Es waren die bewegendsten zwei Wochen in der sportlichen Karriere des Hemeraners Werner Sülberg. „Mecki“, wie seine Freunde und Bekannten den langjährigen Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes nennen dürfen, nahm vom 17. Juli bis zum 01. August 1976 an den Olympischen Sommerspielen im kanadischen Montreal teil.

Der heute 73-jährige verheiratete Vater zweier Kinder und Großvater von zwei Enkeln gehörte seinerzeit zu der 290 Teilnehmende zählenden deutschen Delegation. Deutschland belegte mit 10 Gold-, 12 Silber- und 17 Bronzemedaillen den vierten Platz im Medaillenspiegel. Werner Sülberg marschierte bei der Eröffnungsfeier mit seinen Mannschaftskameradinnen und -kameraden hinter Fahnenträger Hans Günter Winkler ins Olympiastadion von Montreal ein.
„Ich bekomme noch heute feuchte Augen“
„Wenn ich davon erzähle, bekomme ich heute noch feuchte Augen“, verrät Werner Sülberg. Der Hemeraner gehörte damals zur 21-köpfigen Segelcrew – 12 Segler aus sechs Bootsklassen, 3 Ersatzleute, 3 Trainer, Techniker und Funktionäre. Angeführt wurde das Team des damals 26-Jährigen von Deutschlands Segel-Ikone Willi Kuhweide.
Der hatte schon bei den Spielen 1964 in Tokio in Sülbergs Bootsklasse, dem Finn-Dinghi, die Goldmedaille gewonnen. Zweimal Gold und einmal Bronze standen am Ende als Bilanz in Montreal für die deutschen Segler zu Buche. „Wir waren das erfolgreichste deutsche Segel-Team aller Zeiten“, freut sich Sülberg noch heute.
Platz 20 – aber vor Jaques Rogge
Er selbst konnte zum Medaillensegen nicht beitragen. „Ich habe die Erwartungen des Seglerverbandes nicht erfüllt, ich war einfach nicht gut genug“, erinnert sich Werner Sülberg. Bei zwei Wettfahrten war er von Magenproblemen gebeutelt. Sein Name stand hinter Platz 20 der Ergebnisliste in der Finn-Dinghy-Klasse. „Ich war immerhin einen Platz besser als der spätere IOC-Präsident Jacques Rogge“, freut sich der Hemeraner noch heute. Dessen Nachfolger und heutige IOC-Präsident Thomas Bach gehörte 1976 ebenfalls mit zur deutschen Delegation. Bach holte Gold mit der Fecht-Mannschaft.
Scharfe Sicherheitsvorkehrungen
Untergebracht waren die Segler an ihrer Wettkampfstätte in Kingston am Ontariosee – knapp 300 Kilometer von Montreal entfernt. „Der Weg vom Flughafen dorthin in Bussen war sehr bedrückend. Die Autobahn sowie alle Auf- und Abfahrten waren abgesperrt worden. Das Attentat von München war gerade einmal vier Jahre her – die bewaffneten Sicherheitskräfte waren in ständiger Alarmbereitschaft.“ Das habe sich auch im olympischen Dorf gezeigt. Das sei fünf Meter hoch von Zäunen und Stacheldraht umgeben gewesen, scharfe Kontrollen gab es am einzigen Zugang.
Meyfarth und Fosbury getroffen
Dass die olympischen Spiele zurecht als Treffen der Jugend der Welt bezeichnet werden, erlebte Werner Sülberg dann nach Ende seiner Wettfahrten. „Die Hockey-Mannschaft war frühzeitig ausgeschieden und abgereist. Deshalb konnten wir in deren Zimmer im olympischen Dorf in Montreal umsiedeln“, erinnert sich der 73-Jährige. Dort trafen sich Teilnehmer aus aller Welt.

