Knapp 50.000 Euro sollen die Mieter der Werkssiedlung zusammen nachzahlen. Eine Forderung der Stadtwerke aus dem Januar, die aufgrund eines Zahlendrehers entstand. Die Nachforderung an sich ist korrekt. Allerdings hätte die LEG diese bis spätestens April an ihre Mieter weitergeben müssten. Die Frist ist verstrichen. Erst im September trafen die Rechnungen in der Werkssiedlung ein. Und das ist nicht das einzige Problem: „Es ist völlig unklar, wie diese 50.000 Euro aufgeteilt wurden. Die einen zahlen mehr, andere weniger und das bei zum Teil völlig gleichen Rahmenbedingungen. Das sieht für uns nach Willkür aus“, erklärt Aykut Aggül. Er hatte die Initiative übernommen und die Mieter vereint.
„Wir haben widersprochen aber bisher keine Aufhebung bekommen. Wir müssen so schnell wie möglich reagieren. Schon bald kommen die nächsten Betriebskostenabrechnungen. Wir werden für alle Mieter der Werkssiedlung kämpfen“, appellierte Aggül an die Anwesenden. Alle Mieter sollten unbedingt ihr Sepa-Mandat im November aussetzen, damit die Kosten nicht abgebucht werden können.
Aggül und die Mieter setzten der LEG mit einem Schreiben und einer angehangenen Unterschriftenliste eine Frist bis Mitte Oktober, die Aufforderung rückgängig zu machen. „Ganz ehrlich: Die haben es einfach drauf angelegt. Die haben gedacht, dass 60 Prozent der Mieter Rentner sind, und die aus Angst ihre Wohnung zu verlieren, direkt bezahlen. Wir haben es durch einen Rechtsanwalt aber schwarz auf weiß, dass wir im Recht sind“, sagte Aggül.
Die Mieter nutzten die Gelegenheit, auch andere Probleme anzusprechen. So seien die Abrechnungen allgemein kaum zu verstehen. Es sei völlig unklar, wie sich Beträge zusammensetzen. „Man kann sich selbst nichts aus- oder nachrechnen. Es gibt keine Grundlage“, sagte eine Mieterin. Wer seine Betriebskosten verstehen wolle, müsse sich unter anderem zunächst selbst die Gebührenordnung der Gemeinde suchen und nachrechnen. Aber auch dann gebe es noch viele Ungereimtheiten. Auf Nachfragen werde nicht oder schwammig geantwortet.
Zudem tauchten in den Abrechnungen Positionen auf, die nicht stimmen könnten. So werden bei einigen Kosten für Fernwärme zur Warmwassergewinnung erwähnt. Tatsächlich werden allerdings Warmwasserboiler dafür verwendet. Auch die Positionen Winterdienst und Grünpflege seien nicht gerechtfertigt, da es keine oder kaum Leistung gebe. „Die LEG hat uns gesagt, dass uns keine detaillierten Infos zustünden. Die hauen uns Zahlen um die Ohren, die keiner verstehen kann“, sagte eine Mieterin. „Das ist Taktik. Die hoffen einfach, dass keiner weiter nachbohrt. Ihr müsst eure Sachen prüfen oder prüfen lassen. Wir können uns ja bei der nächsten Abrechnung wieder treffen und die Betriebskosten gemeinsam durchgegen“, schlug Aggül vor.
Ein weiterer Aufreger war das Thema Gartennutzung. Da gebe es sogar inzwischen Gerichtsverfahren für. „Die Gärten werden uns weggenommen. Die machen einem das Leben zu Hölle“, sagte eine Mieterin. Auch der Umzug von einer Wohnung in eine andere sei immer wieder problematisch. Der Sanierungsstau in den Häusern sei groß. Fast überall gebe es Probleme. Aggül: „Die müssen einfach sehen, dass wir keine dumme Siedlung sind. Wir müssen zusammenhalten. Es geht um die Allgemeinheit. Niemand darf über den Tisch gezogen werden.“
LokalDirekt hat bei der LEG nachgehört, was an den Vorwürfen dran ist. Astrid Mendolia, aus dem Bereich Corporate Communication & Public Affairs der LEG, beantwortete die Fragen teils komprimiert. Anbei das Interview im Wortlaut mit den Anmerkungen von Aykut Aggül zu den Aussagen der LEG:
Antwort auf die Fragen 1, 2, 5, 7, diese lauteten:
1. Die Anwohner müssen fast 50.000 Euro nachzahlen. Die Forderung an sich ist nicht das Problem. Allerdings sind Fristen längst verstrichen. Die Forderungen hätten spätestens im April kommen müssen und sind somit nicht mehr fristgerecht. Die Mieter fordern, dass die Zahlungsaufforderung zurückgenommen wird. Wie erklären Sie sich das Versäumnis, fristgerecht zu agieren? Werden Sie die Forderung zurücknehmen oder nehmen Sie eine mögliche Klage von den Mietern in Kauf?
