Halver kann stolz darauf sein, mit Anneliese Müller eine Einwohnerin zu haben, die es geschafft hat, in Deutschland und weltweit das Leben der Frau prägend zu verbessern. Verheiratet, Mutter von drei Kindern, 85 Jahre alt, Lehrerin und Familienberaterin. So könnte man das Leben der Halveranerin kurz zusammenfassen. Dabei beinhaltet es soviel mehr. Für ihre Leistungen wurde ihr am 13. Januar in der Villa Wippermann das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der BRD durch Landrat Marco Voge überreicht – hier geht’s zum Bericht der Verleihung.
Die UN-Women Organisation, die sich für die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung von Frauen und Mädchen einsetzt, hat sie vor rund zwei Jahren aus gutem Grund für diese Ehrung vorgeschlagen. Veranlassungen für die Nominierung gibt es viele.
Der Deutsche Akademikerinnenbund (DAB)
Nach dem Studium trat sie 1965 in den „Deutschen Akademikerinnenbund“ (DAB) ein. Dort ist sie bis heute Mitglied. Zweimal wurde sie als stellvertretende Vorsitzende für jeweils sechs Jahre (1978-1984 und 1992-1998) in den Bundesvorstand des DAB gewählt und hat dort die Chance genutzt, europäische und internationale Beziehungen zu knüpfen. Unter anderem organisierte und leitete sie 20 Jahre lang jährliche Tagungen mit dem „Niederländischen Akademikerinnenbund“ (VVAO).
„Der Schwerpunkt des DAB lag damals in der Aufgabe, die Zahl der Professorinnen an den Universitäten zu erhöhen“, erzählt sie. „Damals waren viele Frauen zwar habilitiert, aber sie bekamen keinen Lehrstuhl. Uns war wichtig, diese Glaskuppel, die verhinderte, dass Frauen in Führungspositionen kommen, zu durchbrechen. Es gab so viele kompetente Frauen, aber man muss sich daran erinnern, dass mit Elisabeth Schwarzhaupt die erste deutsche Ministerin erst 1961 ins Amt kam. Heute tun wir so, als wären Frauen in wichtigen Ämtern selbstverständlich, aber dafür mussten wir hart kämpfen!“
Der Deutsche Frauenrat (DF)
In der Zeit zwischen ihren beiden Vorstandszeiten im DAB arbeitete sie ehrenamtlich für den Deutschen Frauenrat. „Diese Lobbyarbeit in Berlin ist eine Tätigkeit, die man wenig sieht. Aber es ist bis heute wichtig, dass Frauen zu jedem Gesetzesvorhaben Stellung nehmen“, ist sie überzeugt. „Es ist immer noch wichtig aufzupassen, dass Frauen gerecht berücksichtigt werden.“
Auch im Deutschen Frauenrat wurde Anneliese Müller in den Vorstand gewählt. Zu ihren Aufgaben gehörten damals auch Treffen mit hochrangigen Politikern wie Richard von Weizsäcker, Rita Süssmuth oder Angela Merkel zu deren Zeit als Frauenministerin.
Aus dem DF heraus wurde 1991 die Europäische Frauenlobby gegründet, eine europäische Vernetzung, die es bis zu diesem Zeitpunkt in keiner Form gab, denn, so Anneliese Müller: „Gemeinsam kann man mehr bewirken.“ Vier Jahre lang fuhr Anneliese Müller aus ihrer Position im Vorstand heraus regelmäßig nach Brüssel, um dort die Themen der deutschen Frauen zu vertreten. Auch weitere Reisen, wie 1992 zur Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro, gehörten zu ihren Aufgaben im DF. „Auf der Konferenzen wurde mal nicht gejammert, was alles nicht läuft, sondern es wurden zehn hervorragend laufende Projekte dargestellt. Das war für viele sehr ermutigend.“
UNIFEM und UN-Women
Anneliese Müller sah die Wichtigkeit von Unifem, einem Fond der Vereinten Nationen für Frauen in Entwicklungsländern, und hat sich 1991 nach langem Zögern und mit der logistischen Unterstützung des DF getraut, den deutschen Ableger von Unifem zu gründen. „Das war eine sehr schwierige Anfangszeit, so ganz ohne finanzielle Unterstützung“, blickt sie zurück. „Wir mussten ja erst mal bekannt werden. Und jedes Plakat, jeder Flyer, jede Kopie und jede Reise in dieser Sache musste ich selbst finanzieren.“ Ihr Mann, Herbert Müller, war ihr in dieser Zeit eine sehr große Hilfe. „Er hat Mitgliederlisten geschrieben, Kopien gemacht und stand überhaupt immer an meiner Seite!“, sagt sie.
