Die Haushaltsreden der Ratsmitglieder waren geprägt von Zustimmung zum Haushalt und zur Arbeit der Verwaltung. Das Ehrenamt wurde gewürdigt und gemeinsam mit Vorfreude auf die anstehenden und laufenden Baumaßnahmen geblickt. Aber dennoch war die Welt nicht rosarot. Das große Problem sind die Transferkosten. Die Nachrodt-Wiblingwerder Kommunalpolitiker sehen sich von Bund und Land im Stich gelassen. Ein Gestalten sei so gar nicht mehr möglich. Einig waren sich die Politiker auch, dass die Fördergelder pauschalisiert vergeben werden sollten. Ein Förder-Antrags-Dschungel binde personelle und finanzielle Ressourcen, die anderweitig dringend gebraucht würden.
LokalDirekt hat die Haushaltsreden zusammengefasst:
![](https://media.lokaldirektcdn.de/2025/02/11161511/20250210_170353-1700x1275.jpg)
Petra Triches (UWG): „Im Grunde gibt es keine Selbstverwaltung mehr“
„Leider konnten wir viele Wünsche, die wir uns vorgenommen haben, wegen fehlender Mittel nicht durchführen“, sagte Petra Triches, Fraktionsvorsitzende der UWG zu Beginn ihrer Rede. Es sei keine einfache Zeit. Corona, die Unwetterkatastrophe, der Angriffskrieg gegen die Ukraine und die vielen Flüchtlinge: „Durch diese schlimmen Ereignisse wurden der Gemeinde Aufgaben aufgebürdet, die sie finanziell ausgehöhlt haben.“ Die Gemeinde spare an allen Ecken und Enden, damit sei noch einigermaßen zurechtzukommen damit man nicht in die Haushaltssicherung rutsche. Triches: „Diese Sparbemühungen erkenne ich weder bei der Bundesregierung noch bei der Landesregierung oder dem Kreis.“
Leider würde sich die Lage in den nächsten Jahren verschärfen. „Die Kreisumlage und die Kosten werden weiter enorm steigen und die Gemeinde hat keine Möglichkeiten dagegen zu steuern. Im Grunde gibt es keine Selbstverwaltung mehr. Die Verwaltung und wir als Rat können nur noch reagieren, anstatt zu agieren.“ Die Einführung der Altschuldenentlastung, wie in anderen Bundesländern würde hingegen den Kommunen helfen. Den Kommunen werde derweil zu viel aufdiktiert. Ein Beispiel dafür seien die Vorgaben für den Offenen Ganztag an der Grundschule. „Es wird bestimmt und die Kommunen müssen sehen, wie sie das hinbekommen.“ Die Änderung der Grundsteuer sei so schlecht gemacht, dass die Kommunen den schwarzen Peter bekommen hätten. „Durch die Änderung der Grundsteuer
hätte die Gemeinde über 200.000 Euro Mindereinnahmen gehabt.“
Es gebe aber auch viel Gutes: Durch den Umbau der Grundschule Wiblingwerde sei ein Zeichen für den Standort gesetzt worden. „Kurze Beine, kurze Wege.“ Auch stehe die Fraktion weiterhin hinter dem Umbau des Gartenhallenbads, „auch wenn er durch widrige Umstände und Fehler der Vergangenheit länger dauert und leider auch viel teurer wird (aber das ist bei großen Projekten des Landes und des Bundes gang und gäbe), wird unsere Gemeinde aufwerten“.
Die Rede von Petra Triches im Wortlaut finden Sie hier:
![](https://media.lokaldirektcdn.de/2025/02/11223350/20250210_170848-edited-scaled.jpg)
Jens Philipp Olschewski (CDU): „Verlässliche Finanzplanung ist nicht möglich“
„Die chronische sowie strukturelle Unterfinanzierung der Gemeinde belastet nicht nur den hier vorliegenden Haushaltsplan, sondern erschwert zunehmend die Erfüllung gemeindlicher Aufgaben und schränkt die Handlungsfreiheit von Politik sowie Verwaltung erheblich ein“, monierte auch Jens Philipp Olschewski, Fraktionsvorsitzender der CDU. Die Modernisierung kommunaler Infrastruktur hänge oft am Tropf von Fördermitteln. „Dies erfordert aufwändige Bewerbungsprozesse, die die sowieso schon knappen Personalressourcen binden. Der Erfolg bleibt ungewiss, da verschiedene Kriterien, manchmal sogar Tempo oder gar Glück über die Mittelvergabe entscheiden. Statt verlässlicher Finanzplanung müssen Kommunen auf unsichere Landes- und Bundesförderprogramme setzen“, erklärte Olschewski. Auch er sprach sich also, wie Petra Triches und Christian Pohlmann für eine pauschalisierte Fördermittelvergabe aus.
