In den Sitzungen werden schon lange nicht mehr alle Vorlagen noch einmal einzeln erläutert – eben um Zeit zu sparen. Sofern keine interessierten Bürger da sind, wird Bezug auf die Vorlagen genommen, die die Ratsmitglieder frühzeitig erhalten und im Ratsinformationssystem öffentlich einsehbar sind. Wer regelmäßig Sitzungen besucht, dem fällt auf, dass auf Fragen aus Reihen der Fraktionen oft die Antwort kommt: „Das steht doch so auch in der Vorlage.“ Die scheinen nämlich einige Ratsherren und -frauen nicht zu lesen. Ein Beispiel vom Montag aus Reihen der SPD: Ratsherr Ronny Sachse fragt, ob es denn, für den Fall, dass es keine Fördergelder für die Turnhalle Holensiepen gibt, Gelder in den Haushalt eingestellt werden. Wörtlich heißt es dazu in der Vorlage: „Im Haushaltsplan für das Jahr 2023 wurden bereits 850.000 Euro im Finanzplan 2024 eingeplant. Die nunmehr höheren Kosten sind im Haushaltsplan 2024 ohne die Berücksichtigung von Fördermitteln einzuplanen, da noch nicht bekannt ist, wann und ob mit einer Bewilligung zu rechnen ist.“ Hinzu kommt noch, dass eben genau diese Vorlage schon detailliert im Planungs- und Bauausschuss besprochen wurde und auch dort genau das gesagt wurde. Auch dort ist Ronny Sachse Mitglied, stellte die gleiche Frage und hat eben genau dieser Beschlussvorlage zugestimmt. Wichtig: Es ist nur ein Beispiel von vielen. Es gibt diese Fragen in jeder Fraktion und von vielen verschiedenen Mitgliedern. Christiane Lange (UWG) fragte in der Ratssitzung nach dem Weg nach Herlsen. Dazu gab es sogar eine Ergänzung der Verwaltung im letzten Protokoll. Iris Krutz (CDU) fragt, ob die Lennebrücke noch befahrbar ist. Es sind Momentaufnahmen. Es kann, wie gesagt, auch mal ein schlechter Tag sein und in der darauffolgenden Sitzung sind es andere, die diese Fragen stellen.
Politik ist ein Ehrenamt. Politiker sind Menschen. Nicht jeder kann immer vorbereitet sein, nicht jeder alles wissen und verstehen. Man darf auch mal etwas vergessen, das schon einige Wochen oder Monate zurückliegt, etwas in der Eile überlesen oder einfach einen schlechten Tag haben. Aber die Ratsherren und -frauen vertreten die Interessen der Bürger. Sie haben schlicht und ergreifend die Pflicht, sich vorzubereiten. Es kann auch nicht jeder von jedem Thema Ahnung haben. Aber in den Diskussionsrunden wird immer wieder der Anschein erweckt, dass lieber mit Unwissenheit und schlechter Vorbereitung geglänzt wird, als gar nichts zu sagen. Natürlich gibt es auch die gegenteiligen Fälle. Neben den Fraktionsvorsitzenden beispielsweise die fraktionslosen Ratsherren Aykut Aggül (er hatte alle Zahlen und die entsprechenden Projekte vom Kindergarten vorliegen) und Matthias Lohmann, der insbesondere bei Bauangelegenheiten auch mal um die Ecke denkt und Vorschläge einbringt, Michael Schlieck von der CDU, der sich meist gut an vergangene Beschlüsse erinnert und sichere Bezüge herstellt, Petra Wachtmeister von der SPD, die auf Nachfrage eigentlich immer eine Antwort geben kann und Sonja Hammerschmidt (UWG), die bei der Verwaltung oft weitere Informationen einholt und diese auch einbringt. Sie gehören nicht immer zu den großen Diskussionsführern. Sie melden sich nicht bei jedem Thema. Warum auch, sie sind vorbereitet und wissen, ob sie dem so zustimmen können oder nicht. Sie haben sich eine Meinung gebildet, diskutieren fundiert, wenn sie anderer Meinung sind oder sagen auch mal einfach gar nichts – weil eben schon alles gesagt ist oder es in der Vorlage steht.
In der Regel sind alle Themen aus dem Rat im Vorfeld in Ausschüssen und Arbeitskreisen besprochen worden. Diese Ergebnisse sollten dann in den Fraktionen geteilt werden. Die Vorlagen sind meist ausführlich und verständlich formuliert. Nachfragen sind erlaubt. Eine – gerne auch mal kontroverse Diskussion – ist sogar erwünscht. Aber auf einer fundierten Grundlage. Nicht, weil jeder einmal etwas sagen möchte. Wer öffentlich immer wieder demonstriert, dass er eigentlich gar nicht weiß, was in den Vorlagen und Protokollen steht, macht sich und den Rat unglaubwürdig. Es stehen so viele wichtige und teure Entscheidungen an. Es ist an der Zeit, sich am Riemen zu reißen, Vorlagen genau zu lesen, auch mal den Taschenrechner zur Hand zu nehmen und Informationen über die Vorlagen hinaus zu sammeln. Denn nur so kann eine grundsolide Politik funktionieren und erfolgreich sein.
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