Im Pferdegestüt Wickeschliede bei Meinerzhagen schützt Stephanie Dietrich ihre international gefragten, hochklassigen Friesenpferde unter anderem mit Herdenschutzhunden (HSH). Vier Kangals bewachen die Pferde in der Weidesaison rund um die Uhr. Dietrich erklärt, wie gut das in ihrem Gestüt funktioniert. Sie sagt aber auch, dass HSH kein Allheilmittel sind.
"Stehenbleiben, Personenkontrolle!" Zwei hüfthohe Hunde scannen mit Bernsteinblick und schwarzen Nasen jeden, der zu den Pferden will. Wer mit Chefin Stephanie Dietrich kommt, wird - je nach Gesamturteil - ignoriert oder zum Kraulen aufgefordert. Nouri und Willi fordern sabbernd Krauleinheiten. Sie sind Kangals. Die türkischen Herdenschutzhunde passen seit dem Frühjahr darauf auf, dass sich dem Gestüt von Stephanie Dietrich kein Wolf nähert. Den Job als Wolfsvergrämer und Schützer der Pferde teilen sie sich mit einem weiteren Kangal-Paar. Stephanie Dietrich ist zufrieden: "Die vier nehmen ihre Aufgabe sehr ernst. Mit Erfolg: wir hatten in dieser Weidesaison bisher keinen Wolfsangriff."

Dietrich züchtet seit 2018 Pferde in Meinerzhagen. Friesenpferde "van de Wickeschliede" sind international bekannt. Hochwertige Pferde, von einem zehnköpfigen Team betreut, mit modernsten Mitteln überwacht - und gefährdet durch den Wolf. 2019 habe sie ein Dauerton aus dem Schlaf geschreckt, erzählt Stephanie Dietrich: "Nachts um zwei wurde ich von einer Sirene geweckt. Aber in Deutschland heulen Sirenen nicht so." Waren es ihre Hofhunde? "Die Kameraüberwachung zeigte: Die lagen in ihren Körbchen und lauschten angespannt nach draußen." Dort konnte sie nichts feststellen, also ging Dietrich zu ihren Hunden.

Berner Sennenhunde sind massige Hof- und Wachhunde mit bis zu 70 Zentimeter Schulterhöhe. "Als ich sah, dass die Hunde völlig verstört waren, wusste ich: Das war ein Wolf", erzählt Stephanie Dietrich. Sie fragte Nachbarn und Tierhalter und informierte den Jagdpächter. "Alle gingen davon aus, dass es ein durchziehendes Einzeltier war - oder dass ich spinne", so Dietrich. Bis sie auf einer Wiese das Gerippe eines Rehs fand und sich Sichtungen einzelner und mehrerer Wölfe häuften. "Seither ist klar: Mindestens ein Wolfrudel ist in der Gegend sesshaft."

Dietrich setzte sich mit Wolfsberatern zusammen und erfuhr: "Einen Antrag auf präventive Herdenschutzmaßnahmen können Sie stellen, wenn Sie Schafe, Ziegen oder Gehegewild in einem Wolfsgebiet oder einer Pufferzone halten." Rinder- und Pferdehalter sind außen vor, stromführende Zäune, die den Wolf abschrecken sollen, kosten 50.000 Euro und mehr. Die Pferde dauerhaft im Stall zu halten, ist nicht artgerecht, sie abends in die Ställe zu treiben und morgens freizulassen, bindet viel Zeit und Personal. "Also blieb nur die Arbeit mit HSH", resümiert Stephanie Dietrich. Sie sprach mit Tierhaltern in ganz Europa. Dabei kam heraus: Der in seiner französischen Heimat "Patou" genannte Pyrenäen-Berghund und der italienische Maremmano sind zu aggressiv gegen fremde Menschen und nicht aggressiv genug gegen den Wolf. Dietrich ist überzeugt: "Nur der Kangal sagt dem Wolf: Kommst du her, töte ich dich. Ich höre am Bellen von meinen Kangals, ob sich ein Wolf nähert, wo er sich aufhält und wann er abzieht."

Ein Happy End? "Für mich: Ja!", sagt Dietrich. "Aber der HSH ist kein Allheilmittel." Ein zertifizierter HSH koste 6000 bis 8000 Euro. Ein HSH allein kann im Wolfsgebiet nicht 24/7 wachen, er braucht einen Partner. Hinzu kommen Kosten für Futter, Tierarzt, Haftpflichtversicherung. Dietrich nennt noch einen Faktor: "Wir haben Glück mit unseren Nachbarn. Die sind alle froh, dass unsere Hunde die Wölfe abschrecken. Aber ich weiß von Tierhaltern, die ihre HSH abgeben mussten, weil es Beschwerden wegen nächtlichen Lärms gab, weil die Hunde ihre Arbeit gemacht haben."
Nouri und Willi haben die Journalistin unauffällig fernüberwacht. Jetzt heißt es: Kraulen!
Außerdem musste Dietrich Zeit investieren: "Kangals arbeiten normalerweise mit Schafen und Ziegen. Als unsere ersten Kangals im März 2025 ankamen, musste ich sie auf meine Jungstuten und auf die Stuten mit Fohlen konditionieren." Weil das gut klappte, holte sich Stephanie Dietrich zwei weitere Kangals, die jetzt die Junghengste bewachen. Dank der HSH können Ihre Jungpferde die Weidesaison artgerecht erleben. Ihre Stuten mit Fohlen verbringen die Nächte im Stall und sind stundenweise auf der Weide. Momentan bleibt der Wolf dem Gestüt Wickeschliede fern.
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