Fünf Kandidaten - ein Amt - die Bürger entscheiden. Wer wird Bürgermeisterin oder Bürgermeister in Halver? Am 14. September wissen wir's. Im Rahmen der Kommunalwahl haben die Halveraner in diesem Jahr die Qual der Wahl. LokalDirekt stellt die fünf Kandidaten in ausführlichen Interviews vor. Was bewegt sie? Welche Ideen haben sie für die Stadt? Wofür stehen sie? Was ist ihr Plan für Halver? Heute stellen wir Sina Löschke vor. Die 47-Jährige ist Kandidatin von Bündnis 90/Die Grünen.

Sina Löschke ist im politischen Halver keine Unbekannte mehr. Die 47-Jährige ist seit fünf Jahren engagiert, zunächst als sachkundige Bürgerin, seit drei Jahren als Ratsmitglied für Bündnis 90/Die Grünen. Im März ließ sie sich offiziell als Bürgermeisterkandidatin aufstellen, wirbt seitdem aktiv für ihre Kandidatur - nicht nur im direkten Kontakt mit den Bürgern, sondern auch und vor allem digital.

Geboren ist Sina Löschke am 22. November 1977 in Templin im nördlichen Brandenburg. Vor neun Jahren kam sie nach Halver, hier lebt sie ländlich gemeinsam mit ihrer Frau. Sie ist Journalistin, Autorin und Medientrainerin und arbeitet seit mehr als 14 Jahren in der Klima- und Meeresforschung. Für den Weltklimarat (IPCC) hat Sina Löschke die internationale Öffentlichkeitsarbeit mitgestaltet.

In ihrer Freizeit ist Sina Löschke Fußballtrainerin, fährt gern Rad, joggt und engagiert sich in der Lokalpolitik.

LokalDirekt: Als Treffpunkt haben Sie den Fußballplatz am Kreisch gewählt. Wieviel bedeutet Ihnen dieser Ort?

Sina Löschke: Ich bin 2015 nach Halver gezogen und sofort beim Kinderfußballtraining am Kreisch eingestiegen. Somit war der Sportplatz meine erste, regelmäßige Anlaufstelle und ist bis heute der Ort, an dem ich viel Zeit verbringe und wo ich auch ganz viel in Kontakt mit Menschen komme. Und zwar, wie es bei einem Fußballverein oftmals die Regel ist, mit Menschen aus ganz verschiedenen sozialen Schichten, Menschen, die alle Facetten unserer Stadt und darüber hinaus repräsentieren.

Beschreiben Sie sich selbst in drei Wörtern. Ohne weitere Erklärung.

Sehr direkt, ehrgeizig, lösungsorientiert.

Was bringt Sie zum Lachen?

Die Kabarettistin, Schauspielerin und Sängerin Maren Kroymann. Generell kluger Humor.

Was macht Sie wütend?

Achtloser Umgang mit unseren Lebensgrundlagen, mit Natur, Energie, also die Verschwendung von Ressourcen.

Sina Löschke - Bürgermeisterkandidatin von Bündnis90/Die Grünen.
Foto: Martin Donat / Bündnis90/Die Grünen

Junge Menschen sagen: „Hier ist nichts los.“ – Stimmt das? Und wenn ja, nennen Sie mögliche Lösungsansätze.

Es kommt auf die Interessenlagen an. Wenn ich mich als junger Mensch mit Gleichaltrigen treffen möchte, um gemeinsam Zeit zu verbringen, dann mag das im Sommer noch gehen. Da hat man zum Bespiel die Herpine. Aber an sich stimmt die Aussage, wenn es darum geht, die Teenagerzeit auszuleben. Vor allem für die, die älter als 12 sind.

Es gibt keine Anlaufpunkte, die nicht vereinsbedingt organisiert sind, wo sich Jugendliche einfach mal treffen können, wo vielleicht auch mal ein bisschen Musik läuft und wo sie auch nicht immer überwacht werden.

Wobei ich auch ehrlich sein muss, dass ich nicht unbedingt weiß, wie so ein Ort aussehen muss, den sich Jugendliche heute wünschen. Da bin ich mit meinen 47 Jahren auch viel zu weit weg. Also, wenn es um Lösungen geht, würde ich immer sagen, ich setze mich mit denen zusammen, um die es geht und erfrage erst mal genau, was sie wollen, denn man weiß ja auch, dass die Konzepte der offenen Jugendarbeit, also die Idee der offenen Tür, in diesem Alter nicht mehr unbedingt funktionieren.  

Apropos junge Leute. Immer wieder wird die mangelhafte Anbindung der Stadt an den öffentlichen Personennahverkehr kritisiert. Auch im Wahlprogramm der Grünen ist die Verbesserung des ÖPNV ein Thema. Wie könnte eine Lösung Ihres Erachtens nach aussehen und wie soll die bezahlt werden?

Es gibt ja klare Regeln, wie der ÖPNV verbessert werden kann. Neue Bedarfe müssen erst einmal in den Nahverkehrsplan des Märkischen Kreises. Das haben wir mit unserem Antrag, den die Stadt mit allen Punkten an den Märkischen Kreis weitergegeben hat, jetzt versucht. Teile unserer Forderung sind in diesem Plan auch übernommen worden.

Es steht auch ganz deutlich drin, dass die Busverbindung nach Wipperfürth, das ja zum Oberbergischen Kreis gehört, verbessert werden soll. Das ist ein großer Wunsch vieler Halveraner, weil Kinder dort zur Schule gehen oder Freunde treffen wollen.

