60 Jahre Schulgeschichte am Anne-Frank-Gymnasium verdienen einen besonderen Rahmen. Diesen fand das Ereignis am Donnerstagabend, 11. September, in Form eines vierstündigen Festaktes, unter dem Motto "Bildung - Demokratie - Verantwortung in Zeiten von KI".
In den Festakt führten die beiden Bundessieger des Wettbewerbs "Jugend musiziert", Emily Leitgeb an der Geige und Dominik Leitgeb an der Trompete, ein. Sie erhielten Unterstützung am Piano. Handelsblatt-Redakteur und Moderator Michael Scheppe führte durch den Abend.
Paul Meurer, seit 2010 Schulleiter am AFG, begrüßte die Festgemeinde und seine Ehrengäste. Besonders freute er sich über den Besuch der ehemaligen Schulleiter Erhard Fipper und Hans Beinghaus, die die Schule "Auf besondere Weise" prägten. Auch Franz Zibirre, der seit den 1980er-Jahren stellvertretender Schulleiter war, widmete er seinen Dank. "Ihr seid der sichere Fels in der Brandung", würdigte er besonders sein Kollegium und machte deutlich, dass sie die tragende Säule der Schule sind.
In Meurers Rede wurde schnell klar, dass das Motto des Festakts, "Bildung-Demokratie-Verantwortung", wohl überlegt war. Als Bildungsinstitution sei es die Aufgabe, Wissen zu vermitteln und damit junge Menschen zu bilden. Die Demokratie als wichtiger Pfeiler der Gesellschaft könne jedoch nur mit guter Bildung entstehen und mündige Bürger formen. Eine dementsprechende Verantwortung wiederum könne sich daraus erst entwickeln, so Meurer weiter. In polarisierenden Zeiten sei Anne-Frank auch heute ein Vorbild. "Wenn die Schule diesen Namen noch nicht tragen würde, wäre heute der richtige Zeitpunkt dazu", machte Meurer die Wichtigkeit Anne-Franks für die Schulgemeinschaft klar.

In einem digitalen Grußwort der Ministerin Feller, die ihren persönlich Besuch kurzfristig absagen musste, wurde klar, wie vielfältig und komplex die schulische Leistung bei Betrachtung des Dreiklangs "Bildung-Demokratie-Verantwortung" sei. "Denn Schulen sind nicht nur ein Ort der Wissensvermittlung, sie sind auch ein Ort des demokratischen Miteinanders", skizziert Feller den schulischen Bildungsauftrag.
Mit Michael Brosch, amtierender Bürgermeister, stand der erste Ehemalige auf der Bühne, der nicht zu kurz in Erinnerungen schwelgte und klar machte, "Es ist ein bisschen wie nach Hause kommen, [...] mit vielen Erinnerungen, auf die ich gern zurückschaue." Der Keller und er stünden schon seit Geburt (Anm. d. Red.: aufgrund körperlicher Beeinträchtigungen) auf Kriegsfuß und so wendete er seine politische Forderungen an Bildungsministerin Feller und Landtagsabgeordneten Schwarzkopf, das Thema der Barrierefreiheit mehr in den Fokus zu nehmen. Seine ersten Berührungspunkte mit der digitalen Schulwelt sammelte Brosch in der neunten Klasse mit einem "hochmodernen schulischen High-Tech-Gerät", den Lehrer Viebahn mit den ehrfürchtigen Worten "Das ist er: Der TI30 LCD" präsentierte. Die digitale Komponente alleine würde jedoch das AFG nicht ausmachen. Darüber hinaus seien es die Weltoffenheit durch Klassenfahrten, "die nahezu ganz Europa abdecken" und der familiäre Charakter, denn "Schule ist neben Familie aus meiner Sicht der prägendste Faktor in meiner Jugend gewesen."

In einem Videobeitrag präsentierten Schüler die Arbeit des Projektchors unter Leitung der von Stefan Lehmkuhl. Aber auch nachdenklich stimmende Beiträge, wie etwa ein Video über das Helfen in NS-Zeiten und in heutigen Zeiten, waren ein wichtiger Bestandteil.
Als Landtagsabgeordneter und stellvertretender Landrat wusste auch Ralf Schwarzkopf das Thema des Festakts einzuordnen. Mit einer Anekdote aus seiner Unternehmung machte er deutlich, dass KI besonders in der Wirtschaft nicht mehr wegzudenken sei. Doch auch politisch stellte er klar, dass "die Begeisterung und das Fachwissen alleine im politischen Miteinander nicht ausreichen." "Die Demokratie lebt darüber hinaus vom Zweifel, vom Hinterfragen, von der kritischen, aber wissenschaftlich fundierten Auseinandersetzung." Mit kritischer Stimme positionierte sich Schwarzkopf zur aktuellen Situation, denn "es steht viel auf dem Spiel in diesen bewegten Zeiten, in Zeiten von KI, den sozialen Medien und einem brutalen Angriffskrieg mitten in Europa." Sein Wunsch wirkte darum um so eindringlicher: "Uns allen wünsche ich für die Zukunft weiterhin eine offene Gesellschaft und vor allem eins: Freiheit!"

Mit Dr. Sabine Wallmann folgte die Vorsitzende des Vereins Freunde des AFG, die in ihrer Rede die Festgemeinde davon überzeugte, dass ein Gymnasium in einer Kleinstadt kein Luxus, sondern von hoher Wichtigkeit sei. "Ein Gymnasium bedeutet Bindung", unterstrich sie die Wichtigkeit des AFG in der Halveraner Schullandschaft. Seit 1972 konnte der Verein fast 400.000 Euro zur Verfügung stellen, wie aus einem ausgelegten Flyer hervorgeht. Für die Zwecke der Verbesserung materieller und personeller Ausstattung; für sportliche, musische, wissenschaftliche und gemeinschaftsfördernde Aktivitäten sowie besondere Leistungen anzuerkennen. Dass zum Ende Ihrer Rede das "Betteln", wie selbst sagte, nicht fehlen dürfe, war nachvollziehbar.

Vor der Pause hielten auch die Elternpflegschaftsvorsitzende Christiane Rößler, Schülersprecherin Mathilda Lux und Lehrerin Yvonne Mainz jeweils kurze Ansprachen. Alle drei attestieren der Schule eine gute Gemeinschaft, die vor allem Lehrerin Mainz "wohl auch noch einige weitere Kilometer auf der A45 verbringen lassen wird", um täglich für die Schüler des AFG vor Ort zu sein. Als Kunstlehrerin beschäftigten sich ihre Schüler in den vergangenen Monaten mit Kunstprojekten, die die Hintergründe Anne Franks aufgriffen und für alle Gäste in der Pausenhalle zu besichtigen waren.
Es folgte die Vorstellung der neuen Chronik, um die sich federführend Ivan Knezevic kümmerte. Erstmals sei nun auch ein vollständiger Zeitstrahl zu finden. Auch die ausführlichen Interviews mit Fipper und Beinghaus würden eine andere Perspektive auf die Geschichte der Schule ermöglichen. Mit kräftigem Applaus honorierten die Gäste in der gut gefüllten AFG-Aula seine mühevolle Arbeit.
Vor zehn Jahren feierte das AFG sein 50-jähriges Bestehen und leitete eine neue Ära ein. Die Rede ist von der digitalen Schule AFG, deren Weg besonders Professor Dr. Dirk Kleine (Hochschule "macromedia"), ebenso ein Ehemaliger der Schulgemeinde, ebnete und den Stein ins Rollen brachte.

Sein erneuter Vortrag zeigte deutlich die rasante Entwicklung der letzten Dekade auf, bei der nun Videocalls und der Einsatz von künstlicher Intelligenz normalisiert seien. War der Videocall im schulischen Kontext vor zehn Jahren noch etwas besonderes, so ist es heute keine Besonderheit mehr. Vor allem die Coronapandemie und der Einsatz von KI hätte die digitale Entwicklung begünstigt. "Ohne Herrn Müller, der für die Stadt die Pflege von rund 2.000 Endgeräte übernimmt, würde wahrscheinlich nichts laufen", stellte Kleine die Wichtigkeit der digitalen Medien heraus.
In einer Gegenüberstellung veranschaulichte der Professor für Business Management und KI welche Plattformen damals und heute genutzt werden. Auch hier zeigte sich der digitale Wandel in der Vielzahl neuer Plattformen. Im Hauptteil seines Vortrags stellte er wissenschaftliche Erkenntnisse zum Einsatz mit KI vor und wusste mit Fakten zur Nutzung zu überzeugen. So würden laut einer Studie von McKinsey aus dem Jahr 2024 Lehrkräfte 20 bis 30 Prozent Zeitersparnis durch die Nutzung von KI gewinnen können. Mit praktischen Beispielen untermauerte er seine Thesen und zeigte eine KI, die bereits schriftliche Prüfungen automatisiert auslesen und bewerten kann, wobei in Hochschulen Studenten diese Form der Bewertung noch ablehnen würden. Besonders anschaulich wurde es, als Dr. Kleine, der der KI ChatGPT einen Prompt (Befehl) gab, mit einem Schüler ein empathisches Gespräch zu führen. Denn die KI kann nicht nur schriftlich antworten, sondern mittlerweile auch in Form einer künstlichen Stimme interagieren. Laut Kleine würde bereits eine Vielzahl von Schülern diese Form der Kommunikation nutzen, weil die KI laut Studien deutlich emphatischere Antworten geben könne, als ein Freund oder Elternteil. "Das Thema gehört zur Lebenswelt junger Menschen", unterstrich er. Die neuesten Lernmethoden "Google Notebook LM" und der KI-Tutor fanden ebenso Berücksichtigung innerhalb seiner Präsentation. Die erste Methode ermöglicht die Generierung eines interaktiven Podcasts oder sogar eines animierten Videos anhand einer eingepflegten Quelle - wie eines Skripts aus einer Geschichtsstunde zur Französischen Revolution. Der KI-Tutor ist eine programmierte KI, die zum Beispiel eine mündliche Prüfung mit Fragen zu einem geschichtlichen Kontext beantwortet. Seinen Vortrag schloss er mit fünf Thesen, darunter:
- Die Digitalisierung hat Schule & Gesellschaft in den letzten 10 Jahren erheblich verändert
- Künstliche Intelligenz wirkt heute wie ein Beschleuniger dieser Entwicklung
- KI steigert Effizienz, schafft Innovation und wirkt emphatisch
- KI-Tutoren werden in Zukunft eine zentrale Rolle im Lernen übernehmen
- Schule muss kritisches Denken fördern, Werte vermitteln und Schüler im KI-Einsatz begleiten
Zum 60-jährigen Jubiläum ließ es sich die Schulgemeinde nicht nehmen, auch einen weiteren hochkarätigen Redner einzuladen. Professor Dr. Thomas Weber, ebenso ein Ehemaliger der Schule, der in seiner Karriere bereits an den angesehensten Universitäten der Welt lehrte, überschrieb seinen Vortrag mit "Hoffnung und Mut in Zeiten von Desinformation und Demagogie". An der "University of Aberdeen" lehrt er als Professor mit dem Schwerpunkt Europäische Geschichte und die Globalgeschichte im 20. Jahrhundert. So wusste er die aktuelle politische Situation in Deutschland fachlich einzuordnen und bezog sich in seinem Vortrag auf Anne Frank und die Zeit der Weltkriege. So forderte die NSDAP in Artikel acht ihres Programms "Jede weitere Einwanderung Nicht-Deutscher ist zu verhindern. Wir fordern, daß alle Nicht-Deutschen, die seit 2. August 1914 in Deutschland eingewandert sind, sofort zum Verlassen des Reiches gezwungen werden."

Auch heute würde man diese Parallele wiederfinden, in dem die Migration zur Hauptkrise gemacht würde. Für die Erstarkung von extremen politischen Kräften - wie Weber auch sagt von "falschen Propheten" - können Regierungen verantwortlich gemacht werden, die nicht gut regieren und vor allem nicht gut kommunizieren. Ebenso ordnet er die KI in der heutigen Zeit ein und meinte, dass jede Technik für gute und schlechte Zwecke eingesetzt werden könne. Derzeit würden wir uns jedoch bereits in einem Weltkrieg der Desinformation befinden, wobei KI auch gegen negative Narrative eingesetzt werden könne. “Ich will nicht umsonst gelebt haben wie die meisten Menschen. Ich will fortleben, auch nach meinem Tod”, schließt Weber mit der Hoffnung, dass der Wunsch Anne Franks weiterhin von Bestand sein wird.