Fünf Kandidaten - ein Amt - die Bürger entscheiden. Wer wird Bürgermeisterin oder Bürgermeister in Halver? Am 14. September wissen wir's - sollte es zu keiner Stichwahl kommen. Im Rahmen der Kommunalwahl haben die Halveraner in diesem Jahr die Qual der Wahl. LokalDirekt stellt die fünf Kandidaten in ausführlichen Interviews vor. Was bewegt sie? Welche Ideen haben sie für die Stadt? Wofür stehen sie? Was ist ihr Plan für Halver? Vierter im Interview-Bunde ist Marc Borlinghaus von der AfD.

Die Alternative für Deutschland plant den Einzug in die Kommunalräte im Märkischen Kreis. In Halver gehen "die Blauen" noch einen Schritt weiter und stellen mit Marc Borlinghaus einen Bürgermeisterkandidaten. Der 32-Jährige arbeitet bei der Firma Escha als Konstrukteur für Automatisierungstechnik und bezeichnet sich selbst als "waschechten Halveraner". Im Mai stellte die AfD Marc Borlinghaus als ihren Kandidaten vor. In Sachen Wahlkampf hält sich die AfD bislang bedeckt.

LokalDirekt: Wir treffen uns auf Ihren Vorschlag hin am Lauftreff Büchermühle. Warum? Was bedeutet Ihnen dieser Ort?

Marc Borlinghaus: Wegen dem Grün tatsächlich. Ich gehe hobbymäßig sehr gern Laufen und hier unten finde ich meine Ruhe, hier fasse ich einen klaren Gedanken. Das ist ein Ort der Entspannung für mich.

Sind Sie ein Naturmensch?

Absolut. Aufgewachsen bin ich im Reitstall. Mein Opa war Reitlehrer in Halver. Und wenn ich als Kind nicht in der Schule war, habe ich mich um die Pferde und den Stall gekümmert oder war im Wald.

Mal angenommen, wir sitzen hier in fünf Jahren und Sie sind BM von Halver. Was haben Sie in Halver seitdem verändert im Vergleich zu heute?

Ich habe die Schulden der Stadt gesenkt. Dann möchte ich mehr Gemeinschaft in Halver geschaffen haben, mehr für die Jugend in Halver geschaffen haben. Nicht nur durch Projekte, sondern auch durch Veranstaltungen. Kinder sind recht glücklich hier, ab einem gewissen Alter hält die Jugend aber nichts mehr hier.

Schulden runter – das klingt so schön. Wie machen Sie das?

Der Standardvorschlag: Kreisumlage reduzieren. Ich selbst bin auch Kreistagskandidat auf einem aussichtsreichen Listenplatz. Und an diesem Punkt möchte ich mich auch für die Stadt Halver auf Kreisebene einsetzen. Wie das dann im Einzelnen machbar ist, wird sich im Kreis zeigen. In Halver konkret möchte ich Projekte umsetzen, die für die Stadt mit einem Mehrwert versehen sind. Mit Mehrwert meine ich: Kann dieses Projekt finanziell mehr bringen und bringt dieses Projekt der Gesellschaft mehr.

Können Sie solche Projekte konkretisieren? Das klingt so einfach: Wir finden ein Projekt, das bringt dem Bürger Spaß und der Stadtkasse Geld.

Grundsätzlich Halver attraktiver machen, dass mehr Leute nach Halver kommen: Gastronomie stärken, mehr Unternehmen nach Halver bringen. Neue Firmen in Halver ansiedeln, auch aus anderen Wirtschaftsbereichen und Zukunftstechnologien. Wir sollten es Start-Ups ermöglichen, in Halver schnell Fuß zu fassen um dann in Zukunft durch die Gewerbesteuer mehr Einnahmen zu haben.

Haben Sie denn das Gefühl, dass neue Unternehmen in Halver nicht willkommen sind?

Das würde ich nicht sagen. Die Angebote sind ja da. Es gibt Flächen und durch Insolvenzen auch Räumlichkeiten und Gebäude. Das Problem ist, dass es derzeit sehr herausfordernd ist, als Unternehmer starten zu wollen. Die Kosten sind hoch, die Inflation ist immer noch da, die Wirtschaft stagniert. Und da muss die Stadt für Start-Ups Anreize schaffen. In Form von vergünstigten Raummieten zum Beispiel, um das Risiko zu  minimieren.

Nochmal zurück zur Haushaltslage: Einige große Investitionen dulden keinen Aufschub mehr – Stichwort Schulen, Feuerwehr Oberbrügge und Baubetriebshof. Wie gehen Sie das an? Würden Sie die Steuern erhöhen?

