Eine Begegnung mit dem Bürgermeisterkandidaten Uwe Schmalenbach aus Herscheid.
Herscheids Rathaus, der Dienstsitz von Bürgermeister Uwe Schmalenbach, ist ein Bauwerk mit Jahresringen wie ein Baum. Es zeigt wie kein zweites Gebäude, wie die Gemeinde über die Jahrzehnte groß geworden ist. Ganz hinten steht das alte Amtshaus von 1888, in der Mitte „Haus 2“, das eigentlich der „Neubau“ von 1970 ist und das als Zweckbau errichtet wurde, als Herscheid den Kampf gegen eine Einverleibung im Zuge der kommunalen Gebietsreform gewonnen hatte. 2000 wurden der neueste Rathaustrakt und der Bürgersaal zur Straße Auf dem Rhode angebaut. Schmalenbachs Dienstzimmer befindet sich in Haus 2, also im mittleren Bau, dort, wo seit 1970 auch der Gemeindedirektor saß und der Gemeinderat sein Sitzungszimmer fand.

War aber „Haus 2“ damals eine ziemliche Büromaschine ohne jeden Schmuck, wurde der Bau nach einem Brand im Jahr 2009, Schmalenbachs erstem Bürgermeisterjahr (!), renoviert. Und: In Uwe Schmalenbachs Büro befindet sich ein großes Panoramafenster zur Plettenberger Straße hin, das tief zum Boden ausgreift und das zweierlei dient: Von außen sieht man, guckt man genau hin, den Bürgermeister am Schreibtisch. Von innen hat der Verwaltungschef einen weit schweifenden Blick auf Dorf und Höhenzüge.

Termin bei Uwe Schmalenbach. Der Bürgermeister läuft dem LokalDirekt-Reporter ein Stück entgegen, holt ihn im Office ab.  Am Besprechungstisch sitzt Schmalenbach dann so, dass seinem Gast aus Plettenberg der Blick durch’s Panoramafenster nach außen gegönnt ist. Das hat etwas Relaxtes, etwas Gewinnendes, tatsächlich. Uwe Schmalenbach strebt in Herscheid die vierte Amtszeit als Bürgermeister ein.

Nicht der dienstälteste Bürgermeister im Kreis

Während es im benachbarten Plettenberg inzwischen usus scheint, dass der Bürgermeister nach zwei Perioden nicht mehr kandidiert, sogar die Stadt verlässt, will Schmalenbach weiter machen. „Nein“, sagt er, der dienstälteste Bürgermeister im Kreis werde er auch nach der eventuellen Wiederwahl nicht sein, denn sein Kollege Hubertus Mühling in Balve kandidiere gerade zum fünften Mal. Allerdings hat Mühling einen Konkurrenten, Schmalenbach hingegen geht als einziger Bewerber ins Rennen, unterstützt von allen im Rat vertretenen Fraktionen.

Aber dennoch: Wieso mutet sich Schmalenbach eine vierte Amtszeit zu? „Ist keine Zumutung; das Amt macht nach wie vor Freude“, gibt der 53-Jährige zurück und setzt „Ich habe Verantwortungsbewusstsein und will weiter gestalten“ nach. Uwe Schmalenbach überlegt, schätzt seine Position ein, formuliert: “In Herscheid ist das Amt schön, aber insgesamt wird es schon schwieriger.“ Gleichwohl: „Für meinen Heimatort etwas zu bewegen finde ich attraktiv.“ Auch wenn das Bürgermeisteramt eine große Belastung sei, „keine Frage“. Sagt’s und lässt erkennen, dass die Familie manches auffangen und wegstecken muss, damit es im Rathaus und zuhause läuft.

Stichwort Familie: Die Schmalenbachs und Herscheid, das ist eine lange Geschichte. „Die Familie ist lange in Herscheid verwurzelt“, beginnt Uwe Schmalenbach mit einem Exkurs in die Historie. „Eigentlich ist die Familie aus Halver zugewandert. Seit 300 Jahren sind wir in Herscheid und waren immer ansässig in der südlichen Dorfmitte.“ Das hat sich bis heute nicht geändert.

Die Schmalenbachs in Herscheid: Drei Jahrhunderte lang die Geschichte vom Machen

Schmalenbachs sind vor drei Jahrhunderten nicht nur gekommen um zu bleiben, sondern auch, um etwas zu bewegen, das lehrt ein Blick in die Gemeindegeschichte. Uwe Schmalenbach verwahrt Vereins- und Orts-Chroniken in seinem Büroschrank, hat sie schnell zur Hand. Einlegeblätter, Kopien, Ausgeschnittenes in den Büchern und Broschüren bezeugen, dass sich Uwe Schmalenbach mit der Familien- wie der Gemeindegeschichte beschäftigt und sich in der Tradition seiner Vorfahren sieht.

