Es ist Dienstagabend 21.30 Uhr. Bei -9,5 Grad Celsius steht Bettina Lugk mit ihrem Wahlkreis-Mitarbeiter Cedrik Kutschelis in Nachrodt an der B236. Vor dem Walzwerke-Tor mit der Brücke über die Lenne hat sie ihren Informationsstand aufgebaut, hat sich dafür sogar extra eine behördliche Genehmigung eingeholt, damit auch nichts schief gehen kann. Und auch einen selbstgebackenen Kuchen hat sie dabei. Bereits am Morgen war sie da. Von 5 bis 7 Uhr. „Das sind so die klassischen Zeiten für den Schichtwechsel. Ich habe die Hoffnung, so möglichst vielen Mitarbeitern zu begegnen. Da nehme ich auch die Kälte in Kauf“, erklärt die SPD-Politikerin.
Warum der ganze Aufwand? Walzwerke-Chef Dr. Bodo Reinke macht kein Geheimnis daraus, dass er mit der Ampel-Politik in Berlin unzufrieden ist. Immer wieder macht er auf die Probleme für die heimischen Unternehmen aufmerksam. Zuletzt sorgte das Unternehmen mit einer Meldung für Aufsehen, in der es hieß, dass die Auszahlung des Weihnachtsgeldes aufgrund politischer Entscheidungen auf der Kippe stand. Insbesondere ging es dabei um den sogenannten Strompreis-Kompromiss. Das Unternehmen sei an die Rücklagen gegangen, um den Mitarbeitern trotzdem das Weihnachtsgeld zahlen zu können.
„Ich habe von dem Unternehmen mehrere E-Mails mit Fragen bekommen. Allerdings wurde auf keinen Gesprächsvorschlag eingegangen“, erzählt Bettina Lugk. Sie habe mehrfach versucht, in den Dialog zu kommen. Zuletzt habe sie eine Mail von der Mitarbeitervertretung bekommen. „Ich möchte wirklich gerne über die Beschlüsse sprechen. Also haben wir diesen Weg hier gewählt“, berichtet die Sozialdemokratin. Ein Erfolg war die Aktion jedoch eher nicht. Das Interesse war gering. Mitarbeiter hätten bewusst andere Eingänge gewählt, um nicht in den Kontakt zu kommen. Andere seien aggressiv gewesen. „Wir haben unter anderem Mittelfinger gesehen“, berichtet Lugk am Abend. Und auch verbal sei es zur Sache gegangen. „Fick Dich“ war eine der Aussagen, die unter die Gürtellinie gingen. „Die ausgesprochene Drohung und Andeutung, dass man mit Sozialdemokraten vor 1945 ganz anders verfahren ist, ist mir in 19 Jahren politischem Engagement noch nicht untergekommen. Da macht man sich schon Sorgen um die Sicherheit“, gibt Lugk zu.
Bei einigen Gesprächen sei die Enttäuschung und Wut der Mitarbeitert deutlich geworden. „Mir ist es wichtig, die Chance zu haben, etwas erklären zu können und/oder neue Blickwinkel zu erfahren. Meist klappt das auch“, sagt die Politikerin. So habe sie auch gute Gespräche geführt. In denen sei es gar nicht immer um die Walzwerke gegangen, sondern auch um Themen wie Energieversorgung, Heizungsgesetz, Interessensvertretung und Tarifbindung. Der Walzwerke-Chef selbst sei nicht gekommen. Gesprochen habe sie aber unter anderem mit Nico Napierkowski, Manager Hot Rolling Mill, und Vertretern des Betriebsrats.
LokalDirekt bat Bodo Reinke am Mittwochvormittag um Stellungnahme. Es ging um die Fragen, wie er zu den verletztenden Aussagen der Mitarbeiter steht, wie es dazu kommen konnte und warum er nicht selbst das Gespräch gesucht habe. Eine Antwort gab es bis zum Abend nicht, er sei in einem Meeting. Er ließ über seine Sekretärin ausrichten, dass sich das Unternehmen von den Beschimpfungen distanziere. Zudem sei der Stand außerhalb des Werksgeländes gewesen. Man könne also gar nicht nachvollziehen, wer da was gesagt habe. Das Unternehmen habe von dem Vorhaben von Bettina Lugk gewusst, es aber nicht in der Belegschaft kommuniziert.
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