Es dämmert bereits, als das schwarze Tuch entfernt und das massive Mahnmal freigelegt wird. Die Doppelwelle aus Cortenstahl wird von unten sanft beleuchtet und das Licht dringt durch die gravierten Silhouetten nach außen. Die Menschen auf dem Mahnmal sind nicht mehr als skizzenhafte Striche, begleitet von ihren Vornamen. Und doch durchdringen sie den Betrachter und prägen sich ein. Eindringlich ist die Botschaft: "Seht her und vergesst nicht." Das Holocaust-Mahnmal an den Bahngleisen unmittelbar neben dem Kulturbahnhof wurde am Samstagabend, 27. September, eingeweiht.
In zwei sich gegenüberliegenden Wellen Cortenstahl hat Designer und Typograf Christoph Sandkötter aus Münster Silhouetten von Menschen aus Halver graviert, die Opfer des Holocaust wurden. Carl Schmidt aus Anschlag, Fritz Schulte aus Oberbrügge, Paula, Hermann Berg aus Hohenplanken oder auch Pfarrer Josef Neunzig.
Eine ganze Seite des Mahnmals ist der Familie Laubinger aus Halver gewidmet. Die Verfolgung der Sinti und Roma zu NS-Zeiten löschte nahezu die komplette Familie aus. Sie alle stehen stellvertretend für viele namenlose Opfer des Holocaust. Und für viele dieser Menschen waren die Schienen am heutigen Kulturbahnhof von schicksalhafter Bedeutung. Von hier fuhren sie in Zügen in Arbeits- und Konzentrationslager, wo sie entweder starben oder Jahre später - vom seelischen und körperlichen Schmerz gezeichnet - zurückkehrten. Christoph Sandkötter sagt über den Standort des Mahnmals: "Der Ort hat eine bedrückende Authentizität: Die Gleise liegen noch, die Deportation ist fast spürbar."
Bürgermeister Michael Brosch konnte am Samstagabend Vertreter von Politik, Schulen und Kirchen am Standort des Mahnmals zur Einweihung begrüßen. Vertreten war zudem Oskar Weiss, Vorsitzender der Sinti Allianz Deutschland, der in einer kurzen Ansprache der Stadt Halver und allen beteiligten Akteuren für die Verwirklichung des Mahnmals dankte. Unter den Gästen war auch Stéphane Wilmotte, Bürgermeister von Halvers Partnerstadt Hautmont. Eine Delegation aus Frankreich ist derzeit im Rahmen der 50 Jahre währenden Freundschaft zwischen beiden Städten in Halver. "Damals trennte Deutschland und Frankreich tiefer Hass, heute feiern wir 50 Jahre Freundschaft", würdigte Brosch. Ebenfalls Teil der Zeremonie war ein Großteil der Familie Laubinger, von denen einige die Feier auch musikalisch begleiteten.
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"Dieser Ort ist schwer aufgeladen mit Geschichte. Hier endete gewaltsam das vertraute Leben einiger Halveraner", sagte Brosch. Sie wurden aus politischen oder religiösen Gründen verfolgt, ermordet, zwangssterilisiert, gebrochen. In seiner Ansprache fand Brosch den richtigen Rahmen, indem er die Gräueltaten des NS-Regimes an Menschen aus Halver skizzierte und ergreifend beschrieb und zugleich die Bedeutung der Geschehnisse einordnete. "Erinnern heißt Verantwortung; für die Gegenwart und für die Zukunft", so Brosch. "Wir schulden den Generationen, dass wir die Wahrheit weitergeben."
Und ohne die Erinnerung sei kein Lernen und keine Zukunft möglich, so Brosch weiter. Zeitzeugen gebe es immer weniger, "umso mehr ist es unsere Aufgabe, Orte wie diesen zu schaffen. Denn auch in unserer Stadt geschah Unrecht." Das Schweigen vieler habe diese Verbrechen erst möglich gemacht, so der Bürgermeister. "Deswegen ist es so bedeutsam, dass wir dieses Mahnmal errichten und uns nicht mit der Geschichte begnügen." Das Mahnmal lehre: "Seid wachsam! Schweigt nicht! Die Würde des Menschen ist unantastbar."
Brosch dankte ausdrücklich Ricardo Laubinger, der das Schicksal seiner Familie bis heute an Schulen und an die Menschen bringt und so gegen das Vergessen der Verbrechen - insbesondere an Sinti und Roma - kämpft. Brosch dankte aber auch Matthias Clever, der in seinem Buch "Vergessene Schicksale" die Verbrechen der Nazis in Halver akribisch aufgearbeitet hatte. Es böte den Grundstein für dieses Mahnmal. Dankend erwähnte Brosch auch Jana Eilhardt, die als Kuratorin der Villa Wippermann gemeinsam mit Clever eine Ausstellung zum Thema ausgearbeitet und angeboten hatte. Und nicht zuletzt Christoph Sandkötter, der mit seinem Entwurf zunächst den Rat der Stadt Halver und in seiner Umsetzung des Mahnmals auch die Gäste am Samstagabend überzeugte.
Wer in den kommenden Wochen das Mahnmal am Kulturbahnhof besucht, kann sich anhand großer Leinwände über die Menschen und deren Leben hinter den Silhouetten informieren.