„Den Leuten fällt schon auf, dass hier ein neues Gesicht ist und sie fragen auch nach“, erzählt Nina Pant. Schließlich kennen die Nachrodt-Wiblingwerder ihr Team in der Hausarztpraxis gut. Dort gibt es wenig Bewegung und folglich nicht oft neue Mitarbeiter. Seit Dr. Abdussalam Issa im April seine Praxis an der Kirchstraße schloss, gibt es nur noch eine Hausarzt-Praxis in Nachrodt-Wiblingwerde. Julian und Matthias Hartig kennen die meisten Patienten gut. Viele Familien kommen schon seit Jahrzehnten in die Praxis. Oft ist das Verhältnis herzlich und vertraut. Man kennt sich eben.
Schon im Wartezimmer ist die Stimmung eine andere als in der Stadt. Auch dort kennen sich viele Patienten. Schnell entstehen Gespräche. Und nicht selten kommen Sätze wie: „Ich hab dein Auto letzte Woche schon hier stehen sehen.“ In der Stadt ist der Arztbesuch in der Regel anonymer. Hinzu kommt, dass die Bindung zu einem Hausarzt oft intensiver ist als zu einem Facharzt. Das findet Nina Pant einen spannenden Aspekt: „Der Hausarzt ist fast immer der erste Anlaufpunkt. Er muss entscheiden, wie es weiter geht. Die Bandbreite ist dadurch eine ganz andere als bei einem Facharzt“, erklärt die Praktikantin.
Sie habe sich bewusst dafür entschieden, an dem Projekt der Universität Witten/Herdecke teilzunehmen. Sie hat bisher keinerlei Erfahrungen im Bereich Landarztpraxen. Die Studentin ist in Erfurt geboren, in den USA aufgewachsen und hat zuletzt in Freiburg gelebt. „Natürlich hat man gewisse Vorurteile“, gibt sie zu. Beispielsweise, dass die Arbeitszeiten extrem seien und man auch Nachts zu Hausbesuchen gerufen werde. „Das ist natürlich schon lange nicht mehr so. Und was die Arbeitsbelastung betrifft, ist es halt eine Frage der Organisation“, berichtet Julian Hartig. Der junge Hausarzt kennt aus seiner Studienzeit noch gut die Bedenken, die angehende Ärzte haben, wenn es um eine Praxis auf dem Land geht. „Ich selbst hatte das nicht. Meine Mutter war auch Hausärztin. Daher kannte ich das alles schon etwas“, erklärt er.
Julian Hartig sieht in dem Projekt die Chance, mit den Vorurteilen aufzuräumen. Vor allem im Bezug auf die Infrastruktur. „Ich finde, dass gerade hier in Nachrodt die Infrastruktur wirklich nicht schlecht ist. Man ist super schnell in Hagen und Dortmund. Und wir haben wirklich gute Kitas und Schulen im Ort und in naher Umgebung“, betont der junge Arzt.
Auch in der Gemeindeverwaltung wird das Projekt begrüßt. „Wir haben der Praktikantin auch eine Wohnung zur Verfügung gestellt. Natürlich unterstützen wir das. Es ist wichtig, dass wir junge Fachkräfte für die Region begeistern“, betonte Bürgermeisterin Birgit Tupat. Auch sie stimmt Julian Hartig zu: „Viele Bedenken sind schlicht Vorurteile, die nichts mehr mit der Realität zu tun haben.“
Ob das Landarztleben für Nina Pant wirklich etwas ist, kann die junge Frau noch nicht sagen: „Erst einmal ist spannend, dass ich hier mitmachen darf. Und es ist toll, Wissen anwenden zu können. Zum Beispiel, wenn es um die Auswertung von Blutergebnissen geht. Spannend finde ich auch den Aspekt der Osteopathie. Eigentlich gibt hier von allem etwas.“ Die kommenden zwei Jahre wird die Studentin immer wieder nach Nachrodt kommen und Julian Hartig in seinem Alltag als Hausarzt begleiten.
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Teil 3: Localhero und die Work-Life-Balance
Teil 4: Localhero – Ein Kommentar