Da aber der Oberbergische Kreis keine eigene Stellungnahme zum Nahverkehrsplan des Märkischen Kreises abgegeben hat, wird es schwierig, überhaupt eine Lösung zur Verbesserung des kreisgrenzenüberschreitenden Verkehrs zu finden. Das heißt, da müssen die Stadt und die MVG mit dem Oberbergischen Kreis in Kontakt treten, um zu sehen, was da möglich ist.

Ja, die Frage der Finanzierung ist das Wichtigste. Wir müssen sagen, wahrscheinlich lassen sich nicht alle Verbesserungen des Nahverkehrs finanzieren, aber man muss dann Prioritäten setzen.

Was wären die Prioritäten?

Da müsste man die Daten prüfen, um zu sehen, ob wir tatsächlich eine Verbindung nach Remscheid brauchen, weil viele dorthin zur Arbeit oder zum Einkaufen wollen. Oder ist doch die Linie nach Wipperfürth wichtiger. Solche Entscheidungen kann man aber nicht aus dem Bauch heraus treffen.

Aber das entspricht auch meiner Herangehensweise. Ich würde erst mal die Zahlen prüfen und dann fakten- und wissensbasiert eine Aussage treffen. 

Leere Ladenlokale im Ortskern. Wie könnten die Stadt und Sie als Bürgermeisterin Halver wieder attraktiver für Einzelhändler machen.

Ich glaube - auch wenn nicht alle Halveraner das gerne hören - dass eine Verkehrsberuhigung in der Innenstadt dazu beitragen würde, dass sich mehr Menschen dort aufhalten. Und zwar nicht nur, weil sie da durchmüssen, sondern weil sie dann in kleine Cafés gehen, weil dort Tische und Stühle draußen stehen, wo man gut sitzen kann.

Man sieht ganz gut am Kulturbahnhof und dem Café Liese, dass die Leute sich inzwischen mehr in diesem Gebiet aufhalten. Ich glaube, man kann das erweitern, indem die Frankfurter Straße wirklich von der Villa Wippermann bis zum Kirchenkreisel beruhigt wird. Eine Alternative könnte sein, dass der Autoverkehr nur noch in eine Richtung fahren kann und der Rest der Straße als Fahrradweg ausgelegt ist. Das würde dann schon die Lebens- und Aufenthaltsqualität steigern.

Als zweiten Pfeiler muss man natürlich Konzepte dazu entwickeln, mit welchen Angeboten man die Menschen auch wirklich in der Stadt halten kann. Dazu muss geklärt werden, was die Menschen wollen.  

Man darf dabei auch nicht vergessen, dass viele der Häuser dort gar nicht Halveranern gehören. Die Mieten werden stellenweise woanders festgelegt. Das heißt, wir reden hier über Privateigentum und über Vertragssachen, auf die die Stadt nur begrenzt Einfluss hat.

So muss man auch hier alle an einen Tisch holen. Man muss sich überlegen, wer würde Räume gerne mit welchen Angeboten nutzen, welche Konditionen bietet der Markt und kann man diese Konditionen durch gemeinschaftliche Absprachen verändern.

Sina Löschke - Bürgermeisterkandidatin von Bündnis90/Die Grünen.
Foto: Martin Donat / Bündnis90/Die Grünen

Als dritten Pfeiler muss natürlich auch das Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass die Angebote vor Ort auch von den Einwohnern genutzt werden. Aber man darf nicht vergessen, dass der Einzelhandel marktwirtschaftlichen Gesetzen unterliegt. Da ist es als Stadt wahnsinnig schwer, irgendwas zu unternehmen, solange die Ladengeschäfte in Privatbesitz sind und solange Bedarfe und Angebote privatwirtschaftlich geregelt werden. Ich kann mich ja als Stadt nicht hinstellen, und jedem etwas vorschreiben.

Was auf keinen Fall passieren darf, ist Ladengeschäfte leer stehen zu lassen. Denn bestehender Leerstand bringt eine Tristesse zum Ausdruck, die es den bestehenden Geschäften noch schwerer macht, weiter zu überleben. Dann müssten zumindest übergangsweise Lösungen gefunden werden. 

Wie stehen Sie zum Neubau des Feuerwehrgerätehauses für Oberbrügge auf dem Biohof Wolf? Wie dringend ist der Bedarf, wie kann er finanziert werden?

Am Bedarf zweifelt niemand. Wir haben uns als Fraktion auch das alte Gebäude angeschaut und lange mit den Feuerwehrvertretern gesprochen. Das jetzige Gebäude kann so nicht weiter genutzt werden.

Ich stehe aber auch weiterhin felsenfest zum gemeinschaftlichen Beschluss unseres Rates, einen Arbeitskreis zu bilden, und in diesem gemeinsam über Bedarfe und eine maßvolle Planung zu beraten. Ich halte überhaupt nichts davon, jetzt den Eindruck zu erwecken, als hätten wir viel Geld, mit dem wir einen Bau finanzieren könnten.

Bei unserer aktuellen Haushaltslage, und die wird in Zukunft auch so bleiben, müssen wir genau schauen, was brauchen die Feuerwehrleute in Oberbrügge wirklich, um ihre Arbeit zu verrichten.

Was davon lässt sich eventuell durch die anderen Löschzüge, die ja gut funktionierende Standorte haben, aufgreifen, also wo lassen sich Synergien entwickeln und welche Wünsche können wir eventuell nicht erfüllen, weil sie einfach nicht finanzierbar sind.

Wichtig ist, dass wir gemeinsam entscheiden und dass sich dann auch alle an diese Entscheidung halten.

