Zunächst die harten Fakten:
1. Was ist überhaupt die Grundsteuer B?
Die Grundsteuer B ist eine Steuer auf Grundstücke, die nicht land- oder forstwirtschaftlich genutzt werden, also vor allem auf Wohn- und Geschäftsgrundstücke. Eigentümer von Häusern, Wohnungen oder Baugrundstücken zahlen diese Steuer an ihre Gemeinde, die sie für öffentliche Aufgaben wie Infrastruktur und Schulen verwendet.
2. Wie wird die Grundsteuer B berechnet?
Die Grundsteuer B basiert auf dem sogenannten Einheitswert des Grundstücks. Dieser Wert wird mit einer festgelegten Steuermesszahl und dem Hebesatz der jeweiligen Gemeinde multipliziert. Der Hebesatz kann von Ort zu Ort variieren, was die Höhe der Steuer beeinflusst.
3. Warum gibt es Kritik an der Grundsteuer B?
Die Kritik an der Grundsteuer B liegt darin, dass sie nach der Grundsteuerreform keine Unterscheidung zwischen privater und gewerblicher Nutzung macht. Sowohl private Hausbesitzer als auch Gewerbetreibende zahlen die gleiche Steuer pro Quadratmeter.
4. Wo liegt die Ungerechtigkeit zwischen privater und gewerblicher Nutzung?
Gewerbliche Grundstücksnutzer erzielen oft erhebliche Gewinne durch ihre Nutzung, während private Grundstückseigentümer ihr Grundstück meist nur zum Wohnen verwenden. Da beide die gleiche Steuer zahlen, werden private Eigentümer relativ stärker belastet, da sie keinen wirtschaftlichen Nutzen wie ein Unternehmen aus ihrem Grundstück ziehen können. Unternehmen können ihre Steuerkosten oft durch ihre Einnahmen ausgleichen. Private Eigentümer, die keine Gewinne aus ihrer Wohnnutzung erzielen, haben diese Möglichkeit nicht. Das führt dazu, dass Gewerbe im Verhältnis zur Nutzung finanziell begünstigt wird.
6. Ist diese Ungleichbehandlung ein rechtliches Problem?
Die pauschale Besteuerung von Wohn- und Gewerbegrundstücken wird oft als ungerecht empfunden, weil sie die unterschiedlichen Nutzungsformen nicht berücksichtigt. Dies könnte potenziell ein rechtliches Problem darstellen, da unterschiedliche wirtschaftliche Ergebnisse erzielt werden, die sich in der Steuerlast nicht widerspiegeln. Eine gerechtere Steuer könnte eine Unterscheidung zwischen Wohn- und Gewerbenutzung treffen.
7. Welcher Handlungsbedarf ergibt sich aus der Grundsteuerreform?
Durch die Reform der Grundsteuer, die bis 2025 in Kraft treten soll, müssen Eigentümer ihre Grundstücke neu bewerten lassen. Der Handlungsbedarf liegt vor allem darin, dass sowohl private als auch gewerbliche Eigentümer ihre Daten korrekt an die Finanzämter übermitteln. Kommunen müssen zudem sicherstellen, dass der neue Hebesatz fair festgelegt wird, um keine ungewollten Steuererhöhungen zu verursachen. Wichtig ist es auch, die Reform so zu gestalten, dass die Ungleichbehandlung zwischen privaten und gewerblichen Grundstücken beseitigt wird, um langfristig eine gerechtere Steuerverteilung zu erreichen. Das Problem: Niemand weiß, wie sich die Daten für ein jeweiliges Grundstück jetzt wirklich entwickeln.
8. Und was wurde im Hauptausschuss diskutiert?
Die Mitglieder des Hauptausschusses diskutierten intensiv über das Thema, um im Anschluss einen Beschlussvorschlag für den Rat zu finden, der am kommenden Montag tagt. Das Dilemma: Alle wollen keine Mehrbelastung für die Bürger. Aber das Haushaltsdefizit darf auch nicht aus den Augen verloren werden. Hinzu kommen rechtliche Unsicherheiten. Zum Auftakt verdeutlichte Bürgermeisterin Birgit Tupat
das nicht vorhersehbare Prozessrisiko, welches bei einer Differenzierung der Hebesätze bei der Grundsteuer entstehe. Zugleich bestehe ein deutliches Ungleichgewicht bei einem pauschalisierten Hebesatz, sodass die Lastenverschiebung zum großen Nachteil der Wohngrundstücke erfolge. „Die Nichtwohngrundstücke im Gemeindegebiet verlieren insgesamt etwa 60 Prozent des Messbetragsvolumens im Vergleich zu der vorherigen Bewertung“, erklärte Birgit Tupat. „Ich hätte mir gewünscht, wir könnten es bei 720 Prozent für Wohngrundstücke belassen. Wenn wir das machen würden, entstünde ein weiteres Defizit von 200.000 Euro. Und da weiß ich wirklich nicht, wo wir die noch raus holen sollen“, sagte die Bürgermeisterin und gab das Wort an die Ausschussmitglieder.
