Es ist kurz vor 7.30 Uhr am 10. Januar vergangenen Jahres. An der Straße Honseler Bruch in Lüdenscheid steht eine Gruppe vier und fünf Jahre alter Kinder in Warnwesten auf dem Gehweg. Gemeinsam mit einer erwachsenen Begleitung wollen sie die Fahrbahn an einem Zebrastreifen überqueren. Doch dazu kommt es erst einmal nicht. Denn: Ein 26-jähriger Autofahrer nähert sich mit überhöhter Geschwindigkeit – und übersieht die Kindergruppe. Die Betreuerin reagiert schnell, hält die Mädchen und Jungen mit ausgebreiteten Armen von der Straße fern.
Polizistin nimmt Verfolgung auf
Eine sich in der Nähe des Zebrastreifens befindliche Polizistin nimmt im Streifenwagen sofort die Verfolgung des Fahrzeugs auf, stoppt es. Eine halbe Stunde später steht mittels Blutprobe fest, dass der 26-Jährige Cannabis konsumiert hatte. Der Mann landet dafür wegen Straßenverkehrsgefährdung vor einem Strafrichter im Amtsgericht Lüdenscheid.
Dort wirkt der Angeklagte sehr aufgeregt, weshalb sein Verteidiger erst einmal das Reden für ihn übernimmt. „Er ist gefahren. Er ist Cannabispatient“, beginnt der Anwalt. „Ich habe die Situation nicht so wahrgenommen, wie geschildert“, ergänzt der Angeklagte. Aus Sicht seines Mandanten sei er nur minimal zu schnell und die Kinder seien verdeckt gewesen, so der Verteidiger. Der Angeklagte sagt dazu aus, Blickkontakt mit der Begleitung der Gruppe gehabt zu haben. Da die Frau etwas korpulent gewesen sei, habe er die Kinder nicht gesehen. Als die Dame keine Anstalten gemacht habe, die Straße zu überqueren, sei er gefahren.
Bezüglich des Cannabis im Körper führt der Richter einen ärztlichen Bericht in den Prozess ein. Danach leidet der 26-Jährige an unerklärlichen Kopfschmerzen. Da übliche Medikamente keine Wirkung zeigten, würde dem Angeklagten seit einiger Zeit Cannabis verschrieben. Dieses führe zur deutlichen Minderung der Beschwerden. „Ich habe 100 Prozent meiner Lebensqualität zurück. Ich halte mich streng an die Vorgaben. Ich habe es gut im Griff“, gibt der Lüdenscheider an.
Nach anderthalb Jahren Führerschein zurück
Die Frage, ob das Cannabis ursächlich für das Verhalten des Angeklagten gewesen war, kann in der Sitzung nicht geklärt werden. Die Tatsachen, dass die Fahrt schon lange her ist und der Mann seither keinen Führerschein mehr hat, und, dass der Cannabiswert im Körper nur niedrig war, lässt das Gericht das Verfahren vorläufig einstellen. Zahlt der Lüdenscheider 1200 Euro an die Verkehrswacht, wird die Akte endgültig geschlossen. Der Angeklagte ist sichtlich erleichtert über die Entscheidung. Und es gibt für ihn noch einen Grund zur Freude: Nach mehr als anderthalb Jahren bekommt der Mann im Gerichtssaal seinen Führerschein zurück.