Seit 2009 hat die AWO in Kierspe 67.418 Euro über Spenden einnehmen können. Allein 63.000 Euro davon sind in die Aktion „Tischleindeckdich“ gewandert.
Diese Aussage von Friedhelm Werner, Vorsitzender der Awo in Kierspe, der die Arbeit seines Ortsvereins in der Ausschusssitzung des Ausschusses für Demografie, Soziales und Familie von Mittwoch, 4. Juni, vorstellte, hat in der Versammlung die meiste Bestürzung hervorgerufen. Mit dieser Aktion unterstützt der Ortsverband der Arbeiterwohlfahrt die Kindergärten in Kierspe, damit alle Kinder, auch die, deren Eltern den täglichen Betrag für ein Mittagessen nicht aufbringen können, etwas zu essen bekommen.
Alle Anwesenden fragten sich, wie es sein kann, dass trotz des Teilhabegesetzes immer noch Kinder ohne Mittagessen oder Frühstück wären, wenn es diese Hilfe nicht gäbe. Antworten gab es nicht, nur Vermutungen wurden geäußert. So könne es sein, dass manche Familien den Weg zum Sozialamt scheuten oder dass sie gerade knapp über der Einkommensgrenze liegen, bei der sie noch staatliche Hilfen bekämen.
Klaus Stöhr, Kassierer des Ortsvereins, legte die Zahlen komplett offen. Bisher wurden 2.718 Kinder unterstützt, das bedeutet 39.388 Mahlzeiten, die es ohne den Verein nicht gegeben hätte. Am schlimmsten war es im Jahr 2010 als 483 Kinder unterstützt werden mussten. „Es war damals sogar so, dass einige Kinder die Reste der anderen Kindergartenkinder essen mussten, um überhaupt etwas zu bekommen. Daraufhin hat sich die Awo entschlossen, hier unterstützend einzugreifen“, erzählt Friedhelm Werner. Nach Einführung des Teilhabegesetzes wurde es besser, aber im letzten Jahr waren es immer noch 95 Kinder, die unterstützt werden mussten. „Dabei wollen wir gar nicht wissen, wer genau diese Hilfe bekommt. Wir wollen diese Gelder ganz bewusst anonym spenden“, sagt der Vorsitzende.
Die Awo, und mit ihr Friedhelm Werner, hofft, dass sie die Unterstützung noch lange wird leisten können, aber mit schwindender Mitglieder- und Spenderzahlen wird die Situation immer heikler. „Es wird immer schwieriger, das, was die AWO ausmacht, am Leben zu halten“, sagt der Vorsitzende. „Es mangelt an ehrenamtlichen Mitgliedern, die in der Lage und willens sind, Zusammenkünfte und Treffen zu organisieren und zu leiten. „Corona hat uns da viele Helfer genommen“, bedauert er, sieht aber gleichzeitig auch in der Unterstützung, die sich die Kiersper in der Pandemiezeit gegeben haben, einen großen Hoffnungsschimmer. „Damals hat man sich gegenseitig problemlos geholfen, wenn jemand zum Beispiel nicht einkaufen gehen konnte oder es wurden Fahrdienste zu den Impfterminen angeboten.“ Dieses Engagement wünscht er sich heute wieder.
Im Moment ist er traurig darüber, dass viele Angebote der Awo, wie die Selbsthilfegruppe der an Parkinson Erkrankten oder der wöchentliche Stammtisch mit Kaffeetrinken, Spielen und Gesprächen, aktuell eingestellt werden müssen. Obwohl die Awo in Kierspe noch immer mit 130 Mitgliedern einer der mitgliederstärksten Ortsvereine ist, sei es schwierig, Leute zu finden, die Angebote mit Kontinuität weiterführen würden. „Spontan springen viele gern mal ein, aber bei einer regelmäßigen Wiederholung wird es schwierig“, bedauert er.
Dennoch sollen natürlich weiterhin die Awo-Einrichtungen wie das Seniorenzentrum oder die Kindergärten unterstützt werden. So wie es in der Vergangenheit mit einem Zuschuss für Spielgeräte für die Kinder oder Bänke für die Senioren geschehen ist.
Auch die jährliche Fahrt zum 1. Mai, die bei den Kierspern sehr beliebt ist, soll weiter bestehen bleiben, angedacht ist auch eine zweite Fahrt im Herbst. „Allerdings laufen uns auch hier die Kosten davon“, berichtet Friedhelm Werner. „Daher haben wir uns an die Rüdiger-Potthoff-Stiftung gewandt. Die können uns einmalig finanziell unterstützen. Aber dann müssen wir von Jahr zu Jahr neu überlegen, wie wir die Kosten stemmen können.“
Abschließend hat der Vorsitzende der Awo bestätigt, dass das Hühnerfest, das für den 29. Juni geplant ist, definitiv stattfinden wird. Zum Schluss wünschte er sich noch einmal, in der Zukunft mehr Helfer zu haben. „Mir macht die Arbeit sehr viel Spaß“, beteuert er und hofft, dass er seinen Elan auch auf andere übertragen kann. Auch über Spenden würde sich die AWO sehr freuen. „Die dürfen gern auch zweckgebunden sein, zum Beispiel für das Tischleindeckdich-Projekt.“