Sich in die Situation eines Kindes mit einer Beeinträchtigung hineinzuversetzen, darum soll es in dem Projekt gehen, erklärt Kita-Leitung Sibylle Haberland. Ob es sich um Sehbehinderung, Taubheit, körperliche Einschränkungen oder Reizüberflutung handelt – durch verschiedene Workshops, die sich über fünf Blöcke erstrecken, soll deutlich gemacht werden, wie Kita-Kinder am Pestalozziweg ihren Alltag erleben. „Wir möchten verstehen, was es für das betroffene Kind, aber auch für die Eltern und die Erzieher bedeutet, eine Beeinträchtigung zu haben. Jeder ist eingeladen, daran teilzunehmen, um es selbst zu erfahren“, erklärt Haberland. Bei der Ausbildung zum Erzieher werde zu wenig über Inklusion und den Umgang gesprochen – oftmals werden Erzieher erst in der Kita mit diesem Thema konfrontiert.
Durch das Projekt soll „Schubladendenken“ im Kita-Alltag abgebaut werden. „Wenn ein Kind beim Essen nicht stillsitzen kann, wird oft sofort auf Erziehungsprobleme geschlossen. Dabei gibt es oft viel mehr zu berücksichtigen. Nicht jede Behinderung kann man sehen“, weiß Haberland. Zusätzlich geht es darum, den Erziehern einfache Methoden beizubringen, um den Kita-Alltag mit beeinträchtigten Kindern einfacher, aber dennoch inklusiver zu gestalten. „Es gibt nicht nur eine richtige Methode. Jedes Kind ist individuell“, betont Christian Becker, Vorsitzende des Fördervereins der Kita Wundertüte.

Das Gefühl der Machtlosigkeit
Gleichzeitig sollen Eltern mehr Mut bekommen, offen über die Diagnose ihres Kindes zu reden. Oft sei dies noch ein Tabu-Thema oder werde nicht akzeptiert. Daher hätten viele Kinder noch keine offizielle Diagnose erhalten, obwohl eine dringende Therapie notwendig sei. „Die Eltern zögern oft, bei der Anmeldung an der Kita die Diagnose ihres Kindes anzugeben, aus Angst, keinen Kita-Platz zu bekommen“, sagt Haberland aus Erfahrung. Diese Situation belaste nicht nur das Kind, sondern auch das Kita-Personal, das mit der inoffiziellen Diagnose umgehen muss. „Manchmal fühlen wir uns machtlos in dieser Situation“, fügt sie hinzu.
„Impulse müssen jetzt gesetzt werden – wir wollen nicht länger warten“, betont Natalie Becker, Kita-Fachberaterin für Inklusion, Kinderschutz und Projektmanagement bei der AWO. Bürgermeister Michael Brosch, der die Schirmherrschaft für das Projekt übernimmt, sowie die Verwaltung unter der Leitung von Kai Hellmann unterstützen dieses Vorhaben. Die Organisatoren haben bereits einen kleinen Einblick in das gegeben, was die Interessierten erwartet: Brillen, die verschiedene Augenkrankheiten simulieren, sollen dabei helfen, sich in die Lage eines Kindes mit solchen Beeinträchtigungen zu versetzen.
Von der Sehbehinderung bis hin zur Taubheit
Jeder Block thematisiert und simuliert eine Behinderung. Alle Termine können ab 9.30 Uhr durchgeführt werden. Das bietet die Kita Wundertüte an:
- Block 1: „Sehbehinderung/ Sehstörung … spürbar machen“ (vom 8. bis zum 16. April)
- Block 2: „Reizüberflutung / Reizdifferenzierungsstörung / geistige Behinderung … spürbar machen“(22. bis zum 30. April)
- Block 3: „Beeinträchtigung des Gehöres / Taubheit … spürbar machen“ (6. bis zum 15. Mai)
- Block 4: „Körperliche Beeinträchtigung / Behinderung … spürbar machen“ (21. Mai bis zum 28. Mai)
- Block 5: „Sprachbeeinträchtigung / Sprachbehinderung / mangelnde Sprachkenntnisse … spürbar machen“ (3. bis zum 11. Juni)
Der 15. Juni bildet den Abschluss des Projekts. Ab 11 Uhr können unterschiedliche Selbsterfahrungen in allen Bereichen im kleinen Rahmen gemacht werden. Ab 15 Uhr besteht dann die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch und zu Gesprächen im „World Café“.