Wie bereits ausführlich berichtet, erfolgt eine Beitragsanpassung, die alle Eltern betrifft, deren Grundschulkinder die OGS oder die Betreuung 8 bis 14 Uhr besuchen. Bereits seit 2016 gab es keinerlei Erhöhungen. Nun sehen sich die Mitglieder des Rats aufgrund der gestiegenen Kosten und der schwierigen Haushaltslage dazu gezwungen.
Aber: Die Beiträge für die offenen Ganztagsgrundschule werden noch deutlicher nach Einkommen gestaffelt und nach Meinung der Ratsmitglieder so fairer. Die Beiträge der Betreuungsmaßnahme sollen auf 50 Euro, für Geschwisterkinder auf 25 Euro, angehoben werden. Diese Änderung soll zum Schuljahr 2025/2026 in Kraft treten. Die Verwaltung wurde angewiesen, die Änderung der Elternbeitragssatzung zur Beschlussfassung vorzubereiten. Zudem zahlen alle teilnehmenden Kinder ein Ferienbetreuungsbeitrag ohne Erhebung eines zusätzlichen Kostenbeitrages, der wie folgt aufgeteilt werden kann:
- Ostern-, Herbst- und Weihnachtsferien 30 Euro pro Kind pro Woche
- Sommerferien 45 Euro pro Kind pro Woche
Diskussionen oder Wortbeiträge gab es in der Sitzung zu diesem Thema nicht. Schließlich war die Vorlage im Rat eine Empfehlung aus dem Schulausschuss und wurde dort diskutiert. Einzig der fraktionslose Aykut Aggül, der kein Mitglied des Schulausschusses ist, stimmte gegen den Vorschlag. Begründete seine Gegenstimme in der Sitzung jedoch nicht. Auf seinen Social-Media-Kanälen sagte er dazu: „Mit nur einer Gegenstimme und einer Enthaltung werden die Beiträge für OGS und Betreuung in Nachrodt-Wiblingwerde ab dem 1.8.2025 steigen. Die Familien werden wieder einmal im Stich gelassen und zur Kasse gebeten. Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Als Bürgermeister werde ich mich dafür einsetzen, dass alle die gleichen Chancen haben in unserer schönen Gemeinde.“ Mit seinem Wahlkampf-Post erhitzte er dann doch deutlich die Gemüter. Zunächst stand die Frage im Raum, wer sich noch enthalten hatte. „Wir haben das Band noch einmal abgehört, mit dem die Sitzung aufgezeichnet wurde. Da sage ich ganz deutlich, dass es keine Enthaltung und eine Gegenstimme gibt“, sagte Bürgermeisterin Birgit Tupat. Aykut Aggül gab an, dass sich Petra Wachtmeister (SPD) enthalten habe. Auf eine erneute Anfrage bei der Gemeinde, antwortet Sebastian Putz: „Wir haben Frau Wachtmeister noch einmal explizit gefragt, damit auch alles richtig verzeichnet wird. Sie gab an, dafür gestimmt zu haben.“ Auch LokalDirekt hat noch einmal den Kontakt zu Petra Wachtmeister gesucht und folgende Antwort erhalten: „Ich habe – wie in der Schulausschusssitzung auch schon – dafür gestimmt.“
Aggüls Gegenstimme sorgte für Verwunderung in den Fraktionen, den Vorsitzenden fehlte die Begründung und vor allem ein Vorschlag, wie das ganze System weiter finanziert werden soll. Genau diese Fragen stellte LokalDirekt dem dem fraktionslosen Ratsherren. „Ich denke schon, dass es geht. Beispielsweise wenn wir an die freiwilligen Leistungen gehen. Dort gibt es schon Dinge, die wir uns sparen könnten. Auch im Hinblick auf die Bauprojekte muss man da kritisch denken. Braucht die Gemeinde wirklich drei Sportstätten? Der Amtshausanbau wird vermutlich billiger als Gartenhallenbad, da hätte man vielleicht besser woanders investiert“, sagte Aggül im Gespräch. In einer schriftlichen Stellungnahme relativiert er diese Aussage jedoch und schreibt: „Unser Hallenbad wird für die Zukunft gerüstet. Das ist eine Entscheidung, was als Rat und Verwaltung zu 100 Prozent getragen wird. Es handelt sich um eine der größten Investitionen der vergangenen Jahre in unserer Heimat. Ich werde mich weiter dafür einsetzen, dass das Hallenbad zeitnah eröffnet wird und die Bürgerinnen und Bürger ihre Freizeit dort verbringen können. Ich wünsche mir eine Lennehalle in kleinerer Version für Nachrodt-Wiblingwerde ohne dass es den Haushalt und die Bürgerinnen und Bürger stark belastet.“
Es sei seine Pflicht, als Kommunalpolitiker das Leben der Menschen zu verbessern und nicht mehr zu belasten durch Steuer- oder Gebührenerhöhungen. Die Finanzierung der OGS und Betreuung bis 2026 könne seiner Meinung nach durch außerplanmäßige Mittel im Haushalt der Gemeinde gesichert werden, bis der Rechtsanspruch greife. Aggül: „Sollte das Land zwischenzeitlich mehr Mittel für die Offenen Ganztagsschulen bereitstellen, könnte der finanzielle Anteil der Gemeinde entsprechend angepasst werden.“ Kämmerer Heiko Tegeler sieht diese Aussage jedoch kritisch: „Theoretisch ist das natürlich möglich. Aber wo kommt das Geld dafür her? Sonst würde das Defizit nur noch größer.“ Er halte eine Anpassung für durchaus legitim: „Andere Kommunen haben jährlich eine prozentuale Anpassung. Bei uns gab es das fast zehn Jahre nicht.“ Aggül sieht hingegen vor allem das Land in der Pflicht: „Es ist ein Armutszeugnis für das Land NRW, das unsere Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde sowie weitere Kommunen im Regen stehen lässt. Wir wissen alle, dass eigentlich das Land die gesamte Finanzierung übernehmen müsste.“
„Als Politiker ist es meine Pflicht, die Prioritäten im Haushalt so anzusetzen das unsere Zukunft nicht gefährdet ist. Was wir uns leisten müssen und leisten können sind zwei Paar Schuhe. Im Haushalt sind, viele freiwillige Leistungen dir wir in Zukunft überdenken müssen. Aber nicht an falscher Stelle streichen und sparen, sondern die Wichtigkeit und Dringlichkeit im Auge behalten. An Bildung darf nicht gespart werden“, betont Aggül.
Philipp Olschewski, Fraktionsvorsitzender der CDU, weist den Vorwurf, die Familien hängen zu lassen, entschieden zurück. Und kann kein Verständnis aufbringen für eine Gegenstimme ohne konkrete Vorschläge: „Die Verwaltung musste aufgrund der massiven Kostensteigerungen seit 2016 reagieren und hat eine faire, einkommensabhängig gestaffelte Lösung vorgelegt, die soziale Gerechtigkeit gewährleistet. Als CDU-Fraktion setzen wir uns konsequent gegen unnötige Mehrbelastungen der Menschen ein, in diesem Fall wäre ein Dagegenstimmen aus unserer Sicht jedoch nur öffentlichkeitswirksam, jedoch nicht verwantwortungsbewusst gewesen.“ Gerd Schröder, Fraktionsvorsitzender der SPD, sieht das genauso. „Aykut Aggül hat im Rat Rede- und Stimmrecht. Er hat abgestimmt aber nicht geredet. Und das ist, was ich erwarte, wenn man gegen so etwas stimmt. Wir diskutieren im Rat. Dort wird die Politik gemacht und nicht in der Presse.“ Natürlich hätte auch die SPD es begrüßt, wenn der gemeindliche Anteil aus dem Haushalt bezahlt werden könnte. „Unser Haushalt 2024 hatte einen Fehlbetrag. 2025 sieht es nicht anders aus. Diese erhöhten Kosten sind keine Kosten, die wir uns ausgedacht haben. Personal- und Sachkosten sind beim Träger gestiegen und der Träger gibt diese weiter. Die Gemeinde ist nicht in der Lage das selbst zu tragen. Also müssen wir es leider umlegen“, sagte Schröder. Die Staffelung orientiere sich an anderen Kommunen im Märkischen Kreis und sei somit nicht aus der Luft gegriffen.
Petra Triches, Fraktionsvorsitzende der UWG sieht die Erhöhung ebenfalls als alternativlos. „Irgendwo muss das Geld ja her kommen. Unsere Zahlen sind schlecht. Wir müssen überall kratzen. Wir stehen kurz vorm Haushaltssicherungskonzept, dann gibt es gar keine freiwilligen Leistungen mehr.“ Auch sie hätte gerne Familien entlastet. Sieht aber, wie ihre Kollegen von der SPD und CDU nicht, wo das Geld herkommen sollte.