„Für den Bürger wird sich nichts ändern!“ Dieser Satz fiel am Donnerstagnachtmittag, 21. November, immer wieder im Rathaus, als Bürgermeister Michael Brosch und Prof. Dr.-Ing. Norbert Jardin, Vorstandsvorsitzender des Ruhrverbandes, ihre Unterschriften unter die Dokumente zur Übergabe des städtischen Kanalnetzwerk setzten. Die Dokumentation, so die korrekte Bezeichnung, denn ein Vertrag ist es laut Prof. Dr.-Ing. Norbert Jardin nicht, werten beide Seiten als vollen Erfolg. Sie wurde mit der Übergabe eines „Goldenen Kanaldeckels“ symbolisch besiegelt.
33 Millionen Euro erhält die Stadt Halver vom Ruhrverband und tritt damit zum 1. Januar 2025 das wirtschaftlichen Eigentum des Halveraner Kanalnetzes an diesen ab. Die Gebühren- und Satzungshoheit bleiben bei der Stadt, der Ruhrverband wird aber dazu beraten. Auch bauliche Veränderung sind nur nach Absprache mit der Stadt Halver möglich. Durch diese Unterschriften geht die Regulierung der Abwasserbeseitigung nun an den Ruhrverband über, der damit seine Netzhoheit weiter ausgebaut hat.
„Wir waren die letzten drei, vier Jahre im lockeren Gespräch mit dem Ruhrverband“, erzählt Michael Brosch den Weg zum heutigen Abschluss. „Das letzte Jahr haben wir dann ernsthaft verhandelt und ich bin froh, dass wir das heute unter Dach und Fach gebracht haben.“ Zur Vorbereitung habe eine konzentrierte Arbeit vieler Kollegen aus dem Rathaus und dem Ruhrverband gehört. „Dabei gab es auch immer die Möglichkeit des Scheiterns“, bestätigt er. „Wir mussten in der Politik viel Überzeugungsarbeit leisten, dass dieser Verkauf Sinn macht.“ Der Vorwurf, das Tafelsilber der Stadt zu verkaufen, habe dabei unter anderem im Raum gestanden.
Schwierige Personalsituation
Es gehe aber bei der Übertragung des Kanalsystems nicht nur um die monetäre Frage, wie auch Simon Thienel, erster Beigeordneter und Kämmerer der Stadt betont, sondern auch darum, ob die Stadt Halver die Arbeiten, die mit der Erhaltung eines Abwassernetzes verbunden sind, auch in Zukunft noch stemmen könne. „Es wird immer schwieriger, geeignetes Personal zu finden. Man braucht Leute, die das zuverlässig machen können. Hubert Kowalski, der für diese Aufgabe zuständig ist, ist kurz vor der Rente. Es besteht die Gefahr, dass die Stadt irgendwann ohne Sachverstand da steht.“
Er machte deutlich, dass es gerade für kleine Kommunen Sinn macht, solche Aufgaben an leistungsfähige Partner zu übertragen. „Wenn man die Dinge nicht richtig macht, läuft man Gefahr, irgendwann rechtliche Probleme zu bekommen, denn die Gesetze gerade im Bereich Umweltschutz werden ständig erweitert. Dokumentations- und Transparenzpflichten der EU wachsen. Man muss also auch die strafrechtlichen Aspekte beachten und das Risiko minimieren.“
Nutzung von 33 Millionen Euro
Der Verkaufspreis von rund 33 Millionen Euro ist natürlich auch ein wichtiger Faktor für die Stadt. „Wir überprüfen gerade, wie wir dieses Geld optimal nutzen werden“, sagt Michael Brosch. Ob und wieviel dieser Einnahme für die Ablösung von Krediten genutzt wird – die Stadt hat aktuell zirka 50 Millionen Euro Schulden – wird aktuell beraten.