Und wie stehen Sie zur Standortsuche für einen neuen Bauhof für die Stadt? Ist Leifersberge für Sie die beste Wahl?

Leifersberge scheint der vielversprechendste Standort für den geplanten neuen Bauhof zu sein. Wir haben uns im Rat deshalb darauf geeinigt, die Planungen für diesen Standort so weit voranzutreiben, dass wir die Projektkosten genauer beziffern können. Maximal sechs Millionen Euro darf der Neubau kosten. Diesem, von uns Grünen vorgeschlagenen Budgetrahmen hat der Rat zugestimmt, und zwar einstimmig. Was sich für diese Summe auf dem Grundstück im neuen Gewerbegebiet realisieren lässt, wird sich zeigen. Fest steht, die Mitarbeitenden des Bauhofes brauchen ein neues Domizil. Unsere leere Stadtkasse verpflichtet uns allerdings auch, so effizient, nachhaltig und bescheiden wie möglich zu bauen. Alles andere würde den hohen Schuldenberg unserer Stadt weiter sprunghaft anwachsen lassen. Ich bin aktuell hoffnungsvoll, dass wir gemeinsam eine bescheidene und dennoch gut funktionierende Lösung finden werden – selbst wenn einige der ursprünglich gewünschten Räume oder Funktionen erst einmal nicht realisiert werden können.

In der letzten Ausschusssitzung Bildung und Jugend wurde festgestellt, dass die Geburtenzahlen rückläufig sind und dadurch zukünftig weniger Eingangsklassen gebildet werden können. Sehen Sie darin eine Gefahr und was könnte die Stadt tun, um mehr Familien nach Halver zu ziehen?

Ich vertraue hier auf die Analyse von Kai Hellmann, dass selbst durch rapide Rückgänge bis 2032 keine Schulschließungen oder große Veränderungen notwendig sein werden. Unsere Klassen können kleiner werden, was ja gut ist, denn im Moment sind sie zu groß. Auch durch jahrgangsübergreifenden Unterricht kann man in Oberbrügge die Gebäude und das Personal erst einmal erhalten.

Wir arbeiten ja gegen den Bevölkerungsschwund an. Ich habe die große Hoffnung, dass wir durch die geplanten Wohnungsneubauprojekte auf dem ehemaligen Kostalgelände sowie beim alten Lidl zeitnah über deutlich mehr kleinere und bezahlbare Wohnungen verfügen. Der Grund dafür ist, dass wir es alleinstehenden, älteren Halveranern ermöglichen müssen, aus ihren großen Häusern – wenn sie es wollen oder sie ihre Häuser nicht mehr halten können – auszuziehen und in kleinere, bezahlbare Wohnungen umzuziehen. So würden Ein- oder Zweifamilienhäuser frei für Familien mit Kindern.

Ich weiß auch aus eigener Erfahrung, wie teuer es ist, ein Haus zu unterhalten. Und wenn ich nur eine kleine Rente bekomme, kann ich mir vieles davon nicht leisten.

Wichtig ist, darüber nachzudenken, wie möchte ich wohnen und kann ich mir auf Dauer leisten, weiterhin so zu wohnen, wie ich es aktuell tue. Oder gibt es gute, bezahlbare Alternativen für mich, die stadtnah, modern und altersgerecht sind?

Generell bin ich aber gegen die Ausschreibung von Neubaugebieten auf der grünen Wiese, denn ich glaube nicht, dass man damit neue Familien herholen und als Stadt Geld verdienen wird.

Welche weiteren Herausforderungen sehen Sie in der Stadt aktuell?

Dazu habe ich drei Themen. Das erste ist die Wärme- und Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen, also die gesamte Energiewende. Die ist auch wichtig für unsere lokalen Unternehmen. Wir müssen sehen, dass wir Strom lokal zu berechenbaren Preisen erzeugen und lokal nutzen.

Ich glaube zum Beispiel, dass die geplante Photovoltaik-Anlage nördlich des Gewerbegebietes Oeckinghausen genau das ist, was die Unternehmen brauchen, um Planungssicherheit zu haben. Das ist erneuerbarer Strom mit direkter Versorgung, mit langfristigen Verträgen, über vergleichsweise günstige Preise.

Dort werden Batterien errichtet, die in Zeiten, in denen der Strom besonders günstig ist, geladen werden, selbst wenn die Sonne nicht scheint. Das heißt, wir haben dort einen Anbieter, der auf Basis neuester Möglichkeiten Versorgungssicherheit anbietet. Und das ist das, was wir sowohl für die Unternehmen, als auch langfristig für Einzelhaushalte brauchen.

Mein zweites großes Thema ist die Klimaanpassung. Uns sterben gerade die ganzen Bäume in der Stadt weg. Wir haben im Sommer, an heißen Tagen, ein Hitzeproblem in der Stadt, weil so viel versiegelt ist.

Wir haben bei Starkregen auch nicht überall Flächen, auf denen der Regen versickern kann, sondern wir haben in den letzten Jahrzehnten darauf hingearbeitet, dass möglichst alles in die Kanalisation fließt. Das heißt, wir haben ein Dürre- und Trockenheitsproblem. Die Folgen dieser vielen, selbst verursachten Umweltprobleme werden uns in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren hart treffen.

