„Mir ist es immer wichtig, dass die Rinder so früh wie möglich auf die Weide kommen“, sagt Linda Gessler. Die Bewegung tue den Tieren gut. Die Klauen seien besser und die Tiere bilden durch verschiedene Untergründe eine gute Muskulatur, stärken Sehnen, Bänder und Knochenapparat. „Es stimmt aber auch, dass sich viele Tiere – gerade im Sommer – drinnen wohler fühlen“, erklärt Gessler. Das liege vor allem daran, dass Kühe hohe Temperaturen gar nicht mögen. Am liebsten haben sie zwischen null und acht Grad. Da sind sie richtig agil, springen über die Wiesen, tragen spielerische Machtkämpfe aus. „Hier in Rennerde haben unsere Rinder immer die Möglichkeit, in den Stall zu gehen. Wir beobachten gerade im Frühjahr, wenn es erstmals wärmer wird, dass die Kühe sich dann vor allem für die Ruhephasen gerne in den kühleren Stall zurückziehen“, erklärt Gessler.
Die Kühe, die Milch geben, leben tatsächlich überwiegend im Stall. Das habe vor allem fütterungstechnische Gründe. „Gute Milchkühe sind quasi Hochleistungssportler. Sie haben einen täglichen Energiebedarf als würde ein Mensch 4,75 Mal den Mount Everest erklimmen. Entsprechend hoch ist auch immer ihre Körpertemperatur und ihr Nährstoffbedarf“, erklärt die Landwirtin. Daher hätten die Bauern in den vergangenen Jahren viel in Kuhkomfort investiert. Die Ställe bei Gesslers sind beispielsweise mit großen Ventilatoren ausgestattet, es gibt Massagestationen, Melkstationen, Futter- und Liegebereiche. Die Kühe haben viel Platz, um sich zu bewegen und Sozialkontakte zu pflegen.
Tiere auf der Weide zu halten, ist übrigens nicht der einfachere Weg. Im Gegenteil. Bis die Tiere raus konnten, gab es nach dem Winter viel zu tun. Die Zäune mussten kontrolliert und erneuert werden. Kein leichter Job. Denn die riesige Fläche umfasst viele steile Hänge. „Für uns ist es trotzdem ideal. Wir könnten dieses Grünland nicht bewirtschaften, hier kann kein Trecker fahren. Indem wir die Tiere raus lassen, sind auch diese Bereiche ausgenutzt“, erklärt Linda Gessler. Nach dem Winter müssen vor allem die Bereich in Waldnähe kontrolliert werden. Dicke Äste könnten durch Sturm oder Schneelast auf den Zaun gefallen sein oder dafür sorgen, dass der Stromkreislauf unterbrochen wurde. „Gute Zäune sind gerade die ersten Tage super wichtig. Zudem haben wir auf dieser Weide Jungtiere, die Zäune noch gar nicht kennen“, berichtet die Landwirtin. Und wenn eine Herde ins Laufen gerät und durch den Zaun nicht aufgehalten werden kann, wird es schnell gefährlich für Menschen und Tiere. Die Kühe könnten beispielsweise auf die Straße laufen.