2. Den Mietern ist völlig unklar, wieso solche Schwankungen in den Beträgen vorliegen. Dies sei Willkür, denn es gehe nicht nach Quadratmetern. Wie wurde der Betrag gesplittet? Wie erklären sich die Unterschiede in Zahlungsaufforderungen bei völlig gleichen Rahmenbedingungen?
5. Gerade einige ältere Mieter haben die Rechnung bereits beglichen – aus Angst vor Konsequenzen. Das Geld ist weg, heißt es. Auch, wenn Sie die Forderungen zurücknehmen? Aus menschlicher Sicht schwer nachzuvollziehen, zumal gerade diese Mieter schon lange dort leben. Wie stehen Sie dazu?
7. Auf einigen Abrechnungen tauche Warmwasser über Fernwärme auf. Tatsächlich laufe das aber über einen Warmwasserboiler. Wie kann das sein?
Astrid Mendolia: „Bei der Nachtragsabrechnung ist es leider zu einem internen Missverständnis gekommen. Dafür möchten wir uns auch an dieser Stelle bei unseren betroffenen Mietern entschuldigen. Der Fehler war uns bereits vor Ihrer Anfrage aufgefallen und die zuständigen Kolleg:innen sind bereits dabei, den Vorgang rückgängig zu machen und die Abrechnung im Sinne unserer Mieter:innen zu stornieren. Unsere Mieter:innen werden wir schnellstmöglich umfassend informieren und selbstverständlich die gegebenenfalls bereits gezahlten Beträge zurückerstatten.“
Aykut Aggül: „Für mich ist die LEG Wohnen GmbH NRW kein kleines Unternehmen. Zu solch einem internen Missverständnis hätte es gar nicht kommen dürfen. Die Korrektur der Jahresabrechnung aus 2021 seitens der Stadtwerke Iserlohn lag dem Unternehmen bereits Anfang des Jahres (im Januar 2023) vor. Die Frist ist längst abgelaufen. Ein Versuch war es wert! In unserer zweiten Versammlung werden wir uns mit der Betriebskostenabrechnung aus 2022 intensiv befassen und beraten.“
3. Derzeit stehen auch Grünpflege und Winterdienst auf den Rechnungen. Diese gebe es jedoch gar nicht regelmäßig und auch nicht überall. Stimmt das? Und wie kann es dann sein, dass das alle auf den Rechnungen haben?
Astrid Mendolia: „Es gibt im Quartier Allgemeinflächen in der Grünpflege und im Winterdienst, die von allen Mieter:innen genutzt werden und entsprechend in allen Abrechnungen auftauchen. In die Grünpflege fallen sowohl Hecken- oder Baumpflege als auch Rasenschnitt. Zudem ist der Winterdienst immer witterungsabhängig. Dementsprechend kann es hier immer zu Schwankungen kommen.
Einige Mieter:innen übernehmen den Winterdienst und die Gartenpflege aufgrund von Festlegungen in alten Mietverträgen selbst. Diese Positionen tauchen dann bei den betroffenen Mieter:innen auch nicht auf; unsere Dienstleister für Winterdienst und Gartenpflege haben davon Kenntnis und bearbeiten diese Bereiche nicht. Die neuen Mietverträge sehen vor, dass wir vor allem den Winterdienst extern vergeben dürfen, was wir in vielen Fällen auch getan haben. Darüber haben wir die betreffenden Kund:innen selbstverständlich informiert.
Leider kam es in letzter Zeit zu Verzögerungen in der Gartenpflege der Allgemeinflächen, was wir sehr bedauern. Wir haben kürzlich den Dienstleister gewechselt und alle erforderlichen Arbeiten auf den Weg gebracht. Hier sollte es jetzt auch nicht mehr zu Verzögerungen kommen – und die Arbeiten werden dann auch fortlaufend ausgeführt werden.„
Aykut Aggül: „Tatsächlich werden nach und nach die Grünflächen gepflegt und sauber gehalten. Wie die neuen Mietverträge ausgearbeitet worden sind, kann ich nicht beurteilen.“
4. Grundsätzlich seien die Nebenkostenabrechnungen nicht zu verstehen. Es sei unklar, wie sich die Preise zusammensetzen. Auf Nachfragen dazu gebe die LEG keine Auskünfte. Warum? Sie sind dazu eigentlich verpflichtet, oder?