Sina Löschke - Bürgermeisterkandidatin von Bündnis90/Die Grünen.
Foto: Martin Donat / Bündnis90/Die Grünen

So gesehen müssen wir da ganz viel machen. Ich drücke fest die Daumen dafür, dass die Förderung für die klimaangepasste Umgestaltung des Schulhofes der Regenbogenschule durchgeht. Und wir brauchen das gleiche für die Spielplätze an den Kindergärten. Wir brauchen mehr Begrünung für das AFG und für unsere Straßenflächen in der Innenstadt. Wir brauchen sie am ZOB an der Sparkasse. Die Versiegelung dort ist eine mittlere Katastrophe.

Es wird enorm wichtig, mit naturbasierten Maßnahmen Vorkehrungen für Kühlung, Schatten und erträgliche Temperaturen in der Innenstadt zu treffen, so dass Menschen auch weiterhin rausgehen können. Wir sind eine alternde Stadt. Und ältere Menschen treffen Hitze und Schwüle ganz besonders.

Der dritte Punkt, den ich angehen möchte, auch wenn ich weiß, dass uns die Bürokratie große Hürden in den Weg stellen wird, ist die Verkehrswende. Wir müssen unsere Stadt viel fußgänger- und radfahrerfreundlich machen. Das war bisher überhaupt keine Priorität. Da braucht es viel Kreativität und Mut, aber ich denke, es ist vieles möglich.

Was würden Sie da zum Beispiel machen?

Zum Beispiel sollte die Frankfurter Straße im Innenstadtbereich maximal einspurig befahren werden, damit Platz bleibt, dass Fahrrad- und E-Bike-Fahrer nicht auf den Fußweg ausweichen müssen, denn so ist es im Moment.

Wenn wir wollen, dass sich viele Menschen in der Innenstadt aufhalten und wir das Zentrum lebendig gestalten wollen, müssen wir sicherstellen, dass ich als Fahrradfahrer nicht den Fußgängern in die Quere komme. 

Sie wollen, dass Energie bezahlbar bleibt. Wie genau wollen Sie das machen?

Zum Beispiel, wie schon erwähnt, durch lokale Erzeugung von Strom mit direkten Modellen, zum Beispiel wie in Oeckinghausen mit Langzeitverträgen für die Unternehmen oder auch der Möglichkeit für Bürger, sich dort zu beteiligen.

Der Betreiber dieser Photovoltaik-Anlage tritt dann auch als Anbieter für den erzeugten Strom auf. Alles, was ich bisher über dieses Projekt gehört habe, macht für mich Sinn. Es ist auf dem letzten Stand des Wissens und der Machbarkeit. Ich arbeite ja in der Klima- und Energiebranche und finde ich dieses Projekt richtig gut. Und ähnliche Modelle sollte es noch viel mehr geben.

Wir werden ja hoffentlich die Windräder bekommen, bei denen ja vielleicht auch Bürgerbeteiligungsmodelle möglich sind. Nicht nur im Sinne von Investitionen und Dividenden, sondern auch für Unternehmen mit Direktleitungen, so dass hier vor Ort Strom erzeugt und genutzt wird und die Menschen über langfristige Verträge profitieren. Ansonsten kann man die Energiepolitik als Lokalpolitiker aber nicht beeinflussen. Das muss man ehrlich sagen.

Sie wollen eine barrierearme Innenstadt fördern. Was genau soll da verändert werden?

Wenn es heißt „barrierearm“ denkt jeder sofort daran, dass Menschen auch mit Rollstuhl und Rollator überall hinkommen. Das ist natürlich wichtig, aber da hat der Bürgermeister ja in seinen beiden Amtszeiten schon viel gemacht.

Für uns ist wichtig, dass man überall gut mit dem Fahrrad oder zu Fuß hinkommt. Dass man eine Bank hat, auf der man sich ausruhen kann, dass die Innenstadt einladend ist.

Uns geht es vor allem darum, dass es viele Möglichkeiten gibt, wo Menschen sich treffen können. Ein gutes Beispiel ist der neue Spielplatz. Da sind Bänke, da kommt jeder hin. Man sieht Menschen aus allen Schichten, aus allen Kulturen.

Wir wollen das Wort „barrierearm“ einfach viel weiterdenken, als nur in Rollstuhlkanten. Wichtig ist, und das meine ich total ernst, dass sich die Bürger der Stadt, wenn sie sich über etwas ärgern, bei den Verantwortlichen, also der Stadtverwaltung oder den Fraktionen, melden, damit wir eine Lösung finden können.

Ärzteprogramm. Ein Konzept soll Mediziner nach Halver locken. Gibt es da schon konkrete Ideen ?

Wir wissen, dass Halver ein enormes Problem hat, was die ärztliche Versorgung betrifft. Im Rat wurde deshalb ja beschlossen, dass es einen Förderzuschuss für Praxisneugründungen gibt. Ich glaube nur, dass wir uns als Stadt fragen müssen, ist es uns wert, selbst ein medizinisches Zentrum betreiben? Das kostet richtig Geld. Die Frage ist, ob wir uns das leisten können und leisten wollen.

Aber Sie wollen, dass junge Familien nach Halver ziehen. Wenn es hier keinen Kinderarzt gibt, ist das für viele ein Ausschlusskriterium.

Aber auch hier müssen wir schauen, was brauchen junge Ärzte, um sich im ländlichen Raum mit einer Praxis niederzulassen. Wir haben jetzt schon den Förderzuschuss und die Stadt wird bei der Suche nach Räumlichkeiten und Grundstücken unterstützen. Ich glaube aber auch, dass die Stadt als Mittler für Gemeinschaftspraxen auftreten kann.