Steuererhöhungen sind keine gute Sache. Wenn es nicht zwingend nötig ist, ist das keine Option. Vielmehr würde ich die gerade angesprochenen Projekte als Chance sehen, zusätzliche Einnahmen zu generieren. Das heißt,  wenn wir Gebäude sanieren oder neu bauen, sind wir in einer Grundplanung. Bedeutet, wir setzen auf das Dach Solarenergie. Allerdings nicht gezielt um nur Strom zu produzieren, sondern um den produzierten Strom sinnvoller einzusetzen. Ich bin selber auf dem Krypto-Sektor unterwegs und das bietet viele Möglichkeiten. Das bedeutet, man kann, durch Stromüberschüsse, die man produziert, Bitcoins generieren. Die Stadt Halver könnte sich dann also als Geldquelle eine Bitcoin-Reserve aufbauen.

Was sind Ihre konkreten Schwerpunkte im Wahlkampf? Aus Ihrem Youtube-Video gehen keine konkreten Themen hervor. Vielmehr bedienen Sie sich wohlklingender aber inhaltsloser Formulierungen. Die AfD in Halver hat bislang kein Wahlprogramm vorgelegt.

Kosten optimieren, Radwege ausbauen, Straßensanierung ausbauen, mehr für die Jugend schaffen und generell den Fokus auf die Natur legen.  Das sind unsere Kernpunkte. Wir verteilen aktuell auch Wahlflyer mit genaueren Informationen zum Nachlesen.

Hört sich nicht nach einem typischen AfD-Kandidat an. Warum sind Sie überhaupt bei der AfD? Was ist Ihr politischer Werdegang?

Ich war früher FDP-Wähler. Habe auch bei der vorletzten Bundestagswahl noch FDP gewählt, in der Hoffnung, dass es mehr Richtung Digitalisierung geht, mehr Prozesse verschlankt werden, Bürokratieabbau. Und dann hat mich, auch ausgehend von der Coronapandemie, die Politik der FDP enttäuscht. Von der CDU habe ich mich nie angesprochen gefühlt, von der SPD noch weniger. Und dann blieb nur die AfD.

Was hat Sie da überzeugt?

Die AfD spricht Probleme an und bietet konkrete Lösungen. Man hat das Gefühl – gerade auch in den Medien - dass Probleme, wenn man sie anspricht, in eine Richtung geschoben werde. Nach dem Motto „Du bist Rechts, Du bist das böse N-Wort“…

Sind Sie aber nicht?

Ich bin überhaupt kein Nazi. Um Gottes Willen. Ich kenne auch keinen. Auch nicht in der Partei. Da sind nur besorgte Bürger, die sich von der Politik nicht mehr vertreten fühlen.

Sind Sie denn wirklich besorgt? Oder fühlt es sich nur gut an, eine Art Außenseiterrolle einzunehmen?

Nein, das ist einfach Politik. Wir fühlen uns von den Themen der AfD angesprochen. Wie übrigens immer mehr Menschen.

Aber die Themen, die Sie gerade als Schwerpunkte angesprochen haben, die verbindet man in erster Linie nicht mit der AfD und die sind in Halver auch nicht neu und zum Teil schon in der Umsetzung. Die haben andere Parteien auch auf ihrer Agenda. Warum also sollten Bürger die AfD in Halver wählen?

Weil wir die Themen nochmal besser anfassen. An vielen Stellen ist noch nicht genug passiert.

Gerade das Thema „Fahrradwege“ ist nicht neu in Halver und wird – auch interkommunal – von der Politik seit Langem eingefordert. Entsprechende Ratsbeschlüsse sind dahingehend gefasst. Es hapert auch an überörtlichen Stellen wie Straßen.NRW.

Innerstädtisch sehe ich da aber immer noch Handlungsbedarf in vielen Bereichen. Halver hat beim Fahrradklimatest ja auch extrem schlecht abgeschnitten. Da kommen die Leute zu uns und fordern bessere Verbindungen – auch nach Oberbrügge.

Soll das Fahrrad in Halver das Auto ersetzen können oder bleibt es für Sie bei einer Freizeitbeschäftigung?

Gerade wenn man in Halver wohnt, ist man auf ein Auto angewiesen. Das Fahrrad wird in Halver niemals das Auto ersetzen können. Und das wollen wir auch gar nicht. Aber Halver hat eine wunderschöne Natur und das kann auch ein Anreiz sein für Menschen von außerhalb nach Halver zu kommen. Dann sitzen sie hier im Café und lassen Geld in unserer Gastro.

