Demokratie ist nicht immer leicht. Nicht alle Entscheidungen gefallen. Nicht alle Politiker sind sympathisch. Aber das gehört dazu. Demokratie ist das wichtigste Gut unserer politischen Gesellschaft. Die zunehmende Verrohung der Sprache im politischen Diskurs gefährdet den demokratischen Austausch und bietet Menschen eine Plattform, die Werte vertreten, die uns alle nur ins Unglück stürzen können. Recherchen im Zusammenhang mit den Vorfällen an den Walzwerken zeigen, wie ernst die Problematik ist. Wenn dort an den Umgang mit Sozialdemokraten vor 1945 erinnert wird, macht das Angst. Und das zu Recht. Es gibt inzwischen ganze Behörden, die sich mit der Problematik auseinandersetzen. So gibt es beispielsweise Gefährdungsanalysen für Berufspolitiker. Für die politischen Entscheidungsträger auf Bundes- und Landesebene gehören Hatespeech und Drohungen zum Alltag. Traurige Wahrheit.
Walzwerke-Chef Dr. Bodo Reinke leistet politische Lobbyarbeit. Er sagt, wo der Schuh drückt, verdeutlicht, welche Konsequenzen politische Entscheidungen aus Berlin hier in Nachrodt-Wiblingwerde haben. Richtig so. Politik gehört nicht ins stille Kämmerlein. Und es ist wichtig, dass die Unternehmer offen kommunizieren, politische Entscheidungen einordnen und sagen, was ihnen nicht passt. Gleichzeitig muss nicht jeder den Walzwerken zustimmen – das ist Demokratie. Hier darf gesagt werden, was gedacht wird. Sachlich und auch mal emotional. Aber nie persönlich verletztend.
Die Mitarbeiter, die gestern Bettina Lugk angingen, waren respektlos, wütend und verletzend. Da stand eine Politikerin bei knapp zweistelligen Minusgraden und suchte das Gespräch. Ob man nun die Ampel für gut oder schlecht hält, den Entscheidungen zustimmt oder sie ablehnt, spielt erst einmal keine Rolle. Dort stand ein Mensch. Wer kein Gespräch will, der kann vorbeigehen; wer wütend ist, kann das Gespräch suchen. Aber den verbalen Angreifern ging es nicht um Lösungen, sondern rein um den Angriff. Das Problem: Die Verwendung von diffamierenden Ausdrücken schwächt den Respekt für demokratische Prinzipien. Ein rauerer Sprachgebrauch schadet der Möglichkeit konstruktiver politischer Dialoge.
Eine derartige Verrohung der Sprache führt zu einer Atmosphäre der Intoleranz und Feindseligkeit, die keinerlei Raum für Verhandlungen, Kompromisse und Miteinander bietet. Durch die herabsetzenden Worte wird das Vertrauen in politische Institutionen erheblich untergraben. Es entsteht eine Kultur der Entfremdung und Unversöhnlichkeit. Alle Beteiligten sollten sich bewusst sein, dass aggressive Sprache das demokratische Miteinander beeinträchtigt.
Die Verantwortung, unsere kostbaren Werte zu erhalten, liegt bei uns. Wir alle sollten uns einen zivilisierten Diskurs bewahren. Und genau deswegen ist es keine Kleinigkeit, was dort passiert ist und genau deswegen ist es so traurig, dass Dr. Bodo Reinke sich nicht äußert und ausrichten lässt, die Veranstaltung habe vor den Toren des Betriebs stattgefunden. Ja, das stimmt. Und natürlich waren es Einzelpersonen und natürlich hat das Unternehmen in dem Moment darauf keinen Einfluss. Wegschauen und hinnehmen ist dennoch falsch. Es gilt diesen Quertreibern die Stirn zu bieten – sachlich und mit Argumenten. Denn eines darf nie unterschätzt werden: Die Macht der Sprache.
Dieser Kommentar bezieht sich auf den Text: Walzwerke-Mitarbeiter beschimpfen und drohen Bettina Lugk
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