Es ist ja auch die Frage, ob interessierte Ärzte eine Kassenzulassung für Halver bekommen. Aber auch hier kann die Stadt bei Gesprächen mit der kassenärztlichen Vereinigung unterstützen. Sie kann bei den Verantwortlichen deutlich machen, dass wir ein akutes Versorgungsproblem haben. Ich würde mich dafür in die Bresche werfen.

Sportplatz an der Karlshöhe. Was genau wünschen Sie sich dort und wie sehen Sie die Chance für eine solche Maßnahme?

Um eine Lösung für die Karlshöhe zu finden, wie ich es mir wünschen würde, ist es nötig, dass sich alle Verantwortlichen, also sowohl die Sportvereine, als auch die offene Jugendarbeit und Interessenten, die den Skate- und Bikepark nutzen, plus Politik, plus Stadtverwaltung an einen Tisch setzen.

Es braucht ein gemeinschaftliches Konzept, wie der Sportplatz und der Skate- und Bikepark gut miteinander kombiniert und vor allem betreut, gewartet und gepflegt werden können.

Ich persönlich wünsche mir, dass das nicht nur etwas ist, was zwischen den Sportvereinen ausgehandelt wird. Denn jemand, der nicht in einem Verein organisiert ist, kann ja zeitlich nur sehr begrenzt auf den Sportplatz kommen.

Wir haben dort einen tollen Platz in zentraler Lage und ich finde, dass allen, die in Halver Sport treiben, daran gelegen sein muss, dass dieser Platz nicht nur für die Vereine, sondern für jeden anderen Sportbegeisterten nutzbar gemacht werden muss.

Meine Idee war, ob man es vielleicht schafft, das Vereinsheim, dass dort ja im Moment von Phoenix betrieben und verwaltet wird, auch zu öffnen. Vielleicht an drei Nachmittagen in der Woche, wenn der Platz sowieso frei ist. Ob dann nicht Jugendliche dort ihre Zeit verbringen können.

Dass es jemanden braucht, der sich kümmert und vor Ort ist, das ist ohne Zweifel. Darüber bin ich mir auch einig mit allen, die zurzeit darüber nachdenken, was mit dem Platz gemacht werden kann. Aber ich glaube, dass wir noch viel ungenutzte Potentiale dort haben und wenn alle mal gemeinsam nachdenken und nicht nur bis an ihren Tellerrand. Dann kann da eine Lösung bei herauskommen, die viele noch überraschen wird. Aber es braucht halt die Bereitschaft.

Die Chancen, dass daraus etwas wird, stehen gut. Die Stadtverwaltung hat uns versprochen, dass es ab September einen neuen Workshop mit allen Beteiligten geben wird, in dem gemeinschaftlich darüber nachgedacht wird. Wenn der Wille und die Offenheit bei allen da sind, lassen sich Lösungen finden. Ob es am Ende der Jugendtreff werden wird, das wäre schon „over the top“. Aber ich denke, dass der Platz eine Zukunft hat, die deutlich lebendiger sein wird, als sie jetzt ist.

Auch in Halver gibt es Armut. Wie könnten sozial schlechter gestellte Menschen von der Stadt aufgefangen und unterstützt werden?

Das ist ein schwieriges Thema auf das ich jetzt spontan keine Antwort habe, auch wenn ich weiß, dass es dringend notwendig ist. Ich kenne mich bisher auch in der Sozialgesetzgebung nicht besonders gut aus.

Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass betroffenen Menschen schon immer sehr geholfen ist, wenn jemand da ist, der sie unterstützt, all die Sachen zu beantragen, die einem zustehen, der hilft, die Formulare auszufüllen und sich durch den Behördendschungel zu kämpfen.

Es gibt ja Programme und Möglichkeiten, dass der Staat Vereinsbeitritte oder Klassenfahrten und solche Sachen mitfinanziert. Aber erstens, muss man davon wissen und zweitens muss man diese rechtzeitig beantragen und drittens ist das gar nicht einfach.

Bei der aktuellen Haushaltslage würde ich nicht versprechen, dass Halver es schafft, irgendwelche Geldleistungen in irgendeiner Art und Weise zu offerieren. Aber man muss schauen, ob es irgendwelche Angebote gibt. Das Aquarium zum Beispiel ist ja jetzt als Anlaufpunkt da, die machen jetzt ein Ferienprogramm zu einem fairen Preis.

In diesem Zusammenhang: Alleinerziehende Frauen, ältere Menschen, Kinder. Wer wird in Halver Ihrer Meinung nach strukturell übersehen – und was möchten Sie dagegen tun?

Es gibt in Halver viele Angebote. Vor allem aus dem Ehrenamt heraus. Wer einmal bei einem Nutzertreffen des Bürgerzentrums war, sieht, wie viele Clubs, Selbsthilfegruppen, gemeinsame Frühstückveranstalter sich dort treffen. Zu sagen: „In Halver ist nichts los“, wäre falsch. Aber viele Angebote müssen noch besser kommuniziert werden, weil die Menschen gar nicht wissen, dass es das gibt.

Ein gutes Beispiel ist der neue Seniorenbeirat. Das Vorstandsteam hat gesagt, dass Vereinsamung unter Halvers Senior*innen ein großes Problem darstellt, dass es aber Formate gibt, und weitere entwickelt werden sollen, um dieser Vereinsamung entgegenzuwirken. Diese Bemühungen unterstütze ich. Ich glaube auch, dass es auch eine Hol- und Bringschuld gibt – jeder also auch gefragt ist, bestehende Angebote zu nutzen.

Digitalisierung – ganz Deutschland redet darüber. Und trotzdem werden immer noch Faxe geschickt und Formulare ausgefüllt. Wird die Stadt mit Ihnen digitaler?

