1. Die Sache mit dem Wahlkampf im Jugendzentrum
Vor gut zwei Wochen gab es einen Termin im Jugendzentrum. Dabei ging es um die Vorstellung von Stephanie Stickdorn als neue Leiterin des Jugendzentrums. Dort war auch Bürgermeisterin Birgit Tupat. Als Stephanie Stickdorn fragte, ob die Bürgermeisterin Zeit hätte für ein Gespräch mit den Jugendlichen zum Thema Wahl, erklärte sie, dass sie dafür nicht bereit stehe. „Das hat den ganz einfachen Grund, dass ich die gemeindeeigenen Räume nicht für den Wahlkampf nutzen werde. Das macht man einfach nicht – auch wenn der Träger hier das evangelische Jugendreferat ist.“ Weiter erklärte sie, dass sie natürlich für einen Termin bereitstehe und erklärte, was eine Bürgermeisterin so mache, aber nicht für Wahlkampfthemen und nicht in dem Gebäude. Grundsätzlich sei dies natürlich nicht verboten. Es sei ihre persönliche Entscheidung. „Etwas anderes ist es, wenn Sie beispielsweise eine Podiumsdiskussion machen. Dann sind ja alle Kandidaten dabei“, erklärte sie.
Heute schickte Aykut Aggül eine Liste mit Terminen für Bürgerdialoge zur Veröffentlichung. Darin heißt es: „30.04.2025, 15:30 Uhr, Jugend-Dialog mit Bürgermeisterkandidat Aykut Aggül, Jugendzentrum Nachrodter Kurve“. Daraufhin kontaktierte LokalDirekt Aykut Aggül und fragte nach, warum er das mache und ob der Grundsatz, den die Bürgermeisterin in den Raum warf, nicht allgemein geltend sei. Er sah es nicht so. „Natürlich kann ich dort den Dialog mit den Jugendlichen suchen. Und wenn mir das einer verbietet, stelle ich mich eben davor. Mir ist es wichtig, zu wissen, was die Jugendlichen denken“, betonte Aykut Aggül.
Das Jugendzentrum erklärte auf Anfrage: „Ja, Aykut Aggül hatte uns gefragt, ob so eine Veranstaltung bei uns möglich ist. Wir fanden die Grundidee erstmal gut“, sagt Stephanie Stickdorn. Doch sie verstehe auch die Bedenken. Insofern werde man nun anbieten, mit Jugendlichen, die Interesse haben, an einer Veranstaltung außerhalb und mit allen drei Kandidaten teilzunehmen.
Aykut Aggül findet die Kritik nicht richtig und startet einen Gegenangriff und erklärt im Gespräch: „SPD und UWG nutzen auch die Sekundarschule. Da gibt es sogar einen Ratsbeschluss zu, dass das nicht rechtens ist.“ Damit spielte er auf die Veranstaltung der UWG am heutigen Mittwochabend an und auf Veranstaltungen der SPD, beispielsweise für die Bürgerdialoge. Auf seinen Social-Media-Kanälen veröffentlichte er wenige Minuten später: „Wie alle Parteien und Fraktionen im Rat der Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde wissen müssten, dürfen parteipolitische Veranstaltungen in Schulgebäuden nicht stattfinden. Die SPD hat bereits ihre Bürger-Dialoge dort abgehalten und am heutigen Abend soll die UWG-Veranstaltung mit der amtierenden Bürgermeisterin dort stattfinden. Gibt es eine Ausnahmegenehmigung seitens der Gemeindeverwaltung dafür oder hat der Gemeinderat kurzfristig seinen Beschluss aus 2016 geändert?“ Auch schickte er eine entsprechende Anfrage an die Verwaltung.
„Nein, natürlich gab es keine Sondergenehmigung. Und ja, rein rechtlich hat er also Recht. Aber 2016 gab es auch noch nicht die Situation mit fehlenden Räumen. Dann wäre man beispielsweise in den Sozialtrakt der Lennehalle gegangen. Ganz davon abgesehen, dass ich persönlich schon einen großen Unterschied darin sehe, ob man am Abend eine leere Schule nutzt oder bewusst den Kontakt zu Jugendlichen im Jugendzentrum sucht. Die Schule ist leer, niemand kann beeinflusst werden, der nicht freiwillig und bewusst zu diesem Termin kommt“, erklärte die Bürgermeisterin auf Anfrage. So sieht es auch Christian Pohlmann, der Bürgermeisterkandidat der SPD: „Es ist ein Unterschied, ob ich ins Jugendzentrum gehe und eine öffentliche Einrichtung damit für meinen Wahlkampf instrumentalisiere oder in Ermangelung an öffentlichem Raum eine leere Schule nutze.“
Sonja Hammerschmidt, Vorsitzende der UWG, sieht sich nicht in der Schuld: „Ich verstehe diese Diskussion nicht. Wir haben keine Räume. Ich bin schon persönlich enttäuscht von so einer Anschuldigung.“
Inzwischen hat Wahlleiter Sebastian Putz Aykut Aggül seitens der Verwaltung geantwortet. Darin heißt es: „Bei der Zurverfügungstellung der Räumlichkeiten, respektive des Schulgebäudes, wurde durch die Fachabteilung leider versäumt, den neun Jahre alten Ratsbeschluss zu berücksichtigen. Die Genehmigung zur Nutzung des Schulgeländes und / oder des Schulgebäudes hätte nicht erteilt werden dürfen. Ebenso wurde auch keine Ausnahmegenehmigung hierfür gefertigt. Gleiches gilt für die Veranstaltung der SPD. Aus Gründen der Gleichbehandlung wird es Dir, dem Bürgermeisterkandidaten Aykut Aggül, ebenfalls ermöglicht, einen Bürgerdialog in einer Schule durchzuführen. Dieser müsste allerdings vor Beginn der Sommerferien stattfinden. Hierdurch kann sodann die notwendige Gleichheit wiederhergestellt werden. Aus Mangel an kommunalen Räumen, ist eine Alternative auch leider nicht gegeben. Hinweisend möchte ich anfügen, dass die Veranstaltungen außerhalb der Schulzeiten und des Schulbetriebes erfolgt sind bzw. erfolgen und damit der Schutz der Schülerinnen und Schüler vor politischer Beeinflussung während der Schulpflicht gewährleistet ist. Für den unterlaufenden Fehler der Verwaltung entschuldige ich mich in aller Form!“
2. Die Abgrenzung zwischen Ehrenamt und Wahlkampf
Doch das ist nicht das einzige Problem, das es derzeit rund um den Wahlkampf von Aykut Aggül gibt. Für Gesprächsbedarf sorgte auch seine Aussage in einer Pressemitteilung als es um den Heimat-Scheck, ein Förderprogramm des Landes NRW, geht. Diesen bekommt Aykut Aggül für die äußerst erfolgreiche Aktion des Nachrodt-Wiblingwerde-Kalenders, den es durch die Förderzusage auch im kommenden Jahr geben wird. Seit Jahren engagiert er sich in vielen Bereichen der Gemeinde ehrenamtlich. „Die Bezirksregierung in Arnsberg hat Aykut Aggül den Heimat-Scheck zum 5. Mal in Folge bewilligt. ,Ich freue mich sehr, dass mit der Fördersumme von 2000,00 Euro jetzt ein weiteres Projekt verwirklicht werden kann, für die gesamte Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde‘, sagt Aykut Aggül, Ratsherr und Bürgermeisterkandidat der Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde“, heißt es in seiner Pressemitteilung. Ist die Aktion damit kein uneigennütziges Ehrenamt mehr, sondern auch Wahlkampf? LokalDirekt fragt bei Aykut Aggül nach. Und bekommt diese Antwort im Wortlaut: „Mein Engagement ist ja nicht seit gestern. Ob als Privatperson, Ratsmitglied oder seit Oktober als Bürgermeisterkandidat. Jede Redaktion darf am Ende das schreiben, was er für richtig hält. Wo fängt Wahlkampf an und wo hört sie auf? Gibt es dazu eine Definition? Dann dürfte ich die Definition aus dem Kulturetat für das Denkmalfest auch nicht verwenden?“
„Das ist Blödsinn“, findet Bürgermeisterin Birgit Tupat. Die Sachen, die Aykut Aggül im Ehrenamt stemmt, seien großartig und natürlich ein Gewinn für die Gemeinde. „Allerdings macht er das als Privatperson und nicht als Bürgermeisterkandidat. Ich finde schon, dass eine Abgrenzung da wichtig ist. Es ist ein Unterschied, ob ein Kalender eine uneigennützige Aktion für die Bürger ist oder eben eine Aktion im Rahmen des Wahlkampfs“, erklärt die Amtsinhaberin. Christian Pohlmann findet: „Das ist einfach unsportliches Verhalten. Man instrumentalisiert sein Ehrenamt nicht dafür.“ Auch Pohlmann ist ehrenamtlich aktiv. „Aber das sind ja Sachen, die mache ich unabhängig von meiner Kandidatur und käme auch nie auf die Idee, so etwas zu nutzen.“ Pohlmann betont, dass eine Bürgermeisterwahl geprägt sein sollte von Ideen für die Gemeinde.
3. Die Neutralität der Verwaltung
Für Unmut bei Aykut Aggül sorgte derweil am Morgen eine E-Mail der Verwaltung. „Ab sofort stehen Beschäftigte der Verwaltung im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit für Anfragen oder Anregungen seitens direkt gewählter Ratsmitglieder sowie Bürgermeisterkandidaten nicht zur Verfügung“, schreibt der Bürgermeisterkandidat an LokalDirekt. „So stimmt das ja nicht. Natürlich beantworten wir weiterhin Anfragen“, betont Birgit Tupat, aber es muss schon seine Richtigkeit haben. Er kann Anfragen einreichen und die werden dann in den Ausschüssen oder im Rat beantwortet. Zuvor hatte Aykut Aggül einen Pressetermin mit Ordnungsamtsleiter Sebastian Putz gefordert, um über Sicherheitsbedenken im Straßenverkehr zu sprechen. Zudem stellte er eine Anfrage an die Verwaltung: „Hiermit bitte ich um Übermittlung der Abrisskosten, die in den letzten 10 Jahren entstanden sind und seitens der Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde ausgegeben wurden“, hieß es darin. Als Antwort bekam er von Bürgermeisterin Birgit Tupat: „In allen Vorwahlzeiten haben sämtliche Beschäftigte des öffentlichen Dienstes einen besonderen Fokus auf ihre Neutralitäts-, Mäßigungs- und Zurückhaltungspflichten unabhängig von ihrem Beschäftigungsverhältnis (angestellt oder verbeamtet) zu richten. In diesem Zusammenhang habe ich mir entsprechende Hinweise des Ministeriums des Inneren des Landes NRW vom 17.12.2024 zu eigen gemacht. Dies hat zur Folge, dass ab sofort Beschäftigte der Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeiten für keine politischen Themen, politische Veranstaltungen oder sonst für den Wahlkampf zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund entfällt auch der Termin zu allgemeinen verkehrsrechtlichen Angelegenheiten mit der Ordnungsbehörde.“ Birgit Tupat betonte in dem gleichen Schreiben aber auch: „Davon unberührt bleiben selbstverständlich Ihre Rechte als Ratsmitglied, so dass Sie entsprechende Anfragen in den politischen Gremien stellen können oder reichen Sie uns diese schriftlich ein, sodass wir die Gelegenheit haben, diese in den politischen Gremien zu beantworten bzw. zu diskutieren. Ich schließe mich hiermit u.a. dem Märkischen Kreis bzw. dem Landrat an, der diese Regelung ebenfalls übernommen hat. Zu den Abrisskosten werde ich in der Ratssitzung berichten.“
Christian Pohlmann begrüßte diese Regelung: „So ist es der richtige Weg. Ich sehe das genauso. Aykut Aggül kann nicht die ganze Verwaltung für seinen Wahlkampf arbeiten lassen. Die haben auch andere Aufgaben. Das sind ja auch keine Anfragen, die mal eben zu beantworten sind.“ Er sehe sich da durch die Verwaltung auch nicht eingeschränkt in seiner Arbeit. Aykut Aggül sieht das ganz anders: „Dass man Anfragen stellt, ist völlig normal. So erübrigen sich viele Diskussionen in den Sitzungen bereits im Vorfeld. Das ist jetzt natürlich nicht mehr so.“ Birgit Tupat gibt derweil zu bedenken, dass die Neutralität einen hohen Stellenwert habe. Betonte aber auch, dass weiterhin wie gewohnt alle Anfragen beantwortet werden, dann jedoch im Rahmen einer Sitzung mit allen.