Sechs Menschen aus der Kiersper Kommunalpolitik trafen am Mittwoch, 3. Juli, 50 Gesamtschüler der neunten und zehnten Klassen: In Gesprächen von zehn Minuten Dauer kamen sich beide Seiten näher, mit zum Teil überraschenden Erkenntnissen. Aus Schülersicht gab es unter den Kommunalpolitikern einen klaren Favoriten.
Für Politiker, die ausschweifend reden, ist politisches Speed-Dating ein ungewohntes Format. Junge Leute mögen kurze Infos in kompakter Form. Die Schüler hatten sich im Unterricht vorbereitet und Fragen ausgearbeitet. Das war ein Wissensvorsprung gegenüber den Kiersper Kommunalpolitikern, die alleine Gruppen von acht gut vorbereiteten Schülern gegenübersaßen, denen sie Rede und Antwort stehen mussten.

Und das alles in einer Julihitze, deretwegen die Schule eigentlich Hitzefrei gegeben hatte. Umso mehr lobte Schulleiter Johannes Heintges die rund 50 Schüler und die sechs Vertreter der Kiersper Politik für ihre Bereitschaft, im Pädagogischen Zentrum im Schweiße ihres Angesichts kommunalpolitische Themen zu diskutieren. Bürgermeister Olaf Stelse nannte es in seinem kurzen Grußwort "gemeinsam sitzen und schwitzen".

Als Parteiloser vertrat Olaf Stelse im Speed-Dating sich selbst. Argumente für seine Wiederwahl als Bürgermeister bettete er in seine Antworten auf die Fragen der künftigen Jungwähler ein. Für die Position der CDU in der Kiersper Politik argumentierte Holger Scheel, Ortsbürgermeister in Rönsahl. Als Vertreter der Kiersper SPD stand Christian Reppel Rede und Antwort. Steffen Wieland vertrat die UWG, Armin Jung die FDP. Elke Keune-Meyer nahm als Vertreterin für Bündnis 90/die Grünen teil und beantwortete als einzige Frau auch Fragen nach der Beteiligung und Gleichberechtigung von Frauen in der Politik.

Einige Schülergruppen erleichterten den politischen Vertretern den Einstieg ins Zehn-Minuten-Gespräch mit persönlichen Fragen: "Was hat Sie bewegt, in die Politik zu gehen?" Andere stiegen sofort mit konkreten Fragen ein: "Wollen Sie barrierefreien Zugang zur Stadtbibliothek gewähren - und wie?" Elke Keune-Meyer wurde als Erste mit dieser Frage überrascht: "Die Ernsthaftigkeit und das Niveau der Diskussion hat mich beeindruckt."

Den anderen ging es genauso: Dass große, allgemeingültige Themen wie Barrierefreiheit, Umwelt- und Klimaschutz Kiersper Jugendliche bewegen, war den Kommunalpolitikern nicht bewusst. Aus dem Speed-Dating nahmen sie mit, dass junge Leute in Kierspe sich weniger Barrieren, mehr Plätze zum Chillen, mehr Bäume im Stadtbild und mehr Mobilität wünschen. Klar wurde auch, dass sie dabei auf E-Scooter und den öffentlichen Nahverkehr setzen.

Armin Jung versprach, sich dafür einzusetzen, dass neue Sitzbänke mit Solarpanels versehen werden, wo jeder sein Smartphone aufladen kann. "Aber ich muss gleich einschränken: Wenn Anschlüsse verklebt und Panels beschmiert werden, ist das nicht ausbaufähig." Christian Reppel konnte damit punkten, dass sich seine Partei kontinuierlich dafür einsetzt, die Bahn in Kierspe zu erhalten. Holger Scheel hatte mit einer Schülergruppe ein ausführliches Gespräch über neue Handyregeln an der Gesamtschule.

Immer wieder mussten die Kommunalpolitiker Schüler mit der leidigen Antwort "da sind wir als Stadt nicht zuständig" enttäuschen, etwa wenn es um die Bahn, Tempolimits an Bundes-, Landes und Kreisstraßen oder um die Schulpolitik ging. Alican Sevim, der didaktische Koordinator des Speed-Datings, grinste: "Wir hatten ausführlich über die Unterschiede von Europa-, Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik gesprochen. Aber man sieht, dass diese Themen die Jugendlichen hier in Kierspe betreffen."

Am Ende hatten die Schüler einen klaren Favoriten: Steffen Wieland von der UWG hatte viel zugehört und war im Dialog mit den Jugendlichen, statt zu monologisieren. Das beeindruckte. Olaf Stelse, Armin Jung und Christian Reppel wurden immerhin als Mit-Favoriten genannt. Wieviel davon tatsächlich mit Kommunalpolitik in Kierspe zu tun hat und wie sehr persönliche Sympathien für den jüngsten Kommunalpolitiker in die Beurteilung einflossen, blieb am Ende offen.

Die Freie Wählergemeinschaft (FWG) war zum Speed-Dating nicht eingeladen worden. Ohne ins Detail zu gehen, begründete Johannes Heintges dies damit, dass Vertreter der FWG Kierspe die Gesamtschule und ihr offenes, auf Gleichberechtigung, Integration und Aufklärung beruhendes Konzept verunglimpft habe.
Speed-Dating wurde in den 90er Jahren in den USA als Veranstaltung entworfen, um Flirt- oder Beziehungspartner zusammenzubringen. Zwölf Singles haben in sechs Eins-zu-Eins-Gesprächen jeweils zehn Minuten Zeit fürs Kennenlernen. Wer allzu nervös ist oder nur über sich spricht, hat selten eine Chance, als potenzieller Partner wahrgenommen zu werden. Springt der Funke jedoch über, gibt der Veranstalter die Kontaktdaten weiterund die Partner können sich verabreden.