„Mit politischer Meinungsäußerung hat so ein Verhalten nichts mehr zu tun“, sagt beispielsweise der SPD-Fraktionsvorsitzende Gerd Schröder. Er finde es erschreckend, wie sehr ein solch verrohendes Verhalten zunehme. Selbst habe er solche Erfahrungen in der Kommunalpolitik allerdings noch nicht gemacht. Was seiner Meinung aber auch daran liege, dass die kommunalpoltischen Themen nicht so konträr seien. Es gehe einfach weniger um Entscheidungen mit so großen gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Folgen. „Ich bin mir wirklich nicht sicher, warum dieses Verhalten so zunimmt. Das kann nicht nur durch das politische Geschehen begründet sein. Das muss tiefer gehen. Was die Ursache ist – da bin ich überfragt“, erklärt Schröder. Aber er beobachte durchaus, dass solche Anfeindungen zunehmen. „Ich selbst käme gar nicht auf so eine Sprache. Das hat doch etwas mit Anstand und Erziehung zu tun. Ich kann nicht nachvollziehen, wieso Leute so etwas tun“, sagt der SPD-Politiker. Ihm bereite diese Entwicklung durchaus Sorge, denn niemanden gehe es in Deutschland so schlecht, dass sprachliche Gewalt und Drohungen zu rechtfertigen seien.
Der fraktionslose Aykut Aggül teilt die Sorgen: „Mich erschreckt das wirklich. Es gibt natürlich politische Entscheidungen, die nicht gefallen. Aber das rechtfertig niemals solche Beschimpfungen. Da steht immer noch ein Mensch.“ Er weiß aber auch, dass es nicht die Masse ist, die solche Äußerungen tätigt. „Da darf man sich als Politiker nicht unterbuttern lassen und so diesen Menschen noch eine Plattform bieten“, sagt Aggül. Er selbst habe schon einmal eine Morddrohung bekommen mit der Aussage „Scheiß Türke“. „Da bekommt man schon erst einen Schrecken. Man weiß ja gar nicht warum und von wem“, erinnert sich Aggül. Er habe fast acht Wochen Schutz von der Kriminalpolizei bekommen. „Man überlegt dann schon zwei Mal, ob man noch alleine raus geht. Aber letztlich wächst man daran“, erzählt der Nachrodter rückblickend. Direkte verbale Angriffe auf seine Person habe er in diesem Format, wie es gegenüber Bettina Lugk erfolgte, noch nicht in Nachrodt erlebt.
Petra Triches, Fraktionsvorsitzende der UWG, hat selbst auch noch keine Anfeindungen erfahren. „Das sind doch keine demokratischen Menschen. Man kann diskutieren und debattieren – auch mal hitzig – aber so kann man nicht miteinander umgehen. Dann wird den Job bald keiner mehr machen wollen.“ Sie berichtete unter anderem von den Bauernprotesten, die auch einige Rechte für Propaganda nutzten. „Da waren einige Autos mit schwarzen Fahnen. Es wird immer schlimmer und immer mehr. Das macht mir wirklich Angst, wenn ich an die nächsten Wahlen denke“, sagt Triches.
„Also so etwas haben wir als Fraktion noch nicht erlebt. Ich dachte immer Nachrodt sei ein kleines Dorf des Friedens. Der Umgangston ist wirklich immer gut gewesen“, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Philipp Olschewski. Solch verbale Entgleisungen seien eine Grenzüberschreitung, die niemand einfach so tolerieren müsse. „Das ist absolut zu verurteilen, da fragt man sich echt, was die Leute geritten hatten“, betont Olschewski. Es sei ein gesellschaftliches Problem. Er habe keine Ahnung, wie man das lösen kann. „Rechtlich angemessene Strafen gehören sicher dazu. Aber das alleine reicht vermutlich nicht aus“, sagt der Christdemokrat.
Auch der heimische CDU-Bundestagsabgeordnete Paul Ziemiak äußerte sich zu dem Vorfall: „Zur Demokratie gehört auch Protest und Kritik an der Regierung. Aber leider nehmen auch Beleidigungen zu. Ich sage ganz klar: Dort wo Menschen herabgesetzt werden oder zur Gewalt aufgerufen wird, ist eine rote Linie erreicht.“ Er selbst erlebe allerdings auch immer wieder Anfeindungen und erhalte durchaus auch Drohungen. Das gehöre inzwischen schon zu seinem beruflichen Alltag.
Bürgermeisterin Birgit Tupat, macht das Verhalten sprachlos: „Ich werde auch mal angegangen, aber gerade die rechte Äußerung ist wirklich krass. So etwas habe ich so noch nicht erlebt.“ Auch sie erhielt bereits Drohungen und bekam zwischenzeitlich Polizeischutz.
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