„Ich habe unter anderem Ulrike Meyfarth, Olympiasiegerin im Hochsprung von München, und Dick Fosbury kennengelernt.“ Fosbury revolutionierte in den 1960er Jahren den Hochsprung durch die von ihm kreierte Sprungtechnik, den Fosbury-Flop, bei dem der Springer die Latte rückwärts überquert.
Gitarre im Gepäck
Im Reisegepäck hatte der Hemeraner seinerzeit auch seine Gitarre. Die hat er noch heute. „Wir haben manche >schmutzige< Lieder gesungen“, schmunzelt Sülberg.
Und das nicht nur im olympischen Dorf. „Auf dem Rückflug in unserer DC 10 waren auch Vlado Stenzel und seine Handballer. Die waren Vierte geworden. Wir haben mit einigen Spielern und den Flugbegleiterinnen hinten in der Küche lange gesungen.“
Als Fünfjähriger zum Wassersport gekommen
Zum Segeln kam Werner Sülberg mittelbar durch seine Eltern. Als Fünfjähriger nahmen die ihn mit zur Sorpetalsperre, 1955 ist er in den damaligen Kanu-Club Hemer e.V. eingetreten. „Angefangen habe ich im Faltboot meiner Eltern. Ende der 1950er Jahre gab es dann die ersten Kanu-Segelboote“, erinnert sich der Hemeraner.
„Segeln, zumal auf einem Binnengewässer, hat etwas von Schach und Marathon“. Es gebe mehr drehende Winde und man müsse viel mehr auf Wind und Wetter achten. „Geradeaus-Segler“ nennt er diejenigen, die ihrem Sport auf offener See oder an der Küste nachgehen.
Entwicklung im Leistungssport
Die sportlichen Erfolge im Kanu-Segelboot stellten sich schnell ein: 1965 bis 1968 zweimal Vize- Meister und zweimal Meister in der Jugend. 1969,1970 und 1972 deutscher Meister bei den Senioren. Da wurde es Zeit, in die olympische Finn-Dinghi-Klasse umzusteigen. Ins Blickfeld des Deutschen Seglerverbandes rückte Werner Sülberg bereits bei der Kieler Woche 1971.

„Wer bist du denn, haben die mich gefragt“. 1972 und 1973 wurde er auch gleich Deutscher Meister in dieser Klasse. Er bekam schnell den Leistungspass des Deutschen Seglerverbandes, der zur Teilnahme an zugangsbeschränkten internationalen Regatten berechtigte, und gehörte bald dem B- und später auch A-Kader des DSV an. Bei der Olympia-Ausscheidung für die Spiele 1972 in Deutschland hätte er es fast schon als Ersatzmann ins Team geschafft.
Ein Traum ging in Erfüllung
Bei vier Ausscheidungsfahrten für Olympia 1976 sammelte Werner Sülberg reichlich Punkte. Im Mai 1976 führte er nach fünf Wettfahrten. Sein hartnäckigster Konkurrent „war eigentlich besser“. Weil aber die sechste Wettfahrt wegen Flaute abgesagt wurde, reichte es für den Hemeraner, er durfte mit nach Montreal. „Schon die Qualifikation war für mich die Erfüllung eines Traums“, so Sülberg. Deshalb bin ich auch ohne große Erwartungen zu den Olympischen Spielen gefahren.
Sie wurden dennoch zu einem bleibenden Erlebnis. „Der Einmarsch – wenn dir 80.000 Zuschauer zujubeln und du hast das Gefühl, sie machen das nur für dich – das vergisst du nie.“ Als Erinnerung blieb auch ein 90-minütiger Super-8-Film, den der 73-jährige damals drehte – und ganze Kisten voller Fotos, Zeitungsausschnitte und Erinnerungsstücke.
Der Wechsel ins Funktionärs-Lager
1981 segelte Werner Sülberg seine letzte WM auf der Ostsee vor Grömitz. 1983 holte er sein Boot für immer an Land. „Mir taten die Knie weh“. Er wechselte ins Funktionärs-Lager, gehörte dem Seglerrat des DSV an und engagierte sich als Jugend- und Sportwart im KSC Hemer. Dort kann er inzwischen auf fast 50 Jahre in vorderster Front zurückblicken – seit 30 Jahren ist Werner Sülberg Vorsitzender. „Ich habe dem Verein viel zu verdanken“. Nächstes Jahr steht das 75-jährige Vereinsjubiläum an. „Da sind wir jetzt schon kräftig bei der Planung.“
So ganz kann Werner Sülberg vom Segeln allerdings nicht lassen. „Mindestens alle zwei Jahre segeln wir mit Freunden und Familie im Mittelmeer.“ Dann lässt er sich gerne den Wind um die Nase wehen. Woher der weht, weiß der passionierte Segler dann ganz genau.