Dann kam der Glücksfall in Person eines privaten Stifters, der einen Preis in Höhe von 10.000 DM ausgelobt hat, der an ein Projekt in einem Entwicklungsland gehen sollte, das besonders gut funktionierte. Große deutsche Institutionen wie Misereor, Brot für die Welt und andere konnten Projekte vorschlagen und Unifem Deutschland und mit ihr Anneliese Müller konnten entscheiden, an welches Projekt das Geld gehen sollte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war Unifem Deutschland bekannt. „Mit diesem neuen Bewusstsein, dass es unsere Organisation gab, konnten wir viel Positives erreichen und unterstützen.“ Dieser Preis wird bis heute vergeben.
2011 wurde aus Unifem UN-Women. Neben einem ehrenamtlichen Vorstand braucht diese vom Frauenministerium geförderte Organisation mit Hauptsitz in Bonn, die quasi am Küchentisch von Anneliese Müller gegründet wurde, heute einen großen Büroapparat, um ihre Arbeit bewältigen zu können. Noch immer ist die Halveranerin dort ehrenamtlich als Kassenprüferin tätig.
Besuch der Weltfrauenkonferenz
Ein sehr wichtiger Termin für Anneliese Müller war die Teilnahme an der Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking. „Das, was wir dort erreicht haben, war so bedeutend, dass es bis heute niemand wagt, eine Folgekonferenz ins Lebens zu rufen, aus Angst, schlechtere Ergebnisse zu erzielen, als es uns damals gelungen ist“, ist Anneliese Müller zu recht stolz, auch auf dieser Tagung dabei gewesen zu sein. Die Festschreibung von Menschenrechten, Frauenrechten und Erbrecht wurde hier festgelegt. Alles unter dem Motto: Alle Menschen sind gleich – also auch Frauen! Mit einem eigenen Konferenztag hat Unifem, das in Peking sein zehnjähriges Bestehen feiern konnte, eine große Rolle gespielt.
Kaum aus Peking zurück, sollte sie vor der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (KFD), in der sie 16 Jahre Vorstandsarbeit leistete, davon 12 Jahre im Vorsitzendenteam, von den Erfolgen in China berichten.
Arbeiten für das Haus der Geschichte
Aber nicht nur im Ausland war Anneliese Müller aktiv. Auch das bekannteste deutsche Museum zur Geschichte unserer Landes ab 1945, das Haus der Geschichte in Bonn, wurde von ihr mitgestaltet.
Als Mitglied des DF war sie von der Grundsteinlegung an im Beirat der gesellschaftlichen Kräfte und wurde dort zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Für sie lag der Fokus darin, die Arbeit der Frauen in Laufe der deutschen Geschichte sichtbar zu machen. „Wir haben darauf bestanden, dass die Frau nicht nur als Hausfrau am Herd, sondern auch als Arbeitskraft an Maschinen dargestellt wurde. Sie konnten schon damals mehr als kochen und waschen“, beschreibt sie ihre Aufgaben.
Frauen haben schon Theodor Heuss widersprochen und müssen heute weiterkämpfen
Dass ein Element der Ausstellung um die „Vier Mütter des Grundgesetztes“ geht, ist ebenfalls der Hartnäckigkeit des DF zu verdanken. Diesen vier Frauen ist der Paragraph 3 des Grundgesetzes zu verdanken, in dem steht, dass alle Frauen gleichberechtigt sind. „Man muss sich mal vorstellen, dass noch bei der Verfassung des Grundgesetztes Männer, einschließlich Theodor Heuss, diese Idee nur lustig fanden. Aber schon damals haben sich die Frauen zusammengetan. Elisabeth Selbert, eine der vier Mütter des Grundgesetzes, hat die Frauenorganisationen mobilisiert und säckeweise landeten Briefe in den Büros der parlamentarischen Versammlung mit der Forderung, dass dieser Artikel ins Grundgesetzt gehört. Und plötzlich waren auch die Männer dafür“, kommentiert sie deren Meinungsänderung mit einem Schmunzeln.
Aber – und das sagt sie mit großer Überzeugung: „Das Bewusstsein dafür, dass man was tun muss, um den Standard der gleichen Beteiligung von Frauen am gesellschaftlichen Leben zu halten, geht zurück.“ Ein Zustand, den die 85-jährige nicht akzeptieren will und ein Grund, warum sie bis heute für die Frauenrechte kämpft. „Ich habe einen großen Sinn für Gerechtigkeit“, sagt sie. „Mein Ziel ist, Grundlagen zu schaffen, damit jede Frau die Ziele, die sie erreichen will auch erreichen kann. Jede Frau soll unabhängig sein, wenn sie es möchte. Für dieses Ziel ist Lobbyarbeit unbedingt nötig und daher ist es unabdingbar, dass sich die Frauen immer weiter vernetzen.“
Wundern über Staatschefs und Bewundern von Müttern in Slums
Auf ihren Reisen für die Rechte der Frau wurde Anneliese Müller häufig überrascht. Über ein Erlebnis kann sie bis heute noch schmunzeln: „Ich fuhr nach Buenos Aires, weil ich dort berichten sollte, wie es uns in Deutschland gelungen war, einen Frauenrat zu organisieren. Es war schon überraschend, dass dort niemand Englisch sprach, was die Verständigung sehr schwierig machte. Aber dass wir auch beim Staatschef Carlos eingeladen wurden, wussten wir vorher nicht. Nach dem Essen wurde ein riesiges Osterei in das Zimmer gebracht und anschließend feierlich nach außen getragen. Dort wurde es dann zertrümmert und jeder bekam ein Stück. Das war irgendwie surreal“, erinnert sie sich.
Mehr beeindruckt haben sie die Frauen in den Slums von Manila, die sie ebenfalls besuchte. „Ich habe mich immer gefragt, wie die Mütter, die eigentlich nichts haben, ihre Kinder so propper in die Vorschule schicken konnten. In den Slums, wo es nicht mal Wasser gab, gab es aber einen Bildungswillen. Die Frauen wollen, dass es ihren Kindern irgendwann besser geht und sie einen Aufstieg schaffen. Die Bildungsbereitschaft in solchen Ländern ist deutlich höher als bei uns.“
Nun wurde Anneliese Müller für ihre jahrzehntelange Arbeit und die Erfolge, die sie erzielen konnte, mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland geehrt. „Das ist schon irgendwie eine Bestätigung für mich“, freut sie sich. „Denn viele Menschen aus meiner Umgebung hatten nie eine Vorstellung davon, was ich mache und wie wichtig meine Arbeit ist.“
Der Deutsche Akademikerinnenbund (DAB)
- Deutscher Akademikerinnen Bund e.V.
- Der DAB wurde 1926 gegründet, 1934 wieder aufgelöst, und 1949 neu gegründet
- Der DAB ist Gründungsmitglied des Deutschen Komitees UNIFEM (1991).
- Er setzt sich ein für die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in Politik, Beruf und Gesellschaft, die eigenständige Alterssicherung von Frauen und die Förderung von Frauen für Führungspositionen,
Der Deutsche Frauenrat (DF)
- https://www.frauenrat.de
- Im Deutschen Frauenrat sind ca. 150 Frauenverbände der unterschiedlichsten Art Mitglied. Mitgliedvoraussetzung von in 5 Bundesländer aktiv und mindesten 300 Mitglieder.
- DFR Vertritt 11 Millionen Mitglieder in Deutschland. Die meisten wissen gar nicht, dass sie da mit vertreten sind.
- Frauenverbände, Sportbund, Gewerkschaften und die großen Kirchen – zu Beginn eher die traditionellen Frauenverbände, jetzt alles was es gibt.
- Der DF ist die Lobby der Frauen in Deutschland und engagiert sich für rechtliche und faktische Gleichberechtigung von Frauen und Männern.
- Er nimmt Einfluss auf die Regierungsarbeit
- Große Themen der letzten Jahre waren: Erziehungszeiten, Mütterrente, Vergewaltigung in der Ehe, Gewalt gegen Frauen und vieles mehr.
UN-Women
- https://unwomen.de
- UN-Women machen in der ganzen Welt Projekt zugunsten von Frauen.
- Motto: Wenn es den Frauen gut geht, geht es den Familien gut.
- In Kenia stellen Kunsthandwerkerinnen unter fairen Bedingungen Charity-Armbänder her, die von UN-Women Deutschland vertrieben werden. Damit wird den Frauen zu einem sicheren Lebensunterhalt für sich und ihre Familien verholfen.
- Große Frauenzeitschriften unterstützen die Aktion, indem sie kostenlose Anzeigen für die Armbänder schalten.
- Die Erlöse unterstützen außerdem den UN Trust Fund gegen Gewalt gegen Frauen. Der UN Trust Fund wird innerhalb des UN Systems durch UN Women verwaltet. Der Fund fördert Projekte, die Gewalt gegen Frauen und Mädchen bekämpfen. Er unterstützt Organisationen weltweit, die von Frauen geführt werden und bedarfsorientiert arbeiten.
Katholische Frauengemeinschaft Deutschland (KFD)
- Startseite – kfd Bundesverband
- Die KFD ist auf Bundesebene organisiert.
- Noch hat sie rund 350.000 Mitglieder und ist trotz schwindender Zahlen immer noch der größte europäischer Frauenverband
- Das Essener Bistum hat die Besonderheit, schon immer drei gleichberechtigte Frauen als Vorsitzende zu haben. Anneliese Müller war zwölf Jahre eine von ihnen.
- Zu ihren Aufgaben gehörte Wallfahrten und Gottesdienste auf Bistumsebene zu organisieren, einzelne Vereine zu besuchen und generell Präsenz zu zeigen.
Lesen Sie auch: Einsatz für Frauen weltweit: Anneliese Müller erhält Bundesverdienstkreuz | LokalDirekt