Für Muck war es auch ein Neuanfang – als Moderator und Co-Leser. Gisela Steinhauer hatte ihn dazu überredet, sie auf der Bühne zu begleiten, weil sie es „langweilig findet, wenn ein Autor nur liest“. So vergingen gut 90 Minuten in einem Format mit wechselweiser Lesung, Gespräch und Interview. Steinhauer, die mit den „Sonntagsfragen“ seit 18 Jahren ein eigenes Sendeformat auf WDR 2 hat, plauderte aus dem Nähkästchen. Aus dem des WDR und dem ihrer eigenen Karriere.
Sie berichtete, dass sie von Promis in den Sendungen nicht viel halte. Denn: „Jeder von uns hat viel zu erzählen.“ – Journalismus von unten statt Plattform für Eliten. An ihre Gesprächspartner kommt sie per Zufall, etwa an einer Supermarkt-Kasse. Eine Kundin hinter ihr schielte auf ihren Einkauf. Nach etwas ruppigem Kommunikationsstart stellt sich heraus sie wollte Steinhauers Kassenzettel haben. Der Grund: sie macht daraus Kunst. Schnell war Gisela Steinhauer klar, dass die Kassen-Bekanntschaft einer der „schrägen Vögel“ war, die was zu erzählen hatten und ein erfolgreicher Fang für ihre Sendung.
U-Boot-Kommandant mit „Meise“
Andere Empfehlungen kommen von Hörerinnen und Hörern oder sie stößt bei der Medien-Lektüre auf Menschen mit besonderem Background, die „schrägen Vögel“ eben. Die, die einen Schnitt machen, etwas machen, was sie immer schon wollten, die, die sich trauen, gewohnte Pfade zu verlassen. Wie Uli Gottwald, der als junger Mann zur Marine, eine steile Karriere hinlegte, letztlich kommandierte er ein U-Boot und – stieg aus. Er wurde Schamane, der „Gitano“, einem Pferd ein neues Auge „einsetzte“, nachdem der Veterinärmediziner zwar viel am Pferd verdient, aber wenig bewirkt hatte. Ein Mann, von dem sie anfangs dachte, „dass der eine Meise hat.“
Letztlich ist ihr dabei klar geworden, dass sie manchmal zu schnell Schlüsse zieht und dass „es offenbar Menschen gibt, die besondere Fähigkeiten haben.“ Und was ist schon dabei, wenn ein Frisör Haare nach Sternzeichen schneidet und erklärt warum? – Die Kunden zahlen 40 Euro und haben eine Stunde Spaß dabei. Es schadet niemandem. Wichtig sei, ein „kleines Rad zu drehen“ und scheitern ist keine Katastrophe. Das ist ihr Plädoyer, eigene Wege zu gehen, sein Glück zu suchen.
Hass-Kübelei im Netz Riegel vorschieben
Gut 60 Besucher genossen die Lesung. Ein amüsanter Abend mit Anekdoten und Anregungen für respektvollen Umgang, Tipps, sich nicht zu ernst zu nehmen, über- und miteinander zu lachen. Steinhauer unterhielt prächtig, appellierte einander zuzuhören, eigene Standpunkte und Sichtweisen zu überprüfen und wenn schon nicht zu übernehmen, dann doch wenigstens zu akzeptieren. Kurz: respektvoll miteinander umgehen, auch mit Politikern. Ein Plädoyer für aufrichtigen Diskurs anstelle von Internetforen, „wo Leute ihren Hass auskübeln. Da muss ein Riegel vorgeschoben werden.“
Eine Lesung in einem etwas ungewohnten Format. Die zwei Sessel auf der Bühne wie der Mittelpunkt eines Wohnzimmers. Das Publikum wurde einbezogen, locker, unprätentiös, empathisch. Es wirkte wie früher die guten alten Fernsehabende: wie ein Lagerfeuer für die ganze Familie. Und es endete mit einem flammenden Appell, das tolle Kino zu erhalten. Sie kündigte an, auch beim 30-jährigen KUK-Geburtstag 2026 dabei sein zu wollen und will KUK-Vertreter in ihre Sendung einladen. Einerseits um auf die Bedeutung von ehrenamtlicher Arbeit hinzuweisen – und vielleicht als Hilfe, das Kino zu erhalten. Eine Hoffnung, die „Häuptling“ Rolf Muck teilte.