Mit rund zwanzig Minuten Verspätung begann die Sondersitzung des Ausschusses für Kinder, Jugend, Schule und Soziales am Montag, 3. Mai – ironischerweise wegen technischer Probleme. Als diese jedoch behoben waren, stellte Heike Müller-Bärwolf, Mitarbeiterin des Fachdienstes Rat und Bürgermeister der Stadt Lüdenscheid, das TUMO-Konzept vor.
„Eine Investition in Wissen bringt immer noch die besten Zinsen“ – mit diesem Zitat von Benjamin Franklin eröffnete Müller-Bärwolf ihren Vortrag. Die Stadt Lüdenscheid soll in naher Zukunft von einer solchen Investition profitieren: Hier soll schon bald das erste deutsche TUMO-Center in einer ländlichen Region entstehen. Möglich gemacht wird das durch eine Förderung in Höhe von insgesamt 7,5 Millionen Euro aus dem Investitionsprogramm für Kommunen der Ampel-Koalition.
Das Ausbildungskonzept TUMO
Aber was ist dieses TUMO denn eigentlich? Die Idee und das Konzept stammen aus Armenien, das erste digitale Selbstlernzentrum dieser Art entstand in der Hauptstadt Jerewan. Mit Erfolg: Dieses besuchen, wie Heike Müller-Bärwolf ausführte, mittlerweile rund 15.000 Jugendliche pro Woche. Aktuell gibt es weltweit elf Zentren und sechs TUMO-Boxen.
Ziel und Zweck der Zentren ist es, die digitale Bildung von Kindern und Jugendlichen zu verbessern, und zwar ganz nach ihren individuellen Interessen. Zur Auswahl stehen sollen laut Müller-Bärwolf in Lüdenscheid acht sogenannte Lernpfade – von Robotik über Animation bis hin zu Filmproduktion.
Nachdem sie sich für einen Lernpfad entschieden haben, können die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen im Alter von zwölf bis achtzehn Jahren dann im Selbststudium diesen erarbeiten. „Dabei steigt man wie in einem Computerspiel immer weiter auf – je mehr Aufgaben man bewältigt hat, umso höher das Level, auf dem man eingestuft wird.“ Dieses Prozess, so Müller-Bärwolf weiter, würde von Experten, sogenannten Coaches, intensiv begleitet.
Die erworbenen Kenntnisse können dann anschließend in Workshops und Seminaren vertieft werden, die dann nicht in der für die Gemeinde Schalksmühle angedachten TUMO-Box, sondern im Zentrum in Lüdenscheid unter der Anleitung erfahrener Mentoren stattfinden würden.
Unterschied zwischen TUMO-Zentrum und TUMO-Box
In Lüdenscheid soll ein TUMO-Zentrum entstehen, das den Kindern und Jugendlichen auf allen Ebenen die neuesten technischen Möglichkeiten bietet – bei Hochleistungsrechnern angefangen über Audio- und Videoausrüstung bis hin zu 3D-Druckern.
Die TUMO-Box hingegen, wie Müller-Bärwolf erklärte, ist als Ergänzung des Zentrums zu sehen: Hier können die Teilnehmer im Selbstlernprozess und unter Anleitung der Coaches die Lernpfade absolvieren. Im Anschluss an diesen Prozess wäre ein Wechsel ins Zentrum Lüdenscheid und eine Teilnahme an den dort angebotenen Workshops möglich.
Die TUMO-Box würde, je nach Größe, auf 60 bis 200 Quadratmetern ungefähr zwölf bis dreißig Kindern und Jugendlichen Platz zum Lernen bieten. Denkbar wäre für Heike Müller-Bärwolf ürbigens auch, ein solches Selbstlernzentrum in einem der leerstehenden Ladenlokale der Gemeinde entstehen zu lassen.
Wie stehen die Chancen auf ein digitales Selbstlernzentrum in Schalksmühle?
„Ich möchte mit den Schulen und Vereinen in den Dialog kommen, um die Jugendlichen da abzuholen, wo sie stehen“, betonte Bürgermeister Jörg Schönenberg im Anschluss an den Vortrag von Heike Müller-Bärwolf. Und auch mit den benachbarten Städten möchte er gerne ins Gespräch kommen: „Ich denke, das Thema bewegt sicher die gesamte Region Oben an der Volme, daher würde ich gerne alle Kommunen mit ins Boot holen.“
Klaus Nelius (UWG), meldete Bedenken an: „Ist in Schalksmühle denn überhaupt das Klientel vorhanden? Befinden sich nicht gerade die älteren Schüler eher an anderen Schul- und Ausbildungsstandorten?“
Jan Schriever (FDP) hielt dagegen: „Ich möchte das Projekt als Chance sehen. Gerade mit Blick auf die Lage, in der sich unsere Region durch die Brückensperrung und die vermehrte Abwanderung von Unternehmen aktuell befindet, könnte eine TUMO-Box zum Game Changer werden.“ Außerdem, so Schriever weiter, könne er sich vorstellen, die Altersgrenze „nach oben zu setzen, um das Lernzentrum auch älteren Schülern, Studenten und Azubis zugänglich zu machen.“
Heike Müller-Bärwolf, die das Projekt in Lüdenscheid ebenfalls betreut, stimmte ihm zu: „Auch ich würde die Chance, die sich uns hier bietet, gerne ergreifen. Wenn wir von dem Ruf, dass unsere Region schon zur Abwicklung bereit ist, wegkommen wollen, müssen wir jetzt investieren.“
Auch Jan Jellesma (SPD) sprach sich für die Idee aus: „Ich teile die Euphorie. Das Projekt darf jedoch meiner Meinung nach nicht mit Folgekosten für Hardware verbunden sein, damit wir einen niedrigschwelligen Zugang für alle interessierten, jungen Menschen schaffen können.“ Heike Müller-Bärwolf entgegnete, dass die Anforderungen gar nicht so hoch seien, da überwiegend quelloffene Systeme wie Adobe verwendet würden.
Am Ende wurde der Vorschlag des Bürgermeisters Jörg Schönenberg, über das Projekt zunächst noch einmal intensiver in den einzelnen Fachausschüssen zu beraten, einstimmig angenommen. Nach Abschluss dieser Beratungen – und einer eventuellen Besichtigung des TUMO-Centers in Berlin – soll dann eine Ergänzung zur Beschlussvorlage erstellt und über diese sodann erneut in Hauptausschuss und Rat neu beraten und abgestimmt werden.