Öffentlich war von einer Steuererhöhung bislang nicht die Rede. Zu Beginn der Ratssitzung präsentierte Bürgermeister Michael Brosch dann einen ausgearbeiteten Kompromissvorschlag vom Bündnis aus SPD, Grünen und UWG, die genau das vorschlagen. Über dieses Vorhaben ist die Öffentlichkeit bis zum Schluss nicht informiert worden.
Weder kamen Michael Brosch noch Simon Thienel im Rahmen der Haushaltseinbringung zu dem Entschluss, die Steuern zu erhöhen. Noch brachten während der zurückliegenden, öffentlichen Sitzungsperiode die Lokalpolitiker eine Steuererhöhung ins Spiel. Zwar stellten sich der Mehrbelastung die CDU (9 Stimmen) und die FDP (2 Stimmen) entgegen. Doch am Ende setzten sich SPD, UWG und Grüne mit ihrem Vorschlag durch. Ihren Vorstoß begründeten die drei Fraktionen damit, dass der Bürgermeister und der Erste Beigeordnete allen Fraktionen mehr als deutlich gesagt hätten, dass sie Steuererhöhungen und die damit verbundenen Einnahmen als absolut notwendig erachten, um die finanzielle Situation der Stadt Halver zu verbessern.
Somit hat der Rat folgende Steuererhöhungen beschlossen:
- Die Grundsteuer B wird von 493 auf 550 Punkte angehoben.
- Die Gewerbesteuer wird von 433 auf 450 Punkte angehoben.
- Die Grundsteuer A wird von 230 auf 250 Punkte angehoben.
Die Steuermehreinnahmen aus dieser Erhöhung unterliegen einer Haushaltssperre und werden ausschließlich zu Tilgung von Liquiditätskrediten (Kassenkrediten) verwendet. Kämmerer Simon Thienel rechnet infolge der Steuererhöhung – das erklärt er auf Nachfrage von LokalDirekt – mit jährlichen Mehreinnahmen von „knapp unter einer Millionen Euro bei gleichbleibenden Umständen“. Die Einnahmen durch die Gewerbesteuer seien indes volatil, also unbeständig.
Erst im vergangenen Jahr hatte der Rat entschieden, die Gewerbesteuer sowie die Grundsteuer B (betrifft Grundstückseigentümer) (wir berichteten) anzuheben – nun gibt’s eine erneute Erhöhung inklusive einer Anhebung der Grundsteuer A (betrifft Forst- und Landwirtschaft). Es werden diesmal also alle Bürger zur Kasse gebeten, manche von ihnen gleich mehrfach. Mit dieser Entscheidung werden die Halveraner nun ohne vorherige öffentliche Diskussion vor vollendete Tatsachen gestellt. Überlegungen hinter verschlossenen Türen machten es dem Bürger nicht möglich zu verfolgen, ob und warum ihr Geldbeutel künftig mehr belastet wird.
Genau das kritisierte Kurt-Dietrich Neuhaus (CDU): „Davon war bislang nicht die Rede. Wenn wir jetzt ad hoc über diese Steuereröhung beschließen, kommt das einem Überrumplungseffekt gleich. Die Öffentlichkeit ist darüber nicht informiert worden und das finde ich nicht in Ordnung. Ich frage mich, was soll das? Die Öffentlichkeit konnte sich nicht beteiligen. Mein Demokratieverständnis ist ein ganz anderes. Man hätte uns und der Bevölkerung die Gelegenheit geben müssen, darüber zu diskutieren.“ Deshalb stellte er den Antrag, die Entscheidung zu vertagen – dieser wurde jedoch abgelehnt. Stimmen dafür gab es nur von der CDU (9) und FDP (1). Martina Hesse (CDU) sagte, man könne die nichtöffentlichen Diskussion auch, wenn man böse ist, als „Hinterzimmerpolitik“ bezeichnen.
Als „gute alte Kultur“ bezeichnete das Vorgehen indes Michael Brosch: „Es ist nicht so, dass wir überraschend über den Haushalt reden.“ Und auch Martin Kastner (SPD) berichtete, dass sich alle Fraktionen zusammen bereits vor etwa fünf Wochen Gedanken gemacht hätten. Dr. Jana Schrage (Die Grünen) zeigte sich vom Verhalten der CDU „gleich doppelt irritiert“, schließlich hätte diese bei der vergangenen Ratssitzung noch „wie beim Ping Pong“ Anträge gestellt und damals keine Probleme damit gehabt.
Deckelung der investiven Maßnahmen auf fünf Millionen Euro
Der Antrag der UWG auf Deckelung der investiven Maßnahmen auf fünf Millionen Euro (wir berichteten) wurde vom Rat ebenso beschlossen. Zu dieser Summe werden die direkten Projektbezogenen Förderungen, die von Land oder Bund bereits bewilligt sind, hinzugerechnet. Ebenso die Kanalrenovierungen.
Die Haushaltsreden der Fraktionsvorsitzenden
SPD – Martin Kastner
„Auch unangenehme Dinge muss jemand letztlich angehen“