Die Stadt hat inzwischen ein kompetentes IT-Team. Ich will ganz ehrlich sein: Da müsste ich mich mit entsprechenden Fachleuten beraten, um sagen zu können, wo wir deutlich besser werden können.

Wir dürfen aber gleichzeitig nicht all die übersehen, die die digitalen Angebote nicht nutzen können. Ich weiß, dass einige ältere Menschen echte Probleme haben, am Rathaus Termine zu bekommen, weil sie kein Smartphone und keinen Internetanschluss besitzen.

So gesehen, wäre ich sehr daran interessiert, Prozesse zu digitalisieren, wenn die Digitalisierung sinnvoll ist. Und wir müssten versuchen, wirklich für alle mitzudenken und weiterhin auch Lösungen haben, die alle ansprechen, die noch nicht so digital unterwegs sind, wie vielleicht der Großteil der Bevölkerung.

Aber ja, es lässt sich sehr viel vereinfachen, wenn man die digitalen Prozesse nutzt. Dafür gibt es genügend Beispiele.

Sina Löschke - Bürgermeisterkandidatin von Bündnis90/Die Grünen.
Foto: Martin Donat / Bündnis90/Die Grünen

Wir leben in Zeiten des fortschreitenden, menschengemachten Klimawandels. Borkenkäfer und Jahrhundertflut liegen hinter uns, aber, realistisch betrachtet, noch viele weitere Wetterereignisse vor uns. Welche konkreten Maßnahmen könnte die Stadt ergreifen, um unseren Kindern eine bessere Welt zu hinterlassen?

Da gibt es ja nur zwei Lösungen, die aber gleichzeitig umgesetzt werden müssen.

Zum einen die Vermeidung von Treibhausgasemissionen: Das heißt, grundlegende und flächendeckende Umstellung auf Energie aus erneuerbaren Quellen. Sowohl was Verkehr und Sonstiges betrifft als auch Wärme und Energieverbrauch. Wir müssen weg von den fossilen Energien.

Und das Zweite ist eine strategisch geplante und gut umgesetzte Klimaanpassung, Dazu gehören ganz viele verschiedene Felder: Die Begrünung der Stadt und die Entsiegelung von Flächen, die sich entsiegeln lassen. Es gibt inzwischen viele Methoden, mit denen man eine Fläche auch nutzen kann, obwohl sie entsiegelt ist.

Dazu gehören aber auch Hitzeschutzpläne. Alles, was wir inzwischen schon im Rahmen des Hochwasserschutzes machen, brauchen wir auch gegen Hitze. Wie reagieren wir als Stadt, wenn wir 45 Grad in der Frankfurter Straße haben? Gibt es gerade für Menschen, die in Dachgeschosswohnungen oder schlecht isolierten Häusern wohnen, Anlaufpunkte wie einen Kühlraum?

Ich weiß, das klingt für die meisten, die dieses Interview lesen werden, absurd, aber über genau diese Fragen werden wir uns Gedanken machen müssen. Der Klimawandel trifft die Ärmsten am meisten. Sie können sich keine Klimaanlagen leisten, sie haben kein großes Grundstück mit schattenspendenden Bäumen, oder das neue Auto mit einer gut funktionieren Klimaanlage. Denn alles, was man braucht, um die Folgen der Klimaerwärmung abzufedern, kostet Geld. Und wenn ich arm bin, kann ich diese zusätzlichen Ausgaben nicht stemmen. Es ist nachweislich so, dass in sozial schwächeren Vierteln weniger Bäume stehen, als in einer Einfamilienhaussiedlung wo viel Platz ist für Bäume und Hecken.

Deshalb ist es auch wichtig, dass wir die Stadt so weit es geht flächendeckend begrünen, dass wir lokale Wasserspeicherung im Boden erlauben, dass wir aber gleichzeitig auch darüber nachdenken, wie schaffen wir es, Photovoltaik auf alle Gebäude zu bekommen. Wie können wir mit cleverem Wassermanagement, wie zum Beispiel mit Regenwasserzisternen, Wasser sparen?

Und welchen Beitrag könnte jeder einzelne für das das Klima leisten? In welchen Bereichen gehen Sie als gutes Beispiel voran, indem Sie zum Beispiel auch das Auto mal stehen lassen?

Mein Fahrradhelm in meinen Social-Media-Videos ist kein Getue. Ich fahre, wann immer es geht, mit dem Fahrrad. Wir haben zwei Photovoltaik-Anlagen auf unserem Hof und sind, was unsere Stromversorgung betrifft, eigentlich von März bis Oktober autark. Ich fliege nicht mehr in den Urlaub, sondern fahre mit dem Zug. Außerdem fahren wir E-Autos und machen somit quasi schon alles, was man im ersten Moment so machen kann.

Für mich gehört aber auch dazu, und das wird oft vergessen, dass ich zum Beispiel versuche, meinen Konsum zu reduzieren. Denn Konsum erzeugt durch Transport und Warenherstellung Emissionen. Einfach bewusst und mit möglichst wenig Verbrauch leben. Das ist nicht so einfach, wie es klingt.

In diesem Zusammenhang natürlich auch die Frage, wie stehen Sie zu den geplanten Windrädern am Munitionsdepot und in Glörfeld?

Wir brauchen sie, auch wenn ich verstehe, dass man sich als unmittelbarer Anwohner davon gestört fühlen kann. Ich finde es aber auch wichtig, sich zu fragen, ob wir wissen, welche Auswirkungen es auf den umliegenden Boden und die Flächen dort hat, wenn die riesigen Betonsockel eingelassen werden.

