Das „Lila Lied“ aus den 1920 Jahren besingt noch selbstbewusst die Hoffnung von Homosexuellen, gleiche Rechte wie heterosexuelle Menschen erstreiten zu können. Damit war es bald vorbei. Mit dem NS-Regime setzte die Verfolgung Homosexueller ein. Im Vokabular der Nazis wurden sie zu „Sittlichkeitsverbrechern“.

 

Drei Männer, drei Schicksale: Im Rahmen der Ausstellung „Rosa Winkel“ war kürzlich der Bochumer Diplom-Psychologe Jürgen Wenke in Lüdenscheid zu Gast. Er spielte zum Auftakt seines Vortrages das „Lila Lied“ ein. In der gut besuchten Vortragsveranstaltung in den Städtischen Museen zeichnete Jürgen Wenke danach den Lebensweg von Max und Valentin Billmann sowie Max Glass nach. Alle wurden wegen homosexueller Kontakte verurteilt. Valentin und Max Billmann nahmen sich das Leben. Max Glass starb im Konzentrationslager Buchenwald.

Liebesbrief wird zum Verhängnis

Max Billmann und Max Glass wurde ein Liebesbrief zum Verhängnis. Max Billmann war bereits Anfang 1936 wegen angeblicher homosexueller Kontakte einmal festgenommen wurde. Im Zuge weiterer Ermittlungen wurden Anfang Mai 1936 persönliche Dokumente gefunden, darunter Hinweise auf den Maler Hermann Werzinger und den Eisendreher Max Glass. Und auch ein Brief, in dem es unter anderem heißt: „Lieber Max, als der Zug aus Karlsruhe weggefahren ist, habe ich gewußt, daß ich in Karlsruhe mein Herz verloren habe und ich mußte weinen, denn ich habe dich Max aufrichtig und ehrlich lieb und wünsche dich mir als Freund. Max hast du mich nicht auch ein wenig lieb?“

Diesen Brief las Sebastian Benkhofer vor. Zwei Mal auf Wunsch von Jürgen Wenke, denn der Brief war es, der die Männer schließlich das Leben kosten sollte. Die Verurteilung von Max Billmann und Max Glass, die öffentliche Nennung ihrer Namen in der Gerichtsberichterstattung der Badischen Zeitung, führte zu einem unglaublichen Druck. 

Ansehen und Familien zerstört

Vergleichbares passierte damals überall in Deutschland. Die umfangreichen und sehr offensiven polizeilichen Ermittlungen im sozialen Umfeld der Männer und die Beleuchtung ihrer Familien zerstörten oder beschädigten das Ansehen der Beschuldigten. Alle Männer waren nach den gegen sie gerichteten Ermittlungen in ihrem sozialen Umfeld nunmehr als Homosexuelle bekannt. Nicht nur aber insbesondere in der NS-Zeit war das angesichts der Hetze und Vorurteile gegenüber Homosexuellen ein gravierender, negativer Lebenseinschnitt, der oftmals auch mit Verlust des Arbeitsplatzes oder der Wohnung verbunden war. Bis zum Zeitpunkt der Ermittlungen waren Billmann, Werzinger und Glass niemals strafrechtlich in Erscheinung getreten. Sie waren unbescholtene Männer, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht in irgendeiner Weise vorbestraft waren.

Das alles schilderte Jürgen Wenke, Schwulen-Aktivist, Gründer des Vereins „Rosa Strippe“ und Initiator zahlreicher Stolpersteine für homosexuell verfolgte Männer, sehr eindringlich. „Viele der Opfer blieben aber gesichtslos“, bedauerte er.

Stolperstein für Otto Mannesmann

In Lüdenscheid soll ein Stolperstein an Otto Mannesmann erinnern. „Jürgen Wenke hat uns bei der Vorbereitung der Ausstellung sehr unterstützt und uns auf die Spur von Otto Mannesmann gebracht“, sagte Dr. Gudrun Benkhofer zu Beginn der Veranstaltung. Sie ist Mitglied im Verein Ge-Denk-Zellen „Altes Rathaus“, der zusammen mit dem CSD Lüdenscheid die Ausstellung initiiert hat. Otto Mannesmann wurde mehrfach auf der Grundlage des Paragrafen 175 verurteilt, der die Homosexualität zwischen Männern (bis 1994) kriminalisierte. Er starb im März 1944 an einem „chronischen Herzfehler“, der allerdings zuvor nie dokumentiert worden war.

Dr. Gudrun Benkhofer wies auch darauf hin, dass Fortschritte bei der rechtlichen Gleichstellung erzielt worden seien. Angesichts vielfach bestehender Ausgrenzung Homosexueller stellte sie aber auch die Frage in den Raum: „Sind auch die Barrieren in den Köpfen gefallen?“

Mehr Infos unter Über uns – Stolpersteine für Homosexuelle