SPD-Fraktionsvorsitzender Martin Kastner begrüßte in seiner Rede den mit den Fraktionen UWG und Grünen gefundenen Kompromiss einer Steuererhöhung. Damit bleibe die Stadt Halver auch weiterhin in allen drei Steuerarten kreisweit im unteren Bereich, so Kastner. Denn: „Auch unangenehme Dinge muss jemand letztlich angehen.“
Es gelte, unter schwierigen Rahmenbedingungen die Stadt nicht kaputt zu sparen, Infrastruktur zu erhalten, städtische Aufgaben für die Bürger zu leisten und weiterhin eigenständig handeln zu können. Dies sei die schwierige Herausforderung, „der wir uns stellen müssen und das sollte auch das Ziel aller Ratsfraktionen gemeinsam sein.“
Ursächlich für die miese Finanzsituation der Stadt Halver ist laut SPD nicht die Kommune selbst, sondern äußere Einflüsse wie die Kreisumlagen, eine Unterfinanzierung durch Land und Bund sowie Faktoren wie steigende Energiepreise, Inflation, Lohnentwicklungen und auch steigende Baukosten.
Neben Kontrollmechanismen und Einsparungen müsse auch die Einnahmenseite der Stadt Halver verbessert werden, so Kastner. Der „übermäßige Verzehr der Ausgleichsrücklage in 2024 und den Folgejahren“ gefährde die wirtschaftliche Eigenständigkeit der Stadt Halver.
Lesen Sie hier die vollständige Haushaltsrede von Martin Kastner (SPD).
CDU – Marvin Schüle
„Wir sind von der heimischen Wirtschaft abhängig“

„In der freien Wirtschaft wären wir schon lange pleite!“, sagte Marvin Schüle in der Ratssitzung. „Wir haben uns als CDU-Fraktion intensiv mit dem Haushaltsentwurf auseinandergesetzt und dabei festgestellt, dass die Investitionsliste Projekte beinhaltet, die man ohne Not streichen kann.“ Die CDU begrüße den UWG-Vorschlag, Investitionen zu beschränken. Obwohl Kämmerer Simon Thienel bereits erkannt habe, dass der Stadt „Cash“ fehle, präsentiere die Verwaltung eine Investitionsliste von mehr als 13 Millionen Euro.
Zu Wahrheit gehöre zusätzlich, „dass die Wirtschaft derzeit strauchelt und jeden Euro benötigt, um Arbeitsplätze und den Wohlstand zu sichern. Von Steuererhöhungen sollten wir also derzeit die Finger von lassen“, findet Schüle. Von dem erst heute offiziell von der Verwaltung eingebrachten Vorschlag zur Erhöhung der Steuersätze sei die CDU-Fraktion überrascht.
Vielmehr wolle man mit dem eingebrachten Antrag zur Entwicklung von Gewerbe den Unternehmern ein Signal geben, „dass wir stolz auf unsere regionale Wirtschaft sind und diese weiter stärken möchten, denn wir sind mehr als jemals zuvor von der heimischen Wirtschaft abhängig.“
Lesen Sie hier die Haushaltsrede von Marvin Schüle (CDU).
Bündnis 90/Die Grünen – Dr. Jana Schrage
„Der Bürgermeister schafft es nicht, aus dem Klein-Klein seinen Kopf zu heben“

„Demokratie hat keine einfachen Antworten. Sie lebt von der Auseinandersetzung, von Komplexität und Kompromissen“, sagte Dr. Jana Schrage, stellvertretende Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen. „Wir haben in diesem Haushalt einen Kurs eingeschlagen, der auf Verantwortung und Generationengerechtigkeit beruht. Ein Deckel für investive Ausgaben und eine moderate Steuererhöhung sind notwendig, um die finanzielle Zukunft unserer Stadt zu sichern“, stellte sie den Kurs der Grünen dar.
Dennoch fehle eine Vision für Halver, an der man Entscheidungen ausrichten könne. Der Bürgermeister verwalte die Stadt, „aber er schafft es nicht, aus dem Klein-Klein der Verwaltung seinen Kopf zu heben und uns mit auf eine Zukunftsreise zu nehmen“, richtete sie ihre Kritik in Richtung Michael Brosch.
Bei allen Investitionen müssten endlich klare Prioritäten gesetzt werden, so Schrage weiter. „Wir müssen jetzt die Weichen stellen, damit wir CO2-neutral werden und unser Grundwasser, unsere Böden und natürliche Lebensräume schützen. Gleichzeitig müssen wir uns an den Klimawandel anpassen und die Stadt fit machen, damit alle Halveraner Hitzewellen, Dürren, Starkregen und Stürme gut überstehen. Bei allen Investitionen müssen wir uns zudem fragen: Helfen sie, die Transformation sozial gerecht zu gestalten? Wir haben eine Vision für Halver, in der die Artenvielfalt, das Klima und die Menschen dieser Stadt gleichermaßen Bedeutung haben. An jedem Tag, bei jeder Entscheidung“, so Schrage.
Lesen Sie hier die vollständige Haushaltsrede von Dr. Jana Schrage (Bündnis 90/Die Grünen).
UWG – Dr. Sabine Wallmann
„Steuererhöhung: Wir springen über unseren Schatten“

„Der Stadt Halver fehlt seit Jahren Liquidität, das Girokonto ist hoch im Minus, die Kassenkredite steigen auf 25 Millionen. Insgesamt 50 Millionen Euro Schulden. Rekordeinnahmen in den letzten zwei Jahren und Überschüssen bei der laufenden Verwaltungstätigkeit stehen extrem hohen Investitionen gegenüber. Investive Kredite wurden durch Liquiditätskredite bedient. Großprojekte wurden viel teurer als geplant und genehmigt. Zu viel für unsere kleine Stadt“, begann Dr. Sabine Wallmann ihre Haushaltsrede am Montag.
Ein zusätzliches „Missmanagement“ wie beim Bauschutt-Skandal am Herpiner Weg belaste die öffentliche Hand zusätzlich.
Die UWG hatte daher einen Antrag gestellt, Investitionen auf fünf Millionen Euro zu deckeln. „Wir werden auch für 2025 einen Deckel zur Ausgabenbegrenzung fordern. Aber wir haben Schulden von 50 Millionen Euro. Steuererhöhungen sind nie eine gute Idee, derzeit erst recht nicht.“ Dennoch springe die UWG über ihren Schatten. Der Deckel von fünf Millionen Euro sei ein eindeutiger Auftrag zum Sparen. Die Mehreinnahmen unterlägen einer Haushaltssperre, dienten der Schuldentilgung – es gebe kein „Wünsch-dir-was“. Auch nach der Erhöhung liege Halver am unteren Ende der Steuerbelastung im Märkischen Kreis und anderer Kommunen.
Einnahmen müssten aber künftig ohne Steuererhöhungen gestärkt werden, so Wallmann weiter. Gewerbesteuer, Grundsteuer, Einkommenssteuer seien abhängig von Unternehmen und ihrem Erfolg, der Einkommen vor Ort und des Wohnraums. „Wir haben viele Menschen, die sich in Halver ihr Leben aufbauen und arbeiten wollen. Deshalb müssen wir weiter Wohnraum schaffen. Wir haben Unternehmer, die hier ihr Unternehmen in die Zukunft führen wollen. Deshalb müssen wir weiter Gewerbegebiete entwickeln.
Lesen Sie hier die vollständige Haushaltsrede von Dr. Sabine Wallmann (UWG).
FDP – Sascha Gerhardt
„Steuererhöhung weder angemessen noch gegenüber den Menschen in Halver vermittelbar“

„Auch wenn die kreisangehörigen Städte durch die Ausgabenpolitik des Märkischen Kreises naturgemäß erheblich unter Druck gesetzt werden, sieht die FDP-Fraktion die Potenziale für einen Haushaltsausgleich insbesondere im eigenen Verantwortungsbereich. Wir sind davon überzeugt, dass der Schlüssel zur
Haushaltskonsolidierung im Wesentlichen bei den Investitionen der Stadt Halver zu finden ist. Denn trotz der oben beschriebenen Entwicklung bei den Transferleistungen an den Märkischen Kreis, sieht der
Haushaltsentwurf ein nach wie vor viel zu hohes Investitionsvolumen vor“, begründete Sascha Gerhardt die Sichtweise der FDP.
Neben der Notwendigkeit in Wiederherstellung und auch Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit der städtischen Infrastruktur von Schulen, Straßen, Sicherheit und Freizeitinfrastruktur zu investieren, müsse man ebenso erkennen, dass man nicht über die Möglichkeiten verfüge, alle Bedarfe zugleich zu decken. „Stattdessen brauchen wir eine klare Priorisierung der dringendsten Projekte und hierfür bedarf es neben politischer Bewertung insbesondere einer fachlichen Einschätzung der Spitzen der jeweiligen Fachbereiche.“
Den Mehrertrag aus einer Steuererhöhung nach Vorschlag von Kämmerer Simon Thienel ausschließlich zur Schuldentilgung zu verwenden sei zwar grundsätzlich nachvollziehbar, „aber weder angemessen noch gegenüber den Menschen in Halver vermittelbar“, so Gerhardt, der zudem die Haltung der Bürgermeisters scharf kritisierte. Dieser habe im Vorfeld über die Investitionen gesagt, die im
Haushaltsentwurf enthaltenen Positionen seien letztlich die Wunschliste der Politik. Diese Haltung entspreche nicht dem Amtsverständnis eines Bürgermeisters, so Gerhardt.
Lesen Sie hier die vollständige Haushaltsrede von Sascha Gerhardt (FDP).