„Johann Gerhard Schmalenbach war Munizipalrat; das entspricht einem Ratsmitglied. Caspar Schmalenbach war Beigeordneter und Stellvertreter des Amtsmannes.“ Der Bürgermeister blättert in der 100-Jahr-Chronik der Freiwilligen Feuerwehr Herscheid von 1992 und zieht eine Kopie hervor, die er einst von Kreisheimatpfleger Herbert Schulte von der Helle erhielt: „Eduard, mein Ururgroßvater, regte die Gründung einer Freiwilligen Feuerwehr an. Er war dann 1892 Mitgründer und danach langjähriges Mitglied der Feuerwehr. Sein Bruder Emil war der erste Wehrleiter.“

Schmalenbachs Vater Kurt ist inzwischen 60 Jahre Mitglied der Feuerwehr Herscheid, wurde mit der Feuerwehr-Sonderauszeichnung des Verbandes der Feuerwehr NRW in Gold ausgezeichnet. Vater Schmalenbach besucht so gerne wie regelmäßig die Zusammenkünfte der Ehrenabteilung der Feuerwehr; sein Sohn, der Bürgermeister, bringt ihn dann dort hin. Die Schmalenbachs sind in der Herscheider Feuerwehr, das zeigt der kurze Ausflug in Vergangenheit und Gegenwart, nicht nur bloße Episode. Die Beiträge der Familie zur Wehrgeschichte belegen eine Erzählung vom Machen über Generationen.

Die Schmalenbachs haben eine besondere Beziehung zur Feuerwehr. Ein Meilenstein war in der Amtszeit von Uwe Schmalenbach als Bürgermeister der Bau des neuen Gerätehauses in Rärin. - "Ich habe mich immer darum gesorgt, dass unsere Feuerwehr funktionierte," hatte einst Schmalenbachs Ausbilder, der frühere Gemeindedirektor Karl Otto Schürmann, eingestanden.
Foto: Schlütter

Im Herscheider Rathaus hat Uwe Schmalenbach einen Werdegang wie aus dem Film vorzuweisen: vom Azubi zum Bürgermeister und Behördenleiter. Wer sich einlesen möchte, findet den Werdegang hier. Am 30. August 2009 wurde Schmalenbach erstmals zum Bürgermeister gewählt, nachdem Wolfgang Vöpel als ehrenamtlicher Bürgermeister und danach Karl Peter Heinz und Lothar Schütz als hauptamtliche Bürgermeister jeweils nur eine Wahlzeit absolviert hatten.

Wird er gewählt, könnte er der am längsten wirkende Bürgermeister der Nachkriegsgeschichte werden

Dabei war Herscheid nach dem 2. Weltkrieg eigentlich Kontinuität gewohnt. Alfred Herfel war ab 1948 immerhin 13 Jahre Bürgermeister, Erwin Schöttler stolze 18 Jahre, Wolfgang Weyland wiederum 15 Jahre. Uwe Schmalenbach bringt es bis heute auf 16 Jahre im Amt.  Nun kandidiert er erneut, nachdem er sich geprüft habe, ob er weiter für das Amt tauglich sei. „Alle fünf Jahre muss man entscheiden, ob man noch einmal kandidiert.“ Macht es der Körper mit? Was sagt die Familie? Hat man im Amt noch etwas zu bestellen oder ist man – um es salopp und etwas despektierlich zu sagen – ausgemolken? Uwe Schmalenbach hat sich entschieden, fühlt sich weiter fit und leistungsfähig, hat noch Aufgaben vor der Brust – und kandidiert erneut. 

Dass es ohne Unterstützung der Familie nicht funktioniert – Uwe Schmalenbach hat mit seiner Frau Alexandra die silberne Hochzeit gefeiert, das Ehepaar hat eine erwachsene Tochter – der Bürgermeister gibt es unumwunden zu. „Am Abend und am Wochenende bin ich wirklich oft unterwegs“, sagt der Bürgermeister. Das überschaubare Herscheid macht es aber möglich, dass einige Termine auch für ein Paar funktionieren. Und überhaupt, Herscheid: „Ein Bürgermeisterposten in einem anderen Ort käme für mich nicht in Frage – woanders fehlte mir die Leidenschaft.“ Sagt’s, überlegt kurz und setzt noch einmal nach: „Wenn, dann Herscheid!“

In der Antwort liegt auch die Begründung für fortgesetzte Amtszeiten: „Fünf Jahre als Bürgermeister sind wenig Zeit. Man braucht eine längere Wegstrecke.“ Das gilt nicht nur für die Verwirklichung von Ideen und Plänen, das bezieht sich auch auf etwas, was man gemeinhin „Sattelfestigkeit“ nennt. „In Herscheid wird erwartet, dass der Bürgermeister alles weiß und eine Antwort hat.“ Das sei aber auch sein Anspruch an sich selbst, gibt Schmalenbach zu verstehen. Er will in den Themen sein, will analyse- und urteilsfähig sein. Der Mann, der im „Haus 2“ gewissermaßen im Schaufenster sitzt, sieht sich zuvorderst als Teil der staatlichen Verwaltung, als Behördenleiter, als gesetzlichen Vertreter der Gemeinde. „Die Repräsentation macht 20 bis 30 Prozent meiner Arbeit aus.“ Mindestens 70 Prozent umfassten jedenfalls das, was einstens die Aufgabe eines Gemeindedirektors war – die Leitung der Behörde.

Auch eine Repräsentationsaufgabe des Bürgermeisters: Uwe Schmalenbach schickt die Stöberkinder auf die Entdeckungstour in die Berufswelt der Erwachsenen.
Foto: Schlütter

Wer länger dabei ist, erinnert sich noch gut an das gut funktionierende Duo aus hauptamtlichem Gemeindedirektor und ehrenamtlichem Bürgermeister. Seit 1999 liegen beide Ämter in einer Hand – eine fordernde Angelegenheit. Wie steht man das durch, wer coacht den Bürgermeister, wer ermutigt ihn?

Er erkannte früh: Für die Öffentlichkeitsarbeit muss eine Vollblutjournalistin ran

„Man muss sich schon selbst motivieren. Man kann nicht erwarten, dass Lob kommt“, ist Schmalenbach abgeklärt … und gibt unumwunden zu, dass er sich von den krawallgeneigten (un)sozialen Medien fernhält. Über die Mediabeauftragte Felicitas Hochstein, eine journalistische Powerfrau, ist Herscheid in Facebook, Instagram  & Co. vertreten. Der Bürgermeister selbst übt sich in ausgewogener Selbstbeschränkung und sagt „Das Netz ist nicht die Querschnittsmeinung.“

Das provoziert die Frage, auf wen Uwe Schmalenbach hört, wie er sich seine „Querschnittsmeinung“ bildet. Es seien die Veranstaltungen, auf denen er angesprochen werde, es seien die persönlichen Kontakte, Vereinskolleginnen und -kollegen wie in der DLRG oder dem Heimatverein. Und es sei die „offene Tür“ zu seinem Büro – das Zimmer mit dem großen Fenster, aber das hatten wir ja bereits. Jedenfalls stehe die Tür zum Büro des Bürgermeisters in der Regel offen und die Mitarbeiter des Rathauses fänden schnell und unkompliziert ein Ohr.

Der Bürgermeister ist der Quotenkerl in der Führungsspitze des Herscheider Rathauses. Sabine Plate-Ernst ist seit 40 Jahren bei der Gemeinde Herscheid. Hier gratulieren der Bürgermeister und Angelika Kanzler vom Personalrat zum Dienstjubiläum von Sabine Plate-Ernst. Sie ist eine von drei Fachbereichsleiterinnen der Gemeinde.
Foto: Gemeinde Herscheid

Ein "Quotenkerl" oder "Hahn im Korb" in der Verwaltungsspitze

Eine Besonderheit ist im Herscheider Rathaus die Geschlechterverteilung der Führungsriege. Die drei Fachbereiche werden von Damen geleitet, das sind Sabine Plate Ernst, Barbara Sauerland und Sandra Schöttler. Uwe Schmalenbach ist in der Verwaltungsspitze der Quotenkerl. Ist das schwierig, Herr Bürgermeister? Wie geht „Mann“ damit um?  -  „Ist problemlos“, winkt Uwe Schmalenbach fast beiläufig ab und findet, dass die Zusammenarbeit gut und harmonisch vonstatten gehe. „Die drei Damen haben natürlich ihre Positionen und Meinungen. Alles wird diskutiert. Zum Schluss muss es eine Verwaltungsmeinung geben.“ Soll heißen: Wenn sich die Verwaltung äußert, wird eine gemeinsam getragene Haltung vorgetragen. Eine Verwaltung wie andernorts, die mit zwei, gar drei Zungen spricht und sogar einen Dissens klar zu erkennen gibt, hält Schmalenbach für untragbar.

Es ist geglückt: Die Schützen- und Gemeinschaftshalle von 1957 konnte saniert, umgestaltet und multifunktional ertüchtigt werden.
Foto: Seniorenunion Herscheid

Zu einer gemeinsam formulierten Meinung zu kommen, scheint das Credo des Herscheider Bürgermeisters überhaupt zu sein. Für den nicht parteigebundenen Schmalenbach gilt im Umgang mit der Politik ein Dreiklang: „Mit allen reden, Chancen erkennen, Spielräume nutzen“. Wer die Herscheider Ratspolitik beobachtet, stellt einen hohen Grad an Übereinstimmung in kommunalen Fragen fest. Schmalenbach ist mit allen Fraktionen im Gespräch und er legt großen Wert darauf, keine Gruppierung zu bevorzugen oder gar, sich auserwählte Politiker mit exklusiven Informationen gewogen zu machen. „Ich spreche mit allen gleich, behandele alle gleich, nehme grundsätzlich an keinen Fraktionssitzungen teil.“ Er wisse genau: „Im Rat habe ich nur eine Stimme; letztlich entscheiden die Fraktionen.“

Ein Meilenstein: Am Rahlenberg entstand das Bildungszentrum.
Foto: Schlütter

Eine lange Liste gelungener und gemeinsam umgesetzter Projekte

Schmalenbach sieht das nüchtern, geht mit dieser politischen Realität so abgeklärt wie konstruktiv um, sagt dazu nur „Man muss Spielräume identifizieren.“ Diese erkennungsdienstliche Behandlung von Optionen, die sich bieten, liegt bei der Methode Schmalenbach ganz klar beim gewählten Bürgermeister. Er zeigt Möglichkeiten auf; Entscheidung und Zugriff kommen den Politikern zu. Trefflich funktioniert hat das beim Bau des Ebbekreisels und der Dorfwiesen, bei der Sanierung und Neugestaltung des Freibades, bei der Verwirklichung des Bildungszentrums, bei der durchgreifenden Renovierung der Schützen- und Gemeinschaftshalle, beim Bau der neuen Feuerwache in Rärin.

Die Dorfwiesen erwiesen sich als Geniestreich.
Foto: Rath

Hat Schmalenbach erstmal „Spielräume identifiziert“, wird beim Tempo zugelegt. „Wir können nur über Förderprogramme weiterkommen und beteiligen uns nur dort an Programmen, wo wir die klare Notwendigkeit zum Handeln sehen.“ Heißt: Ein „Nice to have“ ist in Herscheid kein Argument, um Fördermittel einzuwerben und mit eigenen Haushaltsmitteln zu unterlegen. Nur ohnehin Erforderliches wird angefasst – das aber jeweils höchst energisch. „Wenn andere noch diskutieren, haben wir schon den Förderantrag gestellt“, hatte Schmalenbach die Herscheider Zielstrebigkeit beschrieben, als er sich im Frühsommer formell bei den Parteien und Gruppierungen in der Gemeinde vorstellte.

Eine gelungene Sache: Das sanierte Freibad der Gemeinde Herscheid.

Man könnte die beschriebene Arbeitsteilung – Schmalenbach idenfiziert Spielräume und schlägt vor, Politik entscheidet – fälschlicherweise als Wegducken, Verstecken oder ein Spielmachen aus der zweiten Reihe fehldeuten. Könnte man – aber der Bürgermeister arbeitet mit wohlkalkuliertem Risiko. „Man muss bei zentralen Themen auch mutig sein – nicht spontan, nicht unüberlegt, aber wenn die Dinge eindeutig sind, dann muss man klar benennen, was wir wollen.“   

Das Herscheider Bildungszentrum entstand durch massiven Neubau und die Gestaltung der Umlage aus der aufgegeben Hauptschule, der alten Aula und einem Teil der alten Grundschule.
Foto: Aschauer-Hundt

Mut haben, ehrlich sein, klar kommunizieren: Was Uwe Schmalenbach damit meint, hat sich beim Bau des Bildungszentrums gezeigt. Die Vision mit der Ehrlichkeit zu verknüpfen, das neuere Grundschulgebäude abzureißen, das ältere Hauptschulgebäude zu sanieren, darauf das Bildungszentrum aufzubauen, beide Grundschulen aufzulösen, die Schule in Hüinghausen zu schließen, im Bildungszentrum eine ganz neue Grundschule zu etablieren – das war durchaus kühn, also mutig. Wahrscheinlich geht so etwas nur, wenn viel gesprochen, argumentiert, erklärt, Überzeugungsarbeit geleistet wird  -  und der Bürgermeister klar zu erkennen gibt, dass es die Gemeinