Es ist fünf vor zwölf an einem kalten Samstag, und auf dem Sternplatz versammeln sich rund 200 Menschen, um für demokratische Werte und queere Rechte zu demonstrieren. Im Rahmen der Kampagne „Wähl Liebe!“ des CSD Deutschland sollte so kurz vor der anstehenden Bundestagswahl auf die Rechte und Diskriminierungserfahrungen marginalisierter Menschen in Deutschland aufmerksam gemacht werden.
Mit einer Eröffnungsrede begrüßte die Vereinsvorsitzende des CSD Lüdenscheid, Carina Büdenbender, die Demonstrierenden. „Eine Regierung, geführt von Rechtsextremen, wäre für queere Menschen keine Kleinigkeit, kein ’nur bisschen konservativer Wind‘ – es wäre eine existenzielle Bedrohung“, so Büdenbender in Bezug auf die anstehende Bundestagswahl und die Erstarkung rechtsextremer Parteien in den vergangenen Jahren – sowohl in Europa als auch weltweit.

Sie ging außerdem detailliert auf die drei Hauptforderungen der Kampagne des CSD Deutschland ein, der sich die Kundgebung anschloss. Unter dem Motto „Wähl Liebe!“ gingen an diesem Tag in vielen Städten in ganz Deutschland Menschen für demokratische Werte und queere Rechte auf die Straße.
„Es geht um unsere Zukunft“
„Wenn ihr in acht Tagen zur Bundestagswahl geht, dann geht es nicht nur um Parteien, sondern es geht um Werte. Es geht um die Frage, in welcher Welt wir zukünftig leben wollen. Es geht um unsere Sicherheit, es geht um unsere Rechte, und es geht um unsere Zukunft“, appellierte Büdenbender an die Anwesenden. Sie betonte, dass die Kundgebung nicht nur die Rechte der LGBTQ+-Community thematisiere, sondern auch die Belange anderer marginalisierter Gruppen wie People of Colour, Menschen mit Behinderung und Schutzsuchender. „Ich erhebe meine Stimme heute für all jene, die von diesem System ausgegrenzt und attackiert werden“, so Büdenbender weiter.
Zwischen den Redebeiträgen wurden über Lautsprecher verschiedene Lieder abgespielt, darunter „The Hanging Tree“ aus der Buchverfilmung Die Tribute von Panem sowie „Abendlandboogie“ des deutschen Künstlers Lemur.
Arbeitnehmerrechte, rechte Hetze und wachsende Gewalt
Laura Balzer von der IG-Metall-Jugend sprach in ihrem Redebeitrag über Arbeitnehmerrechte und rassistische Hetze. Als jüngstes Beispiel erwähnte sie den Anschlag auf einen Streik der Gewerkschaft ver.di in München am 13. Februar. Dieser sei, wie viele vergleichbare Vorfälle im letzten Jahr, von rechter Hetze begleitet worden und habe zu einem „Generalverdacht gegenüber nicht-weißen Arbeiter*innen“ geführt, so Balzer.
Mario Staudigel, Vorstandsmitglied des CSD Lüdenscheid, berichtete als Betroffener von zunehmender Gewalt gegen LGBTQ+-Menschen und rief zu einem friedlichen Miteinander auf. Michelle Wirth, eine Verbündete der queeren Community, sprach sich ebenfalls gegen Faschismus und Gewalt aus.
Ein Mitglied des Antifaschistischen Bündnisses Lüdenscheid (ABL) trug einen Leserbrief vor, der sich mit der lokalen Berichterstattung über eine geplante Filmvorführung von Nur ein Piks in einer Lüdenscheider Gaststätte beschäftigte. Der Film, eine kritische Dokumentation zur Corona-Pandemie, hatte den Veranstaltern aufgrund seiner Inhalte den Vorwurf des „Nazi“-Gedankenguts eingebracht. Der Redner des ABL nutzte den Leserbrief, um die Hintergründe dieser Vorwürfe zu beleuchten und die Verbindungen des Regisseurs Mario Nieswandt zur AfD aufzuzeigen.
Ein Appell an alle – Betroffene, Nicht-Betroffene und AfD-Wähler
Zum Abschluss der Kundgebung ergriff Janika Büdenbender, ebenfalls Mitglied des CSD Lüdenscheid, das Wort. Sie richtete sich sowohl an AfD-Wähler als auch an die „unbetroffene Mitte“ sowie an Menschen, die von rechter Hetze betroffen sind. Sie legte dar, dass die Antworten der AfD in ihrem Wahlprogramm zu kurz griffen und keine zielführenden Lösungen für aktuelle gesellschaftliche Probleme böten. Nicht-Betroffene forderte sie zur Solidarität auf – sowohl im Alltag als auch an der Wahlurne.

Mit eindringlichen Worten wandte sie sich an die Community selbst: „Lasst uns auch an unserer Wut festhalten, so lange es nötig ist, denn wenn wir sie verlieren, bleibt die Verzweiflung – und Verzweiflung lähmt. Wut aber aktiviert. Und wenn wir etwas sein müssen, dann aktiv und laut, damit wir dagegenhalten, damit wir Veränderung bewirken – für eine bessere, gerechtere Zukunft mit hoffentlich auch wieder mehr Liebe.“
Weitere Informationen zur Kampagne finden sich unter www.waehl-liebe.de.