Nicht für sich selbst, sondern für die Gemeinschaft arbeiten – diesen Leitsatz von Marie Juchacz, der Gründerin der Arbeiterwohlfahrt, hat Christine Schnur gelebt. Sie legte 1924 den Grundstein für die Erfolgsstory, die bis heute anhält. Daran erinnerte AWO-Vorsitzender Klaus Wieber vor rund 60 Gästen im Foyer des Museums. Aus der unermüdlichen Arbeit für die Schwachen der Gesellschaft, die sie schon vor der Gründung des Ortsverein leistete, entwickelte sich vor Ort ein Netz von Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen, die sich für Solidarität, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit einsetzen. Das Engagement Christine Schnurs überdauerte auch die Nazi-Zeit, in der sich die AWO wie viele andere Organisationen auflöste, um einem Verbot zu entgehen. 1946 übernahm sie bei der Neugründung der AWO eine entscheidende Rolle.
Für ihre Familie hatte Christine Schnur kaum Zeit. Davon zeugt ein Brief, den ihre Tochter Mathilde Seufzer im hohen Alter verfasste. Er umfasst 16 Seiten und schildert, wie sich Christine Schnur nahezu aufopferte und dabei ihre Familie einspannte. „Wer diesen Brief liest, begreift, warum AWO nötig war und ist“, sagte Klaus Wieber. Das Schreiben befindet sich im Besitz des Ortsvereins. Es wurde der AWO von Margret Mannesmann, einer Tochter von Mathilde Seufzer, überlassen. Margret Mannesmann zählte zu den Ehrengästen der Veranstaltung.
Grußworte kamen am Samstag von Bürgermeister Wagemeyer und SPD-MdL Gordan Dudas. Wegen einer technischen Panne war die Videobotschaft des Rathaus-Chefs leider nicht zu hören. Gordan Dudas gratulierte in dem von AWO-Vorstandsmitglied Rolf Breucker verlesenem Grußwort dem Ortsverein zum 100-jährigen Bestehen. Die AWO liefere immer wieder wichtige Impulse für die Arbeit der SPD. Sein Dank ging an alle ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Euer Einsatz macht einen echten Unterschied im Leben vieler Menschen“, hieß es zum Schluss des Grußwortes.
SPD-Bundestagsabgeordnete Nezahat Baradari bezeichnete die AWO als „wichtige Stütze der Gesellschaft“. Sie schaffe wichtige Räume für gesellschaftliche Teilhabe. Michael Scheffler, Vorsitzender des AWO-Bezirksverbandes Westliches Westfalen, sagte, er sei stolz darauf, dass die Werte der AWO in Lüdenscheid so intensiv gelebt würden. Den Brief Mathilde Seufzers wertet er als einen Schatz. Kaum ein Ortsverein verfüge über solche historischen Quellen, weil während des NS-Regimes viele Unterlagen vernichtet oder verloren gegangen seien.
AWO vor Ort: Der Ortsverein hat circa 160 Mitglieder. Vorsitzender ist Klaus Wieber. Seine Stellvertreter sind Rolf Breucker und Michael Rolland. „Das Herz der AWO ist die ehrenamtliche Arbeit“, sagte Klaus Wieber bei der Feier. Dieses Herz schlägt in der Begegnungsstätte an der Marienstraße. Hier bieten die Ehrenamtlichen Frühstück, Mittagessen und Kaffeetrinken an. Bingo, Kartenspiele und mehr sorgen für die Unterhaltung der Besucherinnen und Besucher. Die Ehrenamtlichen betreuen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gut organisierter Fahrten. Sie verschicken Geburtstagsgrüße und machen Krankenbesuche. Dreimal in der Woche öffnen sie den Kleidershop an der Marienstraße. Seit fast zwei Jahren laden sie zur Aktion „Gemeinsam statt einsam“, dem Mittagessen für zwei Euro, ein.
Zu den hauptamtlich geführten AWO-Einrichtungen in Lüdenscheid zählen vier Kindertagesstätten, zwei offene Ganztagsschulen, die Familienbildungsstätte, das Mehrgenerationenhaus, das Seniorenzentrum an der Parkstraße sowie das Jugendzentrum „Knast“. Außerdem bietet die AWO den Jugendmigrationsdienst sowie Sprachkurse für Migrantinnen und Migranten an.