Es klingt schon fast ein wenig überheblich, wenn einer der Praktikanten sagt: „Ich mache hier mit, weil ich später gerne auch Patienten verstehen möchte, die vom Land kommen.“ Gefolgt von der ernstgemeinten Frage: „Hier kennen sich ja alle. Das ist schon ein bisschen Leben wie in der Kommune, oder?“ Es ist nicht böse gemeint, eher ein wenig unbedacht. Zeigt aber auch ganz deutlich, wie groß die Vorurteile sind. Sicher, hier in Nachrodt-Wiblingwerde ticken die Uhren ein wenig anders. Man kennt sich, man braucht in der Regel ein Auto. Aber die Gemeinde ist – überspitzt gesagt – auch kein Entwicklungsland, in dem Abenteuerurlaub gemacht wird. Die jungen, angehenden Ärzte sind schlicht uninformiert. Übernehmen ein Bild, das in kitschigen Romanzen im Fernsehen vom Landarzt gezeichnet wird. Umso wichtiger ist es, mit all diesen Vorurteilen aufzuräumen. Und genau hier liegt auch die Rechtfertigung für ein „Abenteuer-Praktikum“ auf dem Land.
Es darf spannend und unbekannt sein, denn das macht es für junge Menschen interessant. Nur ist es wichtig, die Studenten mit ihren Vorurteilen abzuholen. Deswegen Daumen hoch für Julian Hartig und sein Team. Sie geben Einblicke, wie es wirklich ist. Die Praxis ist modern, Beruf und Familie werden vereinbart und das medizinische Know-How ist hoch. Julian Hartig ist Hausarzt aus Überzeugung. Seine Begeisterung für seine Patienten und sein Wirken sind ansteckend. Die vier Praktikanten, die derzeit im Märkischen Kreis unterwegs sind, sind vermutlich nicht alle die Landärzte von Morgen. Aber sie sind gekommen, um sich in ein Abenteuer zu stürzen und gehen als wichtige Multiplikatoren, die wissen, wie es wirklich ist. Sie sind die, die auf Party erzählen können, wie das Leben auf dem Land als Arzt funktioniert. Die einer Freundin, die Ängste vor dem Umzug aufs Land hat, den Rücken stärken und sie sind auch die, die ihren Freunden deutlich machen, wie anspruchsvoll der Beruf ist.
Das Projekt steckt noch in den Kinderschuhen. Jemanden ohne Führerschein nach Nachrodt zu schicken, ist gewiss nicht zielführend. Denn er sitzt fest. Kann die Region und die Vorteile alleine kaum kennenlernen. Aber das sind Kleinigkeiten. Wichtig ist, dass sich eine Hochschule, ein Kreis, eine Kommune und ein Hausarzt gemeinsam auf den Weg machen und dafür sorgen, dass dieses Projekt nachhaltig wird und damit weit mehr ist als ein Abenteuertrip für Städter.
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Teil 1: Localheros – Der Weg zum Landarzt
Teil 2: Localhero- Arbeiten als Landarzt
Teil 3: Localhero und die Work-Life-Balance