonte der fraktionslose Kandidat, der in der Kommunikationszentrale der Märkischen Kliniken arbeitet. Er habe keine Angst vor dem Posten.
Bürgermeisterin Birgit Tupat ist anderer Meinung. Sie hat eine Verwaltungsausbildung. Sie glaubt nicht, dass die beiden das Zeug zum Verwaltungschef haben. „Gerade in einer kleinen Verwaltung ohne große Dezernenten, die einem helfen, und in Zeiten von extremen Fachkräftemangel und vielen Quereinsteigern, die Unterstützung brauchen, muss man die Fachbereiche auch selbst immer unterstützen und das entsprechende Wissen haben“, betonte Tupat.
Teil 3: Die persönliche Botschaft
Aykut Aggül, Birgit Tupat und Christian Pohlmann erhielten zudem die Möglichkeit sich in einer einminütigen Nachricht an ihre Wähler zu wenden. Inhaltliche Vorgaben gab es nicht. Lediglich das Zeitlimit von einer Minute (inkl. fünf Sekunden Toleranz). Für die Aufnahme hatten alle Kandidaten drei Versuche. Alle nutzten zwei.
Birgit Tupat:
Aufgeregt waren sie tatsächlich alle. Die Amtsinhaberin machte den Auftakt. Sie hatte sich vorbereitet, ihren Text auswendig gelernt und ihn nach eigenen Angaben mehrfach bearbeitet. „Eine Minute ist echt nicht viel. Da vertut man sich“, sagte sie. Beim ersten Versuch verhaspelte sie sich bei der Hälfte und bat um einen zweiten Versuch. Das ist das Ergebnis:
Aykut Aggül:
Als zweites stellte sich Aykut Aggül vor die Kamera. Er hatte keinen Text vorbereitet. „Können wir das auch einfach so machen? Ist es schlimm, wenn es weniger als eine Minute ist?“, fragte er noch und legte los. Auch er stolperte nach den ersten Sätzen und setzte erneut an. „Man ist so ein Format ja auch nicht gewohnt“, sagte er. Da stimmten ihm die anderen zu. Auch für sie war die Videobotschaft mit Zeitlimit eine Premiere. Das ist Aykut Aggüls zweiter Versuch und damit die finale Version. Er nutzte seine Minute nicht voll aus:
Christian Pohlmann:
Christian Pohlmann war ebenfalls nervös. Wie zuvor Birgit Tupat hatte auch er sich zuhause auf die Aufgabe vorbereitet. „Im Auto bin ich den Text noch mehrfach durchgegangen, es sollte klappen – hoffe ich“, sagte er und legte los. Doch auch ihm gelang es nicht auf Anhieb, die Minute zu füllen. Auch er verhaspelte sich. Also noch einmal sammeln, den vorbereiteten Zettel in der Hand. Und so entstand diese finale Version: