In seinem 80-minütigen Vortrag in der Stadthalle Olpe skizzierte er die geopolitische und -ökonomische Weltlage. Mit seiner Analyse und den Rezepten, wie Deutschland und Europa wieder zu alter Stärke kommen können, traf er den Nerv der 370 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Kommunen. Gabriel, der auch Vorsitzender der Atlantikbrücke ist, eines Verbandes, der die Kontakte in die USA pflegt, riet trotz aller Probleme mit Präsident Trump und seiner Zollpolitik, die USA „an Bord zu halten“.
Denkweise anderer berücksichtigen
Gabriel skizzierte, wie sich der Fokus der USA von Europa Weg auf den Indopazifik gerichtet habe. Diese „Zeitenwende“ hätten schon die US-Präsidenten George W. Bush und Barack Obama eingeleitet. „Trump ignoriert die Idee der Allianzen“, die nach dem 2. Weltkrieg entstanden seien. Die Weltordnung sei im Wandel. „Was für uns gut klingt, sieht im globalen Süden ganz anders aus“, so Gabriel. Er warb dafür, sich in die Lage der anderen zu versetzen, Kritik an doppelten Standards, nach denen der Westen bisher agiert habe, ernst zu nehmen. Man müsse akzeptieren, dass andere Kulturen ihren eigenen Weg gehen.
Putin wolle seine imperialistischen Ziele durchsetzen und nicht „Chef einer Großtankstelle sondern Großmacht sein“. Er führe einen Krieg gegen den vermeintlich „dekadenten Westen“ und dürfe damit nicht durchkommen. Gabriel wies darauf hin, dass unter Willy Brandt der Verteidigungsetat vier Prozent betragen habe, doppelt so hoch wie derzeit. Militärische Stärke und Verhandlungen sei zwei Seiten einer Medaille.
Im Zollstreit mit den USA solle man sich keine Illusionen machen, dass Trump in Europa einen Bündnispartner sehe. Allein schlechte volkswirtschaftliche Zahlen seien für ihn eine rote Linie. Als positiv wertet Gabriel, dass die Gespräche über die Zölle bisher vorankommen. Er hoffe, dass sich ökonomische Vernunft durchsetze. Es gelte, die USA an „Bord zu halten“. Aber Europa habe auch eigene Interessen und Druckmittel. Er warnte vor Populisten wie der AFD, die sich gegen Europa stellen. Das AfD-Programm sei „ein Programm für Massenarbeitslosigkeit“.
Weg von Sozialhilfe-Staat – Zeiten werden anstrengender
Der Ex-Außenminister lobte die neue Regierung für ihr Engagement, in Europa geschlossen zu agieren. Gut sei, dass sie die Schuldenbremse gelockert habe, um die Bundeswehr zu modernisieren und ein 500-Milliarden-Paket für Infrastruktur aufgelegt habe. „Es wird nicht preiswerter, die Infrastruktur verkommen zu lassen.“ Gleichzeitig müsse das Planungsrecht entschlackt und die Verbandsklage wieder abgeschafft werden. Aufgabe des Sozialstaates sei es, „Herkunft von Zukunft zu trennen“, um aus seinem Leben etwas machen zu können. Der Sozialhilfe-Staat könne nicht das Ziel sein. Hier müsse sich die SPD neu orientieren.
Man müsse den Menschen auch sagen, „dass die Zeiten anstrengender werden“ und „die wunderbaren Jahre vorbei sind.“ Das Motto müsse sein: „Ärmel hochkrempeln“, um das Land und Europa stark zu halten. Gabriel erinnerte an die schwierigen Zeiten nach dem Krieg und machte Mut: „Warum sollten wir das nicht auch schaffen?“. Damit hatte der SPD-Politiker den Nerv der Besucher aus Wirtschaft und Verwaltungen getroffen. Mehr Beifall hätte es wohl auch nicht für den amtierenden Kanzler gegeben.