Als Kommunalpolitiker müssen wir die Menschen, die solche Sorgen äußern, anhören, mit ihnen ins Gespräch kommen und die Sorgen aufnehmen. Und dort, wo sich Lösungen finden lassen, diese auch ausführen, auch wenn sie vielleicht ein bisschen Aufwand bedeuten.

Halver ist beim Fahrradklimatest bundesweit, von 1047 Städten die teilgenommen haben, auf dem fünftletzten Platz gelandet und erhielt die Note 5+. Wollen Sie die Situation für Radfahrer in Halver verbessern und wenn ja, wie?

Definitiv will ich das verbessern. Das steht ganz oben auf meiner Liste. Wir brauchen Radwege, vor allem auf den Zubringerstraßen, die in die Stadt führen. Wir brauchen, auch wenn es die StvO untersagt, Fahrradschutzstreifen. Denn schon allein der Streifen auf der Straße lässt Autofahrer aufmerksam werden.

Wir brauchen innerorts flächendeckend Tempo 30. Aber das allein reicht nicht. Wir brauchen abgegrenzten Platz für Radfahrer, auf dem sie sich sicher fühlen können.

Es gibt viele kleine Stellschrauben. Am Rathaus sind Fahrradständer und Ladesäulen installiert. Wir haben die kleinen Reparatursets in der Stadt verteilt. Es gibt erste kleine Veränderungen, die aber eher auf den Touri-Radfahrer abzielen.

Ich wünsche mir, dass das Fahrrad zum Alltagsgegenstand wird und nicht nur freizeitmäßig genutzt wird, denn auch hier kann man wunderbar mit dem Fahrrad fahren. Speziell mit einem E-Bike ist das kein Problem.

Die Haushaltslage der Kommunen in der Region sind angespannt. Wie wird sich die Haushaltslage mit Ihnen als Bürgermeisterin verändern?

Ich möchte tatsächlich, dass wir klüger wirtschaften. Projekte müssen ganzheitlich gedacht werden und nicht so bruchstückhaft. Denn durch eine gesamtheitliche Herangehensweise werden die Gesamtkosten von Anfang an deutlicher und man muss nicht ständig nachbessern.

Zweitens lassen sich dann hoffentlich auch mehr Synergien erzeugen. So kann man gucken, wie man in dem, was man macht, durch Innovationen – die mögen am Anfang ein bisschen teurer sein – langfristig ein Projekt so gestaltet, dass es sich entweder schneller amortisiert oder aber langfristig mehr Menschen zugutekommt.

Eine Kostenexplosion wie beim Gerätehaus in Anschlag darf nicht passieren. Das war schlechtes Projektmanagement.

Wie stehen Sie zur geplanten Erhöhung der Kreisumlage?

Ich glaube, dass die ganze Frage, wie der Kreis die Krankenhäuser und die MVG finanziert, die entscheidende Zukunftsfrage für die nächsten Jahre ist. Sie muss auf Kreisebene und in enger Absprache mit den Kommunen geklärt werden.

 Wir stehen vor dem Dilemma, dass wir zum einen die medizinische Versorgung vor Ort brauchen, da kann man auch keine Abstriche machen. Zum anderen wollen und brauchen wir auch einen gut funktionierenden ÖPNV. Und zwar einen, der möglichst mit E-Bussen fährt, damit er nicht klimaschädliches CO2 in die Luft pustet.

 Ich habe keine Lösung dafür. Es gibt nur eine, wenn alle Kommunen solidarisch arbeiten. Es bedarf die Anstrengung aller. Die Kreisverwaltung und alle Kommunen müssen gemeinsam vorankommen. Die Kreisumlage darf aber auf keinen Fall weiter ansteigen, denn das bricht den Kommunen das Genick.

 Was können Sie tun, um die Stadt für die heimischen Unternehmen weiter attraktiv zu halten? Oder, noch besser, dafür zu sorgen, dass sich neue ansiedeln?

Wir müssen als Stadt lebenswert bleiben. Medizin, Schulen, Kitas und Kultur müssen bunt und lebhaft gestaltet werden, damit die Stadt für Arbeitnehmer ein attraktiver Wohnort wird. Denn ich bin überzeugt, dass der Fachkräftemangel ein zunehmendes Problem wird. Die Menschen müssen gerne hier hinziehen wollen.

Als zweiter Punkt ist wichtig, dass ich als Stadt die Infrastruktur in Schuss halte. Es muss geklärt sein, wie kommen meine Mitarbeiter zum Standort? Gibt es eine Busverbindung, gibt es einen Radweg?

Ich glaube auch, dass solche Initiativen, wo – eventuell moderiert durch die Stadt – Unternehmen zusammenarbeiten und zusammen Synergien erschließen, sehr hilfreich sind.

Ich bin tatsächlich gegen neue Gewerbegebiete, aber das dürfte niemanden verwundern.

Wie beurteilen Sie die Lage der Geflüchteten, die in Halver leben? Wo hakt es, an welchen Stellen läuft es gut.

Halver hat beide Flüchtlingswellen, also 2015 und später die Aufnahme der Menschen aus der Ukraine, gut gemeistert. Vor allen Dingen gab es in beiden Fällen viele Menschen, die sich ehrenamtlich engagiert haben.