Astrid Mendolia: „Selbstverständlich geben wir unseren Mieter:innen Auskunft zu Nebenkostenabrechnungen. Dafür stehen sowohl die Kolleg:innen unseres Zentralen Kundenservices (ZKS) als auch unsere Betriebskosten-Expert:innen beratend zur Verfügung (siehe Antwort zu Punkt 6). Wir bitten um Verständnis, dass wir, wenn wir ein schriftliches Anliegen erhalten, aufgrund der momentanen Auslastung in einigen Fällen nicht immer sofort Rückmeldung geben können. Gleichwohl werden diese Anliegen bearbeitet.“
Aykut Aggül: „Oft bekommt man nach einem viertel Jahr erst eine Rückmeldung. Die Bearbeitungszeiten dauern sehr lange. Oftmals bleiben wichtige Anfragen unbeantwortet.“
6. „Denkmalschutz bezieht sich nicht nur auf das äußere Erscheinungsbild“, war eine der Aussagen. Der Sanierungsstau im Inneren sei sehr groß. Ist da zeitnah etwas geplant?
Astrid Mendolia: „Zu einem Sanierungsstau im Inneren liegen uns seitens unserer Mieter:innen keine Meldungen oder Beschwerden vor. Schäden und Reparaturarbeiten können unsere Mieter:innen rund um die Uhr melden – über unsere Reparatur-Hotline, per Mieter-App und auf dem Mieter-Portal im Internet.
Erste Anlaufstelle für unsere Kund:innen ist unser Zentraler Kundenservice. Unter der Servicenummer 02 11 / 740 740-0 und unter der E-Mail: [email protected] beantworten dort geschulte LEG-Immobilienprofis alle Fragen rund ums Wohnen. Die Anliegen, die sie nicht sofort lösen können, leiten sie direkt an den richtigen Ansprechpartner weiter. Um eine Warteschleife zu umgehen, haben wir zudem einen telefonischen Rückrufservice eingerichtet, seit August 2019 kann man diesen auch per Rückrufbutton auf unserer Website bestellen. Für Schadensmeldungen steht zusätzlich unsere Reparatur-Hotline bereit, die unter der Telefonnummer 0211 / 90061100 erreichbar ist – in Notfällen rund um die Uhr.
Die Anliegen unserer Mieter:innen sind uns sehr wichtig und wir gehen diesen umgehend nach, sobald sie an uns herangetragen werden. Denn schließlich möchten wir, dass alle unsere Kunden:innen gerne bei uns wohnen und mit ihrer Wohnsituation und unserem Service zufrieden sind.„
Aykut Aggül: „Es liegt ein Sanierungsstau in unbeschreiblicher Summe vor. Das ist sehr wohl der LEG GmbH bekannt und wird auch von den Mieterinnen und Mietern regelmäßig mitgeteilt. Oft bleiben die Schadensmeldungen aber unbearbeitet und aus kleinen Reparaturmaßnahmen werden dramatische Zustände. Die Leitungen sind sehr ausgelastet, bis man einen Ansprechpartner aus dem Kundenservice am Telefon hat. (Manchmal dauert es länger als 30 min.) Ältere Menschen können über E-Mail oder Mieter-App ihre Anliegen kaum mitteilen. Da sie mit der digitalen Welt nicht zurecht kommen.“
8. Die Sache mit der Gartennutzung war auch Thema. Planen Sie wirklich alle Gärten „platt zu machen“? Wieso dürfen einige Mieter Gärten nutzen und andere nicht?
Astrid Mendolia: „Es wird auch weiterhin Mietergärten im Quartier geben. Wir erstellen zurzeit intern eine Übersicht der bestehenden Mietergärten, da die Gärten sehr unterschiedlich genutzt werden. Dabei wollen wir erfassen, welche Flächen durch unsere Mieter:innen gepflegt werden und entsprechend nicht mit in der Grünpflege zu berücksichtigen sind, welche Bereiche durch wen genutzt werden, damit diese bei einem Mieterwechsel dann auch korrekt weitergegeben werden können. Bis der Vorgang abgeschlossen ist, vergeben wir daher aktuell bei Neuvermietungen keine Gärten. Darüber hinaus ist eine Gartennutzung durch Mieter:innen nicht hinter jedem Gebäude möglich; bei Anfragen dazu können sich unsere Mieter:innen jederzeit gern an uns wenden.
Bei der Zuordnung der Gärten sind wir zudem auf Gartenhäuser bzw. Hütten etc. in den Gärten gestoßen, die nicht durch uns genehmigt wurden und auch nicht verkehrssicher sind. In diesen Fällen sind wir auf die betreffenden Mieter zugegangen und haben mit ihnen den erforderlichen Rückbau besprochen.„
Aykut Aggül: „Die Gärten gehören seit 1904 zu diesem Wohnumfeld dazu. Viele ziehen aus diesem Grund in erster Linie in die historische Werkssiedlung Langenstück ein. Durch einen radikalen Eingriff in die Natur und seinem Baum- und Heckenbestand wird sich unser Wohnumfeld dramatisch ändern. Davor haben die Mieterinnen und Mieter große Angst.“
Lesen Sie hierzu auch den Kommentar „David gegen Goliath“