„Ich finde es schlimm, dass sich kaum Menschen um die Tiere kümmern. Die wenigsten sehen sie überhaupt als Lebewesen an“, erklärte Adelina Bogujevci, die sich in ihrer Freizeit um verletzte, behinderte und ausgestoßene Tauben kümmert.
Alles begann vor circa vier Jahren, als Adelina Bogujevci erstmals bewusst mit Tauben in Kontakt kam: Auf dem Heimweg von ihrer Ausbildung fand sie eine hilflose Taube. Das Tier konnte nicht mehr fliegen und verharrte an einer Stelle. Nachdem sie im Internet recherchierte, brachte sie den Vogel zu einer Auffangstation in Iserlohn, seither kümmert sie sich selbst um Tiere. Was mit Fahrten von der Fundstelle bis zur Pflegestelle begann, endete bald darin, dass sie auch selbst Tiere bei sich aufnahm.
Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, für die Tiere da zu sein: „Mein Leben dreht sich um die Tauben. Ich plane mein Leben drum herum“, erklärte die Taubenretterin. „Ich bekomme mehrmals die Woche Anrufe von Menschen, die Tauben finden. Sie sind meistens in Not und bewegen sich nicht mehr“, erklärte sie im Gespräch mit LokalDirekt. In diesen Situationen holt sie die Tauben von der Fundstelle ab. Im besten Fall, so Adelina Bogujevci, werden ihr die Tauben aber persönlich gebracht.
Woher stammen die ganzen Tauben in den Städten?
Die Ansiedlung der Stadttauben verursachten die Menschen bereits vor vielen tausenden Jahren. „Tauben wurden früher als Nutztiere gehalten. Die Menschen haben die Eier und ihr Fleisch gegessen“, sagte Adelina Bogujevci. Durch Kriege und den gesellschaftlichen Wandel seien die Tauben aber immer öfter ausgesetzt worden, da sie nicht mehr vernünftig versorgt werden konnten. Die Tiere blieben immer in der Nähe des Menschen, da sie wussten, dass sich dort jemand um sie kümmert. Zudem sind sie domestiziert, also vom Menschen abhängig, da sie nie etwas anderes beigebracht bekommen hätten.
Der Grund, warum sich Tauben überwiegend in Städten aufhalten und weniger in Parks oder der freien Natur, liegt in der Herkunft: „Die Stadttauben stammen ursprünglich von Felsentauben ab, die ihre Eier auch dort brüteten. Heute nisten sie stattdessen in Städten, da die Gebäude für die Tauben große Ähnlichkeiten mit ihren natürlichen Brutplätzen haben“, erklärte die Taubenexpertin.
Den Stadttauben schließen sich außerdem sehr viele Brieftauben an, weshalb die Population zusätzlich wachse. Während der Flugrennen, die Züchter organisieren, gehen unzählige Brieftauben verloren, da sie die Orientierung verlieren oder zu erschöpft sind. „Dazu kommen noch Hochzeitstauben, um die sich nach dem Hochsteigen nicht mehr gekümmert wurde und die sich deshalb den Tauben in der Stadt anschließen mussten“, sagte Adelina Bogujevci.
„Wir brauchen Taubenhäuser“
Viele Lüdenscheider seien über die vollgekoteten Fassaden verärgert. Die 23-Jährige könne den Frust der Anwohner und Passanten auch verstehen. „Der Kot der Tauben würde mich ebenfalls nerven, wenn ich Anwohnerin wäre. Aber die Tiere können dafür nichts. Sie sind standorttreu und können nicht weg. Dort wo sie geboren werden, bleiben sie auch ein ganzes Leben“, erklärte sie. Dass die Fassaden so immens vollgekotet sind, habe auch einen guten Grund: Tauben, die eigentlich reine Körnerfresser sind, fressen, was sie finden. Lebensmittel wie Pommes oder Brotkrümel sind sehr schlecht für den Magen der Tiere. Sie verursachen Bauchschmerzen und starken Durchfall.
Taubenhäuser könnten die Lösung für das Problem sein: „Taubenhäuser in der Stadt würden sehr viele Probleme lösen“, erklärte Bogujevci. Die Tiere könnten dort Unterschlupf finden, Futter bekommen und die Eier von den Tauben könnten ausgetauscht werden um die Geburten besser zu kontrollieren. Sie würden die meiste Zeit in den Häusern verbringen und sich deutlich weniger in der Stadt bewegen. Außerdem wären die Fassaden nicht mehr voller Vogelkot, da die Tauben ihr Geschäft in den Häusern erledigen würden.
Die Stadt Lüdenscheid habe der Ehrenamtlerin auch schon versichert, dass sie die Taubenhäuser finanzieren würden. Die Problematik dahinter sei jedoch, den richtigen Standort zu finden. Bogujevci: „Die Häuser müssen auf jeden Fall in der Höhe gebaut werden. Wenn diese auf dem Boden stehen würden, bin ich mir sicher, dass die Menschen die Taubenhäuser zerstören würden.“
Außerdem wisse Bogujevci, dass Taubenhäuser mit viel Arbeit verbunden sind. „Nach dem Bau der Häuser muss sich immer jemand darum kümmern, die Tauben zu füttern, die Eier auszutauschen und das Haus zu reinigen. Das würde ich sogar auch noch übernehmen“, betonte die Ehrenamtlerin. Insgesamt sei dies auf lange Sicht, so Adelina Bogujevci, aber die beste Lösung für die Tiere und für die Anwohner der Stadt.
Unterstützung für das Tierheim Dornbusch
Im Tierheim Dornbusch gibt es den Lebenshof mit rund 300 Tauben, den Gabriele Schuchardt vor 15 bis 20 Jahren errichtete. In diesem sind Tauben untergebracht, die ihr Leben dort verbringen – insbesondere vertreten sind verwilderte Brieftauben, die von den Rennen nicht mehr nach Hause finden und für die Züchter überflüssig sind. Das Tierheim nimmt die „Verlierer-Tauben“ auf und kümmert sich anschließend um diese. „Manche Tiere leben hier schon seit der Eröffnung des Lebenshofs“, erzählte Adelina Bogujevci, die die Tauben selber von der Fundstelle ins Tierheim bringt. Außerdem gibt es ein extra Häuschen, in denen nur Tauben leben, die eingeschränkt sind – zum Beispiel durch halbseitige Blindheit und andere körperliche Einschränkungen.
Aktuell kümmern sich im Tierheim sechs Ehrenamtlerinnen um die Tauben. „Wir haben sogar eine Ehrenamtlerin, die einmal in der Woche aus Bonn kommt“, erzählte Adelina Bogujevci. Noch mehr Unterstützung sei aber auf jeden Fall erwünscht. „Jede Hilfe ist wertvoll und jeder soll so viel machen, wie er es zeitlich stemmen kann. Ein paar Stunden in der Woche sind schon sehr hilfreich.“
Adelina, die im Kinderdorf in 24 Stunden Diensten arbeitet, ist selber zwei bis dreimal die Woche für sechs bis sieben Stunden im Tierheim. „Es ist zeitlich wirklich anspruchsvoll. Manchmal denke ich auch, dass es zu viel wird. Ich weiß aber, dass die Arbeit sonst keiner macht. Das ist auch meine Hauptmotivation. Ich will den Tieren einfach helfen und den Menschen zeigen, dass Tauben auch lebenswerte Tiere sind“, so die 23-Jährige. Am meisten wünsche sie sich aber, dass die Leute anfangen, mehr Mitgefühl für die Tiere zu zeigen: „Ich vergleiche die Stadttauben auch gerne mit Straßenhunden aus anderen Ländern, denn die Tauben sind mindestens genauso arme Tiere wie die Straßenhunde.“
Alles was an Tauben oder anderen Vögeln nicht wegfliegt oder weggeht, braucht Hilfe, so Adelina. Die Tiere sollten in einem Stoffbeutel oder in einem Karton gesichert und anschließend ins Tierheim gebracht werden. Alternativ gibt es bei Facebook noch die Gruppe „Tauben-Notfallmeldung“, in der ehrenamtliche Päppler sind, die die Tiere wieder gesund pflegen.