Zurzeit läuft es gut, auch wenn das „Move“ geschlossen hat. So gesehen, weiß ich nicht, ob wir gut aufgestellt sind, sollte eine neue Flüchtlingswelle kommen. Aber wir haben die Erfahrung gesammelt und wir haben Leute, die wissen wie es geht. So gesehen, habe ich die Hoffnung, dass, sollte es zu neuen Krisen kommen, wir schnell wieder auf Bewährtes zurückgreifen können. Meines Wissens nach, gibt es aktuell keine großen Probleme, die ein schnelles Handeln erfordern.

Wie könnte man die Integration noch weiter vorantreiben?

In vielen Bereichen gelingt uns das ja schon gut, zum Beispiel in unseren Vereinen. Ich würde mir aber noch mehr Offenheit und Neugier von allen Menschen in Halver wünschen.

Als wir ja im vergangenen Jahr unser „Dinner für Demokratie“ veranstaltet haben, haben wir stadtweit dafür geworben. Der Eintritt war auch frei. Dennoch war das Publikum nicht besonders bunt. Wir haben uns im Nachhinein gefragt, warum wir zum Beispiel die türkische oder die griechische Gemeinde Halvers mit dieser Veranstaltung nicht erreicht haben.

Ich würde mir noch ein größeres Miteinander wünschen, auch wenn ich nicht sofort weiß, was es dafür braucht. Ich glaube, dass es wichtig ist, neugieriger auf andere Menschen zu werden und zu versuchen, viel öfter miteinander ins Gespräch zu kommen.

Die AfD gründet derzeit in der Region vermehrt Ortsverbände und stellt Bürgermeisterkandidaten. Auch in Halver. Wie stellen Sie sich eine Zusammenarbeit mit der mittlerweile als gesichert rechtsextrem eingestuften Partei und deren Vertretern auf Kreisebene vor?

Ehrlicherweise hoffe ich auf das Verbotsverfahren. Aber über eine Antwort auf ihre konkrete Frage müsste ich erst mal nachdenken. Ich finde es schwierig, weil diese Partei für mich nachweislich rechtsextrem und damit demokratiegefährdend ist. Das schließt eine Zusammenarbeit für mich im Grunde vollkommen aus.

Warum ist eine klare politische Positionierung Ihrer Meinung nach gerade in diesen Zeiten wichtiger denn je?

Weil die Demokratie, die wir haben, das Beste ist, was wir kriegen können. Und meine Grundleitlinien sind Menschrechte und Demokratie. Das ist das, was mein Denken prägt. Wir müssen uns jeden Tag dafür einsetzen, denn nichts davon ist gegeben und garantiert. Alles, was wir für selbstverständlich halten, wurde mal von früheren Generationen erkämpft. Es ist längst noch nicht alles geschafft und wir müssen uns tagtäglich dafür einsetzen, dass erkämpfte Rechte erhalten bleiben oder es sogar noch besser wird. Da gibt es ja genügend Themen: Die Gleichstellung der Frauen und die Rechte queerer Menschen – all das, was hart erkämpft wurde, jetzt aber wieder zur Diskussion steht, weil die Gesellschaft aus unerfindlicher Angst eine Rolle rückwärts macht.

Das Ganze passiert weltweit, aber jeder Einzelne kann dagegen ankämpfen, und zwar dort, wo er selbst lebt. Das ist ja auch der Grund, warum ich in die Lokalpolitik eingestiegen bin.

Angenommen, es ist Ihr erster Tag als Bürgermeisterin – mit welchem Projekt fangen Sie, nach dem ersten Kaffee, an?

Erstmal möchte ich alle Kolleg*innen der Stadtverwaltung so schnell wie möglich kennenlernen, um mit ihnen ins Gespräch kommen, zu hören, welche Wünsche sie haben und wo sie Potentiale und Schwerpunkte sehen. Ich glaube, es wäre vermessen zu glauben, dass ich da reinkomme und wüsste sofort, was da passiert. Das ist Team-Arbeit. Das Wichtigste ist erstmal, wie im Sport, das Team zusammen zu kriegen und dann gemeinsam zu entscheiden, womit fangen wir an, was ist uns wichtig?

Welche Schlagzeile würden Sie in fünf Jahren gerne über Ihre Amtszeit lesen?

Halver versorgt sich zu 80 Prozent mit erneuerbarem Storm, schafft die Note drei im Radfahrertest und hat alle Schulen saniert.

Und welche lieber nicht?

Bürgermeisterin verzweifelt an den bürokratischen Hürden der deutschen Verwaltung.

Was mir noch wichtig wäre:

Politische Entscheidungen sowie das Handeln der Stadtverwaltung in Halver nachzuvollziehen, ist nicht immer ganz leicht – zum einen, weil das Verwaltungswesen ziemlich kompliziert ist, zum anderen, weil es vielen Beteiligten nicht wirklich gut gelingt, klare, verständliche Informationen zur Verfügung zu stellen. Hier brauchen wir bessere Kommunikation, mehr Transparenz, mehr Klarheit, mehr Offenheit. Ich wünsche mir eine politische Kultur, in der sich alle eingeladen fühlen, Themen aufzugreifen und in die Debatten einzusteigen. Aktuell scheitern viele Bürgerinnen ja schon daran, das Ratsinformationssystem zu nutzen und dort auch die richtigen Unterlagen zu finden – so mancher Politiker übrigens auch. In Sachen Kommunikation nach außen hat die Stadtverwaltung tatsächlich viel Nachholbedarf. Ich hätte da schon allein von Berufswegen ein paar gute Ideen.

Begründen Sie, warum ausgerechnet Sie die perfekte Bürgermeisterin für Halver sind. Sie haben 60 Sekunden Zeit.

Weiterführende Links: Home - Sina Löschke – Kandidatin für das Bürgermeisteramt in Halver