Nach dem letzten Treffen mit Kolleginnen, Kollegen und einigen Ehrenamtlichen beim Brunch in der Beratungsstelle an der Lessingstraße dreht sie noch einmal eine Runde durch das Haus. „Ein Ritual“, sagt Sonja Middendorf. „Das gehört für mich zum Loslassen dazu.“
Dieter Löbel, ein Kollege aus der Psychologischen Beratungsstelle des Diakonischen Werkes, gab ihr einen kernigen Spruch Martin Luthers mit auf den Weg. „Tritt fest auf, mach’s Maul auf, hör bald auf“, soll der Reformator einmal gesagt haben. Sonja Middendorf wird’s beherzigen. Es dürfte der patenten Frau nicht schwerfallen.
Spuren hinterlassen
Sie hat in 37 Jahren Spuren hinterlassen – bei Kolleginnen und Kollegen und bei ungezählten Klientinnen und Klienten. Da war auch oft mal ein klares Wort notwendig.
Ihr Abschied hat sich über mehrere Wochen hingezogen. „Ich bin reich beschenkt worden“, berichtet Sonja Middendorf. Davon zeugt nicht nur der reich gefüllte Gabentisch im Gruppenraum der Beratungsstelle. Auch ehemalige Klientinnen und Klienten haben ihr liebe Grüße überbracht. „Das alles erfüllt mich mit Dankbarkeit“, sagt die Neu-Rentnerin.
Sonja Middendorf war immer nah bei den Menschen. „Unsere Klienten sind für mich zuerst Menschen. Ich begegne ihnen auf Augenhöhe.“ Das war für sie immer das Hauptprinzip und oft auch der Einstieg in eine erfolgreiche Therapie.
Vier Standorte
Humboldtstraße, das Lutherhaus an der Heedfelder Straße, die Büros im Haus Frankenstraße 1 und zum Schluss der Arbeitsplatz an der Lessingstraße: So wie die Standorte der Beratungsstelle haben sich in beinahe vier Jahrzehnten auch die Aufgaben in der Suchtberatung gewandelt. Anfangs stand die Beratung alkoholabhängiger Menschen im Mittelpunkt. Nach und nach kamen neue Suchtformen hinzu – Spiel- und Medikamentenabhängigkeit oder auch Essstörungen.
Sonja Middendorf vergleicht ihre Klientinnen und Klienten gerne mit Pflanzen. „Wenn sie zu uns kommen, sind sie wie ein Samen unter der Erde, aber mit fortschreitender Arbeit trauen sie sich ans Licht und wachsen zu einer schönen Blume heran.“ Das zu beobachten gebe Freude und Befriedigung.
Ihre eigene Kraft zieht Sonja Middendorf auch aus ihrem christlichen Glauben. Missionieren bei der Arbeit sei nicht ihr Ding. Aber: „Ich verleugne mein Christsein aber auch nicht.“
Initiatorin des Arbeitskreises Sucht Süd
Bei der Zusammenarbeit von Sucht-Profis und Selbsthilfegruppen hat Sonja Middendorf viel bewegt. Sie gehörte gleich zu Beginn ihrer Arbeit in Lüdenscheid 1987 zu den Initiatorinnen des Arbeitskreises Sucht Süd. Zudem war sie immer eine wichtige Ansprechpartnerin für das ehrenamtlich geführte alkoholfreie „Café Sprungbrett“.
Wer die erfahrene Therapeutin kennt, weiß, dass sie im Ruhestand nicht untätig bleiben wird. Zunächst träumt sie von ihrem Sehnsuchts-Land Thailand, das sie schon mehrfach besucht hat. „Ich liebe die Wärme, das Wasser und die freundlichen Menschen.“ Eins ist sicher: Auch ihnen wird Sonja Middendorf auf Augenhöhe begegnen.