Placido nimmt seinen Menschen gerade gar nicht ernst. Das putzige Alpaka steht und guckt. Könnte süß sein, ist so aber nicht gewollt. Eigentlich sollten sich die Alpakas und die dazugehörigen Menschen für ein Foto aufstellen. „Ihr dürft einfach vorgehen und die Alpakas mitnehmen“, erklärt Celina Neubaur, Mitarbeiterin bei den Höhendorf Alpakas in Wiblingwerde. Ganz klar: Nicht die Menschen, sondern die Alpakas bestimmen heute. Und so wird kurzerhand ein Foto vor dem Stall gemacht und nicht mit schönem Grün im Hintergrund. „Ihr dürft nicht so zögerlich sein“, sagt Neubauer. Ob die Alpakas wohl spüren, dass sie echte Großstädter an ihrer Seite haben, die ganz offensichtlich gar keine Ahnung haben? „Vermutlich schon“, gibt Neubauer lachend zu. Ein bisschen ist es wie in einem kitschigen Film. Der Städter kommt aufs Land.
Es ist schon 18.35 Uhr. Eigentlich sollte die Veranstaltung um 18 Uhr beginnen. Pünktlich war allerdings nur Phil Völkel. Um 17.58 Uhr rollt er mit einem goldenen E-Auto auf den Hof. Er absolviert das Localhero-Projekt in Hemer. Das Auto bekommt er für die Zeit von einem Autohaus gestellt. „Ich bin Städter durch und durch. Aber ich liebe die Natur“, erklärt er gut gelaunt. Schon die Fahrt von Hemer nach Wiblingwerde sei ein Abenteuer gewesen mit den Kurven, engen Straßen und der tollen Landschaft. Was er allerdings unterschätzt hat: die Distanzen und die Höhenmeter. Sein kleiner E-Flitzer ist so gut wie leer und er muss noch zurück. Mal eben irgendwo halten und laden, gestaltet sich auf dem Land schwieriger als in der Stadt. Fahrten sollten geplant werden. „Aber ich bin froh, überhaupt ein Auto bekommen zu haben. Sonst wäre das alles hier ja völlig unmöglich.“ Die gute Laune lässt er sich nicht nehmen. Und über den Heimweg macht er sich später Gedanken. Dann will er auch noch Brot kaufen. „Wir machen bis 20 Uhr“, sagt Neubauer. „Kein Problem“, entgegnet Phil Völkel gelassen. Was die Mitarbeiterin ihm eigentlich sagen wollte: Nach 20 Uhr wird Brot kaufen nicht mehr möglich sein. Sie lässt es erst einmal so stehen.
Die nächste, die kommt, ist Nina Pant. Sie hätte eigentlich die kürzeste Anreise, denn sie absolviert ihr Praktikum in Nachrodt. „Ich habe keinen Führerschein. Und ich habe heute am ersten Tag schon gemerkt, dass das nicht so bleiben kann, wenn ich wirklich mal hier arbeiten möchte“, erklärt die Studentin. Sie ist in Erfurt geboren, in den USA aufgewachsen und lebte zuletzt in Freiburg. Ein Leben ohne öffentlichen Nahverkehr im Minutentakt kennt sie nicht. „Das ist hier definitiv ein echtes Problem“, gibt sie zu. Damit sie am Programm teilnehmen konnte, war sie auf einen Fahrer angewiesen. Stefanie Normann, die das Projekt seitens des Märkischen Kreises betreut, holte die junge Frau in Nachrodt ab und brachte sie nach Wiblingwerde.
Die letzten waren die beiden Praktikantinnen, die in Balve stationiert waren. „Wir waren komplett verloren“, erzählen sie lachend. Trotz Navi haben sie sich verfahren.
Begleitet wird die Gruppe von Hana Beer, Tourismusbeauftragte des Märkischen Kreises. „Meine Aufgabe ist es, den Praktikanten den Nordkreis zu zeigen. Sie sollen sehen, dass ein Leben hier durchaus attraktiv sein kann“, erklärt Beer. Es sei wichtig, nicht nur die Nachteile zu sehen, sondern vor allem auch die Vorteile der Region zu entdecken. Und neben Natur gebe es durchaus eine ganze Menge zu erleben. „Mir ist tatsächlich eine gute Work-Life-Balance sehr wichtig. Niemand kann nur arbeiten“, sagt Nina Pant. Sie ist derzeit im zweiten Semester ihres Medizinstudiums und kann sich ein Leben als Landärztin nur vorstellen, wenn das Verhältnis Arbeit-Freizeit passt.
„Das ist tatsächlich ein Problem. Es ist immer noch in den Köpfen, das Landleben langweilig ist“, erklärt Beer. Dabei habe das Märkische Sauerland wirklich zu viel bieten. „Wir haben bewusst die Burg nicht im Programm, sondern die vielleicht etwas unbekannteren Sachen. Zum Beispiel die Luisenhütte“, erklärt Beer. Außerdem seien auch größere Städte nicht weit entfernt und eigentlich gut erreichbar. „Die Sache mit der Mobilität haben wir tatsächlich auch ein wenig unterschätzt. Für uns hier ist ein Führerschein selbstverständlich. In der Stadt aber längst nicht mehr“, sagt Hana Beer. So habe der Kreis schnell ein Autohaus gefunden, dass Fahrzeuge für das Projekt stellen würde, aber sie seien zunächst nicht davon ausgegangen, dass der Führerschein ein Thema sein könnte. „Ohne Auto ist man hier schon aufgeschmissen“, gibt Beer zu.
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Teil 1: Localheros – Der Weg zum Landarzt
Teil 2: Localhero- Arbeiten als Landarzt
Teil 4: Localhero – Ein Kommentar