Positiv hob er die Zusammenarbeit im Rat hervor: „In diesen wirtschaftlich herausfordernden Zeiten haben wir als Rat eine bemerkenswerte Einigkeit und Entschlossenheit gezeigt.“ Auch erwähnte er die Arbeit der CDU, die beispielsweise einen Antrag für eine DHL-Packstation gestellt habe und in Sachen Grundsteuer B die finale Idee entwickelt habe. Außerdem würdigte er das Engagement der zahlreichen Ehrenamtler in der Gemeinde.
Wichtig sei ihm, dass das Projekt Lennehalle vorangetrieben werde. „Diese Investition ist mehr als nur ein Bauvorhaben – sie ist ein Bekenntnis zur Zukunftsfähigkeit unserer Gemeinde“, betonte Olschewski. Was das Rastattgelände betrifft, sei manchmal weniger mehr: „Unser aktueller Ansatz zielt auf eine kleinere, aber realisierbare Lösung ab.“ Schon vor Jahren habe die CDU im Rat die Idee eines Pavillons zur Bewirtung eingebracht.
Die Rede von Jens Philipp Olschewski im Wortlaut finden Sie hier:
![](https://media.lokaldirektcdn.de/2025/02/11223558/20250210_171849-edited-rotated.jpg)
Christian Pohlmann (SPD): „Kommunen werden zur Bad Bank für Bund und Land“
„Dieser Haushalt steht erneut im Zeichen eines Fehlbedarfs“, sagte Christian Pohlmann, Vorsitzender der SPD. Er hielt die Rede für Gerd Schröder. Der Fraktionsvorsitzende konnte krankheitsbedingt nicht an der Sitzung teilnehmen. „Wir hatten im vergangenen Jahr auf eine Lösung der Altschuldenproblematik gehofft. Diese Hoffnung wurde enttäuscht“, sagte Pohlmann. Aktuell trage jeder Nachrodt-Wiblingwerder
rund 600 Euro Schulden allein durch diese Liquiditätskredite. Alles, was das Land an Lösungen biete seien globaler Minderaufwand, Aufweichung der Haushaltssicherungskriterien und Verteilung außerordentlicher Aufwendungen über Jahre hinweg. Pohlmann: „Das sind keine echten Lösungen! Es sind Bilanzierungstricks und kosmetische Maßnahmen, die die Finanzsituation nur verschleiern. Was wir brauchen, ist eine echte Entschuldung unserer Kommunen – eine, die finanzielle Handlungsfähigkeit
wiederherstellt, anstatt sie weiter auszuhöhlen.“ Die Kommunen seien zur „Bad Bank“ für Bund und Land geworden – sie hätten keine Schuldenbremse, keinen Spielraum und sollten trotzdem weiter investieren.
„Trotz dieser Widrigkeiten tun wir, was notwendig ist: Wir investieren in unsere Gemeinde“, betonte Pohlmann und nannte beispielhaft die Grundschule Wiblingwerde, die modernisiert und zukunftsfähig sei, das Gartenhallenbad, das Raststatt-Gelände und die Lennehalle. „Unsere Kritik an der Förderprogrammpraxis ist weiterhin aktuell“, sagte Pohlmann. Der globale Minderaufwand in Höhe von 379.000 Euro sei beispielsweise ein Posten, der weniger ausgegeben werden muss. Pohlmann: „Wir konnten bei den Haushaltsplanberatungen nicht erkennen, wo dieser Betrag eingespart werden kann.“
Die SPD nutzte zudem – wie die Vorredner auch – die Gelegenheit den Ehrenamtlern in der Gemeinde für ihr Engagement zu danken. Einmal mehr appellierte Pohlmann an die Nachrodt-Wiblingwerder: „Bringen Sie sich ein, nutzen Sie Ihre Stimme.“
Die Rede von Christian Pohlmann im Wortlaut finden Sie hier:
![](https://media.lokaldirektcdn.de/2025/02/11161447/20250210_172543-1700x1275.jpg)
Aykut Aggül (fraktionslos): „Wer bestellt, bezahlt“
Aykut Aggül war derjenige, der in den Etatberatungen für die meisten Diskussionen sorgte. Er stimmte gegen Gebührenerhöhungen und gegen die differenzierten Hebesätze der Grundsteuer B. Und so sorgte er am Abend für eine kleine Überraschung. Dem Haushalt, der all jene Gebühren und Änderungen enthält, stimmte er zu. Der fraktionslose Ratsherr sprach die Herausforderungen an, die durch internationale Krisen und Protektionismus die finanzielle Lage der Gemeinde belasten.
