Am 8. August wird im Ratssaal um 19 Uhr die Ausstellung „Ausblick ins Gestern 2.0“ eröffnet. Mit dem paradox wirkenden Titel möchte die WERKSTATT PLETTENBERG eine Rückschau auf ihre Stipendiaten der vergangenen 20 Jahre mit der Frage verbinden, wie sich die Künstlerinnen und Künstler seither entwickelt haben. 15 Stipendiaten der 20 Jahrgänge 2005 bis 2024 zeigen aktuelle Werke in einer großen Jubiläumsausstellung bis zum 24. August.

Da es die WERKSTATT schon seit 1983 gibt, war bereits im Jahr 2005 eine gleichnamige Ausstellung der ersten Jahrgänge 1984 – 2004 zu sehen. Man wolle diesen Rhythmus wieder aufgreifen, teilt Vorsitzender Hartmut Engelkemeier mit. Wie 2005 wird auch dieses Mal zur Eröffnung ein Katalog erscheinen.

Die beteiligten Künstlerinnen und Künstler sind überwiegend Absolventen der deutschen Kunsthochschulen; seit einigen Jahren beteiligen sich auch vermehrt internationale Künstler, da der Verein die Ausschreibung digitalisiert hat. Hier eine Übersicht:

Der Dortmunder Lichtkünstler ULI HALLER, der sich selber Iluist nennt, war Stipendiat 2006. Er arbeitet bei Dunkelheit mit Lichteffekten und Langzeitbelichtungen, woraus er eine Lichtmalerei entwickelt. Damals war er an markanten Orten Plettenbergs wie dem noch im Bau befindlichen Hestenbergtunnel, Schulhöfen oder leer stehenden Industriegebäuden unterwegs. Seine Werke fanden großes Interesse und mündeten in einem Kalender mit Plettenberger Motiven. Später schuf er auf dem Grundstück der Provinzialversicherung an der Grünestraße/Ecke Brachtstraße eine Plastik mit dem Namen „Komet“, die demnächst auf der Internetseite NRW-Skulptur zu sehen sein wird.

Im Jahr 2007 wurde VICKY RITTER aus Leipzig zur Stipendiatin gewählt. Sie vertritt mit der Malerei ein von der WERKSTATT bevorzugtes Genre. Entsprechend der Tradition der Leipziger Kunsthochschule ist ihre Malerei figurativ. Ihre Motive sind private, zwischenmenschliche Momente, die zart beobachtet werden. Zu ihrer Abschlussausstellung erschien der Katalog „Wildfang“.

ANNE WÖLK, Stipendiatin 2008, zeigt in ihren Gemälden futuristische Szenen. Sie ist seit ihrer Jugend durch Astronomie und Science-Fiction-Kultur fasziniert. Beeindruckende Sternenbilder zum Beispiel vom Pferdekopfnebel bringt sie ebenso auf die Leinwand wie das Geschiebe gefrorener, zerborstener Eisplatten auf einem Bild, das in Plettenberg entstand.

Viele Koreaner haben in Deutschland Kunst studiert und auch die WERKSTATT hat sie häufig ausgestellt. 2009 wurde mit DAECHEON LEE erstmals ein Künstler aus Südkorea Stipendiat. Anders als viele seiner Landsleute malte er schamanische Motive aus der Vorzeit seines Heimatlandes, weil er dessen Verwestlichung und Kommerzialisierung kritisch sah. Er hat seine Malweise in der Zwischenzeit gewandelt und bevorzugt abstrakte Kompositionen.

2011 war SLAVA SEIDEL schon recht etabliert und künstlerisch anerkannt. Ihre surrealen Bilderwelten haben die WERKSTATT so überzeugt, dass sie Stipendiatin wurde. Die klassische Malerei mit Sepia-Tusche und die traumhaften Szenerien einer Theaterbühne verschaffen ihr eine Alleinstellung im Kunstbetrieb.

Einmal wurde mit SILKE WOBST auch eine Bildhauerin zur Stipendiatin gewählt, und zwar 2012. Ihre Objekte sind aus MDF-Platten geschnitten, geleimt und bemalt. Dabei verwendet sie eigene Farbmischungen aus Wachs, Leinöl und Pigment. Ihre Objekte sollen die Materialeigenschaft der Farben ausdrücken. Mit der Abschlussausstellung im Heimathaus wurde auch ein Katalog herausgegeben. Aktuell realisiert sie Papierarbeiten.

Die Malerin VIOLA GROßE aus Radebeul bei Dresden, Stipendiatin 2014, vertritt eine stille, romantische Richtung in der Kunst. Sehr genau stellt sie Blatt für Blatt das Gartengrün in den Bildraum, vergisst aber menschliche Spuren nicht, wie etwa ein Taschentuch. Selbst diese „Störungen“ werden sorgfältig platziert. In ihrem Stipendium hat Viola Große viele Naturschönheiten unserer Heimat ins Bild gesetzt.

Der nächste Jahrgang zeigte ganz exponierte Kunstformen. CAROLIN ISRAEL als eine der bisher jüngsten Stipendiatinnen sprühte vor Energie und Experimentierfreude. Sie ermöglichte dem Betrachter mit dem freien Spiel der Farben und Formen eine höchst amüsante, unterhaltsame Begegnung mit der Kunst. Dem entsprach auch der Ausstellungskatalog mit dem Titel „...dreimal darst du raten“. Ihrem spielerischen Moment ist sie in ihrer erfolgreichen Entwicklung an ihrem Wohn- und Arbeitsort Düsseldorf treu geblieben.

CARINA SCHÜRING war im Stipendium 2016 eine empathische, freundliche Künstlerin, die ihren Besuchern immer einen Tee offerierte. So war es auch bei der Abschlussausstellung hier im Ratssaal. In ihren recht großen Bildformaten zeigt sie Ausschnitte menschlicher Figuren. Dem Betrachter lässt sie sehr viel Raum, sich die Figuren weiter zu denken. Man könnte ihre Prinzipien als Wechselspiel von Abstraktion und Figuration bezeichnen.

Mit dem Maler MARCEL HAPPICH war ein Multitalent der Kunst, der in vielen anderen Sparten wie Theater, Kabarett, Tanz, Schauspiel unterwegs ist, Stipendiat 2018 in Plettenberg. Das war sicher eine Herausforderung für ihn. Happich zeigte in Plettenberg seinen sozialkritischen Blick auf die städtische Umwelt, der eine Nähe zur Dada-Kultur oder der Schule der Neuen Sachlichkeit erkennen lässt. Heute ist er Mitarbeiter der Oper in Halle/Saale.

Ein weiterer Maler der Leipziger Schulte kam 2019 nach Plettenberg – nicht als Ergebnis einer Ausschreibung, sondern als einer von mehreren Empfehlungen von Carolin Israel, nämlich HEINRICH MAUERSBERGER. Seine Art des künstlerischen Ausdrucks ist von ähnlicher Akkuratesse wie bei Viola Große geprägt. Dabei aber verwandelt er das Gesehene – indem die Prozesshaftigkeit des Malens im Bild dokumentiert wird – auf eine andere Ebene. Unvergessen sind die glühenden Bilder des heißen Sommers 2019 mit der Fischbauchbogenbrücke, die auch das Cover des Katalogs „Im Fluss“ ausmacht.

Ihm folgte mit LUKAS WEIß ein weiterer „Leipziger“. Er musste das erste Jahr von Corona durchstehen mit eingeschränkten Aktivitäten. Seine grafischen Arbeiten speisen sich aus dem unmittelbaren Naherleben, was er in Plettenberg vielfach umsetzen konnte. Seine spezielle Technik: Mit Holzparkettstäbchen baute er eine einem Puzzle gleiche Druckvorlage auf. Holzmaserung und Struktur der Stäbchen geben dem Gedruckten eine unverwechselbare Form. Seine aktuellen Arbeiten (siehe „Gesellschaftsspiele“ auf dem Plakat) zeigen seinen Reifeprozess an, urteilt Hartmut Engelkemeier.

Mit der Israelin OFRA OHANA habe man 2021 eine Künstlerin erlebt, die in expressiver Weise ihre Umwelt malerisch darstellt. Dabei kreist sie im persönlichen Nahbereich, in Räumen, vor Häusern, Bäumen, Straßen. In Plettenberg war auch die Landschaft ein Thema. Farben und Formen bringen ihre Bildgegenstände in eine Vibration, die die Kraft ihrer Werke ausmacht. Der Katalog „Midnight Blue“ gibt davon Zeugnis.

In der Ausschreibung zum Stipendium 2023, die am Ende der Coronazeit fast improvisiert mit einer Bewerberausstellung im Box-Center von Julian Prange entschieden wurde, gewann mit PARIMAH AVANI erstmals eine Iranerin mit internationalem Flair unser Stipendium. Ihre starke persönliche Ausstrahlung und die Kraft ihrer mythisch und politisch beeinflussten Arbeiten fesselte die WERKSTATT enorm. Ebenso fanden intensive Diskussionen während unserer regelmäßigen Treffen statt. Eine beeindruckende Abschlussausstellung in der Sparkasse ist nach wie vor in der Erinnerung präsent.

Die in dieser Reihe letzte Stipendiatin war 2024 ORLANDO alias Karla Neumeyer. In ihrem grafischen Werk hat sie sich auch mit der Umwelt in Plettenberg befasst. Sie hat die gemeine Wegschnecke zum Kunstobjekt befördert und sie grafisch in einfachen, sorgfältigen Linien abgebildet. Die Einladungskarten wurde geviertelt auf vier Schneckenvarianten. Auch ihre Wolkenbilder als amorphe Komposition sind in bester Erinnerung.

Mit dieser Gruppenausstellung wie die Werkstatt Plettenberg ihren Stipendiaten Respekt zollen. Dazu trägt auch bei, dass der Verein die Bilder und Objekte nicht bringen lässt, sondern selber abholt. Am 1. August wird ein von einem Vereinsmitglied gestelltes Lieferfahrzeug mit fünf Personen eine große Tour nach Halle/Saale und Leipzig starten. Nach einer Übernachtung dort folgt Phase 2 über Dresden nach Berlin und die Rückfahrt. In diesen Städten wohnen und arbeiten die meisten frt Stipendiaten. Bei den in der näheren Umgebung wohnhaften Stipendiaten finden entsprechende Einzelfahrten statt bzw. haben schon stattgefunden.

Hartmut Engelkemeier geht davon aus, das viele der Ausstellenden am Eröffnungstag persönlich anwesend sind. Daher ist nach der Eröffnung im Ratssaal ab ca. 21 Uhr ein Empfang im K16 geplant.