Sie nutzen in Ihrem Video auf YouTube das Wort „Tradition“ – welche Tradition wollen Sie in Halver schützen?

Die werden ja alle bewahrt. Wir wollen damit nur ganz klar sagen: Wir bleiben dabei.

Bei was?

Bei den Fanfaren, der landschaftlichen Tradition, der Natur, unsere Heimat bewahren.

Wodurch grenzen Sie sich von Ihren Mitbewerbern ab? Was haben Sie, was die anderen nicht haben, was haben die anderen, das Sie nicht haben?

Erstmal bin ich der Jüngste. Und ich bin mein Leben lang in Halver gewesen. Halver ist meine Heimat, in der ich mit anpacken möchte.

Haben Sie denn keine Schwächen?

(Überlegt lange) Gute Frage… Ich bin oftmals sehr geizig.

Sie fordern in einem Video ganz pauschal, dass in Halver „mehr getan werden muss für die Bürger“. Sie sagen darin: „Stell ein Bier hin, mach Musik an und die Halveraner sind glücklich.“ Und Sie wollen LAN-Partys mit dem Egoshooter-Spiel „Counter Strike“ veranstalten. Ist der Halveraner so einfach gestrickt? Ist das der Weg zum Bürgermeister-Sessel?

Angebote zu schaffen, wie die LAN-Partys, ist schon eine Sache, die es so in Halver bislang nicht gegeben hat. Das wird garantiert einige Leute abholen. Das ist ein Teamspiel, da kommt man in einer großen Halle zusammen. Ein örtlicher Lieferdienst kann das sicherlich unterstützen. Einfach mal was anderes. Wobei ich nicht sagen will, dass der Status Quo schlecht ist. Aber warum wird die Bühne am Alten Markt nicht wieder mehr genutzt?

Aber von Veranstaltungen allein ist eine Kommune nicht erfolgreich und die Bürger nicht glücklich. Zum Bürgermeister-Auftrag gehört einiges mehr.

Ja sicher. Meine anderen Themen habe ich ja schon angesprochen. Natürlich gehört zum Bürgermeister-Amt auch die Schnittstelle zwischen Politik und Verwaltung.

Richtig. Als Bürgermeister wären Sie Verwaltungschef, nicht Parteisoldat. Können Sie das?

In dem Moment sehe ich mich auch nicht als AfD-Politiker. Sie haben ja schon richtig angemerkt, dass unsere Kernpunkte nicht die typischen AfD-Themen sind. Ich glaube, das ist aber auch ein Trugschluss, weil die AfD auf der kommunalen Ebene noch nicht sehr stark vertreten ist. Das heißt, man weiß noch gar nicht, was die AfD am Bürger direkt kann. Und Kompromissbereit war ich schon mein Leben lang. Und als zukünftige Fraktion wollen wir auch niemanden ausschließen. Das passiert ja oft mit AfD-Politikern. Das ominöse Thema „Brandmauer“. Das hilft uns aber in einer Demokratie nicht weiter. Wir wollen alle nur das Beste für unseren Ort. Was das Beste ist, sieht natürlich jeder anders.

Welche konkreten Maßnahmen muss die Stadt ergreifen, um dem Klimawandel zu begegnen?

Den Klimawandel gab es schon immer. Das Klima ist permanent im Wandel.

Aber die Geschwindigkeit der Veränderungen, des Wandels, hat in den vergangenen 80 Jahren enorm angezogen – sagt die Wissenschaft.

Wissenschaft lebt ja vom Diskurs, das heißt, die einen sagen so, und die anderen so. Es gibt immer verschiedene Thesen und es ist immer offen, was richtig ist.

Aber es gibt doch belastbare Daten.

Nein.

Glauben Sie an den menschengemachten Klimawandel?

Der Mensch hat schon aufgrund der Industrialisierung Einfluss, die Frage ist, wie groß der Einfluss durch Deutschland oder eine Stadt wie Halver ist. Stichwort Technologieoffenheit – da sehe  ich Lösungen, CO2-neutraler unterwegs zu sein und weniger Schadstoffe auszustoßen.

Fahren Sie ein E-Auto?

Nein, aber ich bin zu Fuß hier. Aber Klimaneutralität muss finanziell möglich sein. Es bringt nichts, auf Pump jetzt Vorschriften zu erlassen, die Gebäudeeigentümer dazu zwingen, zu sanieren. Es bringt nichts, Wälder abzuholzen, um ganze Flächen voll mit Solaranlagen und mit Windkraftenergie zu packen. Wir in Deutschland sind nicht die Hauptverursacher der Emissionen, sondern China und die USA.

Tragen wir denn nicht auch Verantwortung?

Tun wir doch. Ich finde wir sind schon bei vielen Themen Vorreiter. Aber man darf das nicht bei den Menschen mit aller Gewalt durchprügeln. Ich plädiere für Technologieoffenheit. Und ich finde es nicht richtig, dass die Stromversorgung die Alleinaufgabe einer Kommune sein soll. Als in der Vergangenheit noch alle Atomkraftwerke in Deutschland liefen, war die Versorgung auf einzelne Bereiche in Deutschland verteilt. Und jetzt soll jede Kommune autark sein. Das empfinde ich als schwierig. Wir brauchen eine grundlastfähige Stromversorgung. Da ist aber die Bundesregierung gefragt.

Also keine Windkraft mit der AfD in Halver?

Richtig, sie ist nicht grundlastfähig. Die Anlagen laufen nicht permanent. Nicht so, wie es bislang angedacht ist.

Was sagen Sie heute den Menschen, die wegen Ihrer Partei Angst haben?  Vor Ausgrenzung, vor Hass, vor Abwertung?

Die können gerne auf mich zukommen. Ich bin offen für alle Gespräche, egale welche Nationalität, egal welche politische Gesinnung. Oft ist es ein Stigma. Teilweise auch durch geschürten Hass auf Medienportalen oder auf Social Media. Ich bewerte die Meinung anderer nicht.

Bewertet die AfD die Meinung anderer?

Ist mir nicht bekannt.

Es ist schwierig, etwas über die AfD-Wahlkreiskandidaten herauszufinden. Sie erscheinen ohne Foto in unserer Vorstellung, treten auch ansonsten öffentlich wenig bis kaum auf. Warum?

Es war grundsätzlich auch erstmal schwierig, Leute für die Liste zu finden aufgrund des politischen Stigmas gegen die AfD. Das heißt, wir haben alle Freiwilligen zusammenbekommen, die sich in die Öffentlichkeit trauen. Das war ein mutiger Schritt, denn einige haben ihren Job verloren aufgrund der gesellschaftlichen Ausgrenzung.

Grenzt die AfD gesellschaftlich niemanden aus? Fühlen Sie sich von der Gesellschaft ausgegrenzt?

Ich selber grenze niemanden aus. Ich selber habe es bei den ein oder anderen im Bekanntenkreis mitbekommen. Da wurde der Kontakt abgebrochen, als das Umfeld wusste, dass sie in der AfD aktiv sind. Ich habe nie einem Menschen den Anlass geben, so über mich urteilen zu können.

In Halver soll ein Mahnmal für NS-Opfer errichtet werden. Ein Kapitel in der deutschen Geschichte, das die AfD schon mehrfach öffentlich geleugnet hat. Wie stehen Sie dazu?

Da wird gar nichts geleugnet. Die war da. Mein Ur-Opa wurde zwangsrekrutiert, bis nach Russland gebracht und ist dort gestorben. Ich weiß: Kein AfD-Mitglied hat nicht irgendwo in der Familie eine Person, die nicht unter den Nazis gelitten hat. Und da wollen wir auch nie wieder hin.

Welche Schlagzeile würden Sie in fünf Jahren gerne über Ihre Amtszeit lesen?

War ne gute Alternative.

Und welche lieber nicht?

War ne schlechte Alternative.

Begründen Sie, warum ausgerechnet Sie der perfekte Bürgermeister für Halver sind. Sie haben 60 Sekunden Zeit.

Hinweis der Redaktion

Die Interviews mit den Bürgermeisterkandidaten/innen erscheinen an drei Wochenenden. Es ging los mit Armin Kibbert (SPD) am 9. August, es folgte Sascha Gerhardt (CDU) am 10. August. Am 16. August ging es weiter mit Sina Löschke (Grüne), gefolgt von Marc Borlinghaus (AfD) am 17. August. Den Schluss bildet das Interview mit Tula Pak (parteilos) am 23. August.

Reaktionen auf die Interviews sind möglich per Mail an [email protected]

Wir weisen zudem auf die Podiumsdiskussion mit allen Kandidaten und Kandidatinnen hin. Diese findet am Donnerstag, 4. September, um 18.30 Uhr in der Aula des AFG statt.