Ihre Sorgen und Ängste hatten Landwirte, Jäger, Pferdebesitzer und Hobby-Tierhalter in den letzten Wochen bereits mehrfach auf Veranstaltungen zum gleichen Thema zur Sprache gebracht. Und auch die Behörden waren nicht tatenlos geblieben. Zuletzt fand Anfang des Monats eine weitere Sitzung der Arbeitsgruppe „Wolf“ mit Vertretern der betroffenen Kommunen, der Landwirtschaftskammer, des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes und der Kreisjägerschaft statt. Vor diesem Hintergrund hatte die untere Naturschutzbehörde am Mittwochabend eingeladen. Als Referenten informierten Dr. Matthias Kaiser vom Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) und Wolfgang Take von der Landwirtschaftskammer über den aktuellen Stand und Fördermöglichkeiten für Betroffene.
Zunächst richtete sich Dr. Johannes Osing an die Anwesenden und forderte zur Sachlichkeit auf: Im Internet und zum Teil auch in den Medien werde oft mit geschätzten oder gar falschen Zahlen operiert. Tatsächlich seien 2024 bislang im Märkischen Kreis in 11 Vorfällen 44 Nutztiere von Wölfen gerissen oder verletzt worden. Kurz kam Johannes Osing auch auf die Aufkleber oder Sticker zu sprechen, die in der letzten Zeit im Kreisgebiet verbreitet werden. Auf ihnen wird vor Wölfen gewarnt und darum gebeten, Kinder zu beaufsichtigen und Hunde anzuleinen. Die Sticker sähen sehr amtlich aus, stammten aber nicht vom Kreis, versicherte er. Sie seien irreführend. Es gebe im Märkischen Kreis keinen einzigen Fall eines Wolfsangriffs auf Menschen. „Fragen Sie sich selbst“, so der Fachdienstleiter Umwelt, „ ist es der Wolf, der Ihnen Angst macht oder sind es die Menschen?“
Einblicke ins Wolfsmonitoring gab Dr. Matthias Kaiser. Auch er forderte einen vorsichtigen Umgang mit den kursierenden Zahlen zur Entwicklung der Wolfspopulation. Zwar steige diese deutschlandweit betrachtet an, räumte er ein, aber die Wachstumskurve sei seit 2019 deutlich abgeflacht. Diverse genetischen Analyse-Methoden würden angewandt, um die Verbreitung des Wolfes zu dokumentieren. Losungs- oder Genetikproben gingen an das Senckenberg-Institut, das Referenzzentrum für Wolfsmonitoring. Anhand der Proben könne unter anderem festgestellt werden, wovon sich der Wolf ernährt. Rehe stünden mit 60 Prozent ganz vorne, Nutztiere am unteren Ende. Das habe eine Untersuchung von 200 Proben gezeigt.
Kaiser äußerte sich auch zu den Ängsten und Sorgen vor Angriffen der Wölfe auf Menschen. Die habe es in einzelnen Fällen im Ausland gegeben. Zu 80 Prozent habe es sich dabei um tollwütige Tiere gehandelt. Angst vor dem Wolf hält er für unangebracht. Der Wolf meide den Kontakt mit Menschen. Der Grund für die Sorgen sei, „wir sind es nicht gewohnt mit dem Wolf umzugehen.“
Wolfgang Take ging in seinem Vortrag auf Fördermöglichkeiten für Schutzmaßnahmen für die Nutztiere ein. Im als Wolfsgebiet ausgewiesenen Märkischen Kreis könnten die Halter von Schafen, Ziegen und Gehegewild Zuwendungen für Präventionsmaßnahmen beantragen. Dabei werde das Material zu 100 Prozent gefördert, jedoch nicht der Arbeitslohn. Zu den Präventionsmaßnahmen zählte er auch die Anschaffung von Herdenschutzhunden. Vorrangig stellte er jedoch Schutzzäune als die geeignete Maßnahme vor. Dazu empfahl er auch den Besuch der Internetseite www.landwirtschaftskammer.de (Stichwort: Wolf) und verwies auf das kostenlose Beratungsangebot der Landwirtschaftskammer.
Nachdem die Teilnehmer den beiden Referenten etwa anderthalb Stunden aufmerksam und in Ruhe zugehört hatten, wurde es in der anschließenden Fragerunde dann doch noch lebhaft und emotional.
„Wir werden vertröstet und die Verantwortung wird auf die Politik geschoben“, empörte man sich und schlug vor, künftig zu derartigen Veranstaltungen auch Vertreter des Ministeriums einzuladen, damit Kritik und Forderungen gleich an den richtige Adresse gerichtet werden könnten. „Uns geht es darum, dass sich der Wolf erst gar nicht weiter in unserer Gegend ausbreitet“, forderte ein Teilnehmer. „Warum dauert es so lange, bis der Wolf ins Jagdrecht aufgenommen wird?“, fragte ein anderer. Einige schienen sich damit abgefunden zu haben, dass der Wolf nun mal da ist und konzentrierten sich mit ihren Fragen auf die Präventionsmaßnahmen. „60 ha Weideland, die zudem parzelliert sind, wie soll ich die denn einzäunen?“ .„Wer gibt mir die Garantie, dass ich bei vorschriftsgemäßer Einzäunung und trotzdem stattgefundenem Wolfsriss entschädigt werde?“ Eine Änderung der Förderrichtlinien wurde verlangt: „Warum fallen nur Schafe und Ziegen unter die Förderrichtlinien und nicht auch Pferde und Rinder?“ „Ich will meine Tiere dem Wolf nicht wissentlich zur Verfügung stellen“, empörte sich ein Landwirt. Der ein oder andere beteuerte resignierend, dass es unter diesen Voraussetzung seine Tierhaltung aufgeben wolle.
Auf viele Fragen gab es für die Teilnehmer keine oder nur unbefriedigende Antworten. Mehrfach wiesen die Gastgeber und Referenten darauf hin, dass ihr Handlungsspielraum politisch gegebenen sei und sie nur in diesem Rahmen Hilfestellungen geben könnten. „Wir können nur mit den genannten Fakten und Fördermitteln gegenhalten.“