Auch Aggül kritisierte die mangelnde Finanzierung durch Bund und Land und bezeichnete dies als Verstoß gegen das Konnexitätsprinzip. „Wer bestellt, bezahlt!“ kritisierte er die unzureichende Finanzierung der Gemeinde. „Das Haushaltsjahr 2025 steht bedauerlicherweise wie die Vorjahre im Zeichen der Unsicherheit“, machte Aykut Aggül direkt zu Beginn deutlich. Er appellierte an die Anwesenden: „Wir müssen aus eigener Kraft das Defizit im Ergebnishaushalt in diesem und in den nächsten Jahren weiter reduzieren oder kreative Wege suchen, um die notwendigen Investitionen in Zukunft zu tätigen.“ Konkret bedeute das, dass bei den Aufwendungen das Notwendige vom nur Wünschbaren unterschieden werden müsse. Die jeweiligen Standards seien auf das Zweckmäßige zu beschränken. „Das gilt leider auch für Sanierungsmaßnahmen, die nach Dringlichkeit zeitlich realisiert werden sollten. Dazu ist jetzt ein Gesamtkonzept erforderlich!“ Schulen hätten für ihn Priorität. Wie wichtig und gut das sei, zeige auch die Sanierung der Grundschule Wiblingwerde.
„Wichtig ist mir auch die kommunale Kinder- und Jugendarbeit und die Beteiligung der jungen Menschen in Form des Jugendforums“, sagte Aggül. Die Jugend brauche zudem Orte, an denen sie sich entfalten könne. „Öffentliche Treffpunkte wie Grillplätze oder attraktive Bolzplätze sollten gemeinsam mit den Jugendlichen entwickelt werden“, schlug Aggül vor. Auch sprach er das Thema Wohnen in der Gemeinde an. „Wohnen ist ein Grundrecht, und dennoch gibt es in Nachrodt-Wiblingwerde viele leerstehende Wohnungen. Diese Zahl ist hoch. Die Verwaltung muss hier proaktiver vorgehen, um den Leerstand zu reduzieren“, mahnte der fraktionslose Ratsherr. Zur kommunalen Migrationspolitik sagte er: „Es ist unsere humanitäre Pflicht, geflüchteten Menschen eine neue Heimat zu bieten.“
Die ganze Rede von Aykut Aggül im Wortlaut lesen Sie hier:
![](https://media.lokaldirektcdn.de/2025/02/11223903/20250210_173425-edited.jpg)
Matthias Lohmann (fraktionslos): „Haushalt mit fachfraulichem und fachmännischen Blick geprüft“
Es war die offensivste Rede des Abends. Matthias Lohmann sparte nicht an Kritik und holte im Rahmen seiner Haushaltsrede zum Rundumschlag aus. Da diese Rede für viel Gesprächsstoff sorgte und auch andere sich dazu zu Wort melden wollten, haben wir dazu einen eigenen Text verfasst.
Grundsätzlich stimmte auch Matthias Lohmann dem Haushalt zu. „In jeder der Fraktionen sitzen ausgesprochene Finanzexpertinnen und Finanzexperten aus unterschiedlichsten Bereichen. Vom Wirtschaftswissenschaftler in der CDU, Fachleute für Kommunalfinanzen in der SPD, bis hin zur Fachfrau für Steuerrecht in der UWG. Herr Tegeler konnte sich schon darauf verlassen, dass da mit fachfraulichem und fachmännischem Blick in seinem Haushalt geprüft und hinterfragt wird“, sagte Lohmann. Die Kämmerei habe ein fachlich ausgewogenes Konzept vorgelegt. Aus allen Beratungen in den Fraktionen und aus allen Gesprächen sei deutlich geworden, „dass unter der Führung unserer amtierenden
Bürgermeisterin, durchaus progressive, ergebnisorientierte Zusammenarbeit im Vordergrund
steht“.
Die ganze Rede von Matthias Lohmann im Wortlaut lesen Sie hier: