„Wir müssen umdenken“, sagt Inga Frank. Sie arbeitet beim Jobcenter in Halver und betreut 18 bis 25-Jährige. Sie ist nah dran, an denen, die die Zukunft gestalten sollen. Die klassische Papierbewerbung habe längst ausgedient. Potentielle Bewerber fänden Arbeitgeber eher auf Social Media, auf Ausbildungsmessen, an den Schulen oder indem sie engagierte Praktikanten direkt übernehmen. Niederschwellig und eben anders, als es früher gemacht wurde. Von einem ersten Versuch, neue Wege zu gehen, berichtete Michael Brosch: „Wir gehen aktiv in die Schulen rein, legen eine Pizza auf den Tisch und kommen mit Schülern ins Gespräch.“
„Die Work-Life-Balance muss stimmen“
Und was fordern angehende Azubis? „Die Work-Life-Balance muss stimmen“, macht Berufsberater Nico Confortola deutlich. Auch die Arbeit im Homeoffice, flexible Arbeitszeiten und die Zusammenarbeit auf Augenhöhe seien den Bewerbern wichtig. Er glaubt, dass viele noch ein veraltetes Bild von den klassischen Ausbildungsberufen haben. Hinzu kämen der Wohlfühlfaktor und Aufstiegsmöglichkeiten. Elke Gierse, seit dem 1. August 2023 Ausbildungsleiterin bei der Stadt Halver, kann an diese Kriterien einen Haken machen.
Großes Potential, geeignete Bewerber zu finden, sehen Inga Frank und Berufsberater Nico Confortola (Agentur für Arbeit Lüdenscheid) in Ausbildungsmessen und Azubi-Speeddatings. Während die Stadt Halver bislang auf ihrer eigenen Internetseite, auf Social Media und in Medien Annoncen schaltete, empfahlen die Profis sich zusätzlich auf den Messen zu präsentieren und auch bei der Arbeitsagentur Stellen auszuschreiben. „Wir sind gut vernetzt und können die Stellen weitergeben“, so Confortola.
Eine Stelle blieb unbesetzt
Die Stadt bildet aktuell fünf Verwaltungsfachangestellte sowie einen Azubi mit dualem Studium aus – eine weitere Stelle blieb im aktuellen Ausbildungsjahr unbesetzt. Dass sich die Zeiten gewandelt haben, zeigt sich laut Bürgermeister Michael Brosch auch an der Anzahl der Bewerbungen: „40 bis 50 Bewerbungen gibt es nicht mehr“, gewährt er einen Einblick zur derzeitigen Lage. Inga Frank vermutet, dass junge Menschen gar nicht wissen, wie vielfältig die Einsatzbereiche eines Verwaltungsfachangestellten seien. Dahinter verbergen sich Jobs beim Ordnungsamt, Standesamt oder Bauamt und deckten facettenreiche Interessen ab. Die Beraterin sieht Eltern, Schulen und Jobcenter in der Pflicht, den jungen Menschen zu zeigen, was hinter sperrigen Begriffen steckt. „Man kann sich hier schon austoben“, warb der Bürgermeister für einen Job bei „seiner“ Stadt. Ein Punkt, den auch Roman Fröhlich (Teamleiter Arbeitgeber-Service) für wichtig erachtet: „Heute möchten nur noch wenige Arbeitnehmer jahrzehntelang denselben Job machen. Der öffentliche Dienst hat ein angestaubtes Image.“ Dabei könne man auch im Rahmen der Verwaltungslaufbahn die unterschiedlichsten Berufe ausüben.
Die Experten hatten einige Fragen an die Stadt Halver als Ausbilder dabei: Zum Beispiel erkundigte sich Nico Confortola danach, wie offen „man in Halver auch für schwächere Bewerber sei“. Er wies darauf hin, dass es viele Fördermöglichkeiten gebe – individuell und maßgeschneidert. Laut Elke Gierse wird bei der Auswahl kein Notendurchschnitt zugrunde gelegt, jedoch sollten die Leistungen in Deutsch und Mathe ausreichend sein. Dass unbesetzte Stellen auch durchaus mit einem von der Arbeitsagentur komplett finanziertem Jahrespraktikanten besetzt werden könnten, nahmen Brosch und Gierse als neue Erkenntnis aus dem Gespräch mit.
Und noch einen Impuls konnte Inga Frank vom Jobcenter geben, den der Bürgermeister sogleich notierte: Ob es nicht möglich sei, auch beim Baubetriebshof auszubilden, wollte sie wissen. Auch hier könne die Stadt spannende Berufsfelder anbieten und gleichzeitig für „Nachwuchs“ sorgen. Ein Appell, auch handwerkliche Berufe in den Fokus zu rücken.