Der Dokumentation, läuft über 20 Jahre, danach wäre theoretisch eine Rückabwicklung möglich. „Das ist aber praktisch nicht relevant“, so Thienel, „da sich vor allem die Personalsituation in den nächsten Jahren nicht signifikant ändern wird. Die Begeisterung, in einen Kanal zu kriechen, schwindet.“ Gerade hinter der Kanalisation- und Abwasserwirtschaft stehe eine hochkomplexe Technik und die entsprechende Personalakquise sei bei einem großen Betrieb, wie dem Ruhrverband, besser als in kleinen Kommunen, ergänzte er.
Zu diesem Ergebnis sind die Vertreter der Stadt auch nach Gesprächen mit den Städten Balve und Schalksmühle gekommen, die schon länger mit dem Ruhrverband zusammenarbeiten. Auch von dort erhielten sie die Bestätigung, dass es für kleine Kommunen Sinn macht, den komplexen Bereich Abwasser abzugeben.
Mit diesen Fakten und Informationen wurde die Halveraner Politik überzeugt und ein Ratsbeschluss gefasst. Broschs Fazit: „Wir haben uns in den Verhandlungen mit dem Ruhrverband wohl gefühlt und sind überzeugt, zum Wohle der Halveraner Bürger zu handeln.“
Auch Prof. Dr.-Ing. Norbert Jardin ist überzeugt, dass eine Trennung von Kommunen und Verband nicht zukunftsfähig ist. „Seit der Gesetzgeber 2016 die Möglichkeit geschaffen hat, dass die Kommunen eigenständig die Entscheidung treffen können, die Abwasseraufgaben an den Ruhrverband zu übertragen, ist Halver die siebte Kommune, die das gemacht hat. Der Ruhrverband zahlt für die Übernahme des wirtschaftlichen Eigentums eine Ausgleichszahlung und wird zukünftig die Aufgabenerfüllung sicherstellen. Kommunen haben einfach zu wenig Fachpersonal, die immer neuen Anforderungen, die der Gesetzgeber stellt zu erfüllen.“
Keine Änderung für Halvers Bürger
Er bestätigte auch noch einmal, dass sich für die Halveraner Bürger nichts ändern wird. „Die Gebühren- und Satzungshoheit bleiben bei der Stadt, wir sind nur beratend tätig. Da auch Meinerzhagen zum 1. Januar 2026 seine Kanalisation an den Ruhrverband übertragen wird, ergeben sich durch das größere zusammenhängende Gebiet Synergien für den Ruhrverband.“ Diese positive Entwicklung sieht er als Weg zum Wohle der Menschen in der Region. Selbst der Ansprechpartner Hubert Kowalski bleibt für Nachfragen erhalten. Allerdings wird er zukünftig im Auftrag des Ruhrverbandes arbeiten. Jardin sichert auch die Nachfolge des langjährigen Halveraner Bauamtsmitarbeiters nach dessen Verrentung zu, „Es wird immer einen Ansprechpartner geben.“
Um eine gute Übergangsphase zu gewährleisten, hat der Ruhrverband den langjährigen Kanalnetzmitarbeiter des Bauhofs, Joe Stephan, gewinnen können, seine reichhaltigen Erfahrungen bis zur seinem endgültigen Renteneintritt an das Betriebsteam des Ruhrverbandes weiterzugeben, versichert der Ruhrverband. Eine ständige Rufbereitschaft im gewerblichen und technischen Bereich werde für mehr Sicherheit im Kanalnetzbetrieb sorgen.
Die entscheidende Frage
Bürgermeister Brosch fasste die Thematik „Abwasser“ noch einmal anschaulich zusammen: „Für den Bürger ist doch die entscheidende Frage: ‚Wenn ich auf den Knopf drücke – ist es dann weg?“ – und das ist und bleibt geregelt.
Fakten:
Das Kanalnetzwerk in Halver umfasst
– insgesamt 123 Kilometer
– davon 66 Kilometer im Mischsystem
– weitere 19 Kilometer Regenwasserkanäle
– und 38 Kilometer Schmutzwasserkanäle
– 23 Pumpwerke
– acht Regenrückhaltebecken und Versickerungsanlagen
– drei Regenklärbecken und Regenüberläufe
– ein Düker (eine Druckleitung zur Unterquerung einer Straße)