Sonja Hammerschmidt (UWG) machte den Auftakt und sprach sich für die Differenzierung aus: „Man kann das keinen Privatmann mehr zumuten. Dass uns das dann gegebenenfalls mal rechtlich um die Ohren gehauen wird, müssen wir in Kauf nehmen.“ Die Differenzierung sei durch die massive Reduzierung der Messbeträge im Bereich der Nichtwohngrundstücke unumgänglich.
Der fraktionslose Aykut Aggül, der im Hauptausschuss zwar ein Rede, aber kein Stimmrecht hat, sieht das anders und sprach sich für Variante A aus und verwies auf die bald anstehenden Haushaltsplanberatungen, da müsse dann eben der Rotstift angesetzt werden. Ginge es nach ihm, würden die Ratsmitglieder einfach auf ihre Aufwandsentschädigungen verzichten „dann haben wir das Problem gelöst“, sagte Aggül. Eine Erhöhung des Hebesatzes für den Bürger schließt er aus. „Wir erhöhen die Steuern, aber der Service bleibt gleich. Ich werde keiner Erhöhung zustimmen“, machte er deutlich. Sein fraktionsloser Sitznachbar Matthias Lohmann suchte derweil nach der gerechtesten Lösung, gab aber zu, dass es wohl keine Lösung gibt, die für alle perfekt sei. Ein Einnahmeverlust in der Höhe sei nicht zu vertreten. Eine Tendenz zu Gunsten der Wohngrundstücke sei aus seiner Sicht erforderlich, da die Nichtwohngrundstücke durch die Neubewertungen deutlich an Wert verloren hätten. Er tendiere daher zu Variante D. Also einer ebenfalls differnzierten Lösung.
Die finale Lösung hatte Philipp Olschewski, Fraktionsvorsitzender der CDU. Schon zu Beginn machte er klar, dass die Christdemokraten sich die Lösung gut überlegt hätten und in diesem Punkt nicht kompromissbereit sind: „Wir als CDU sprechen uns entschieden gegen die Erhöhung des Hebesatzes aus. Deshalb plädieren wir dafür, den Hebesatz für die Grundsteuer B für Wohngrundstücke bei 720 Prozentpunkten zu belassen. Unserer Auffassung nach sollen zudem differenzierte Hebesätze angewendet werden.“ Bei Auslastung der maximal möglichen Differenzierung läge der Hebesatz für Nichtwohngrundstücke demnäch bei 1440 Prozentpunkten und es ergäbe sich für die Gemeinde somit ein Steuerertrag von insgesamt circa 1,2 Millionen Euro. Durch die deutlich gesunkenen Messbeträge für Nichtwohngrundstücke werde es mit diesem Vorgehen auch keine Mehrbelastungen für Unternehmen geben.
„Der Ertragsverlust für unsere Gemeinde bei dem von uns vorgeschlagenen Vorgehen läge gegenüber der Variante F beispielsweise bei nur circa 72.000 Euro und ist bei einem aktuellen Haushaltsvolumen von über 21 Millionen Euro als vernachlässigbar und im Haushalt kompensierbar anzusehen. Für die Menschen in unserer Gemeinde jedoch würde jedes einzelne Prozent Steuererhöhung ein schmerzlicher Griff in die Tasche darstellen und das in Zeiten, in denen die Lebenshaltungskosten sowieso schon ins Unermessliche gestiegen sind“, betonte der Fraktionsvorsitzende.
Und die SPD? Die war sich zunächst noch nicht einig. „Wir haben die Vorlagen studiert. Wollten aber erst einmal die Diskussion abwarten“, sagte Ronny Sachse. Ein weiteres Problem sei nach Meinung der SPD die gesetzliche Unsicherheit. Der Fraktionsvorsitzende Gerd Schröder bat daher um eine Unterbrechung zur Beratung. Im Anschluss folgten doch alle dem Vorschlag der CDU und nicht dem der Verwaltung.
9. Und was bedeutet das genau für die Nachrodt-Wiblingwerder?
Was am Ende wirklich auf den Bescheiden steht und ob es mehr oder weniger ist, dass kann noch niemand sagen. Denn zur Berechnung der konkreten Grundsteuer wird der Grundsteuermessbetrag benötigt. Ab 2025 gilt die neue Grundsteuer: Der Steuermessbetrag ist dann von dem Grundsteuerwert und der Steuermesszahl abhängig. Dieser wird vom Finanzamt ermittelt. Die Gemeinden wenden ihren Hebesatz auf den Grundsteuermessbetrag an, daraus ergibt sich die Grundsteuer. Da die Messbetragszahlen für gewerbliche Grundstücke bis zu 60 Prozent sinken, gehen die Kommunalpolitiker davon aus, dass dies die fairste Lösung ist und die gewerblichen Nutzer vermutlich sogar immer noch im Vorteil sind.
Ob der Vorschlag der CDU auch der finale Beschluss wird, wird sich am Montag im Rat entscheiden. Die Mitglieder tagen ab 17 Uhr öffentlich im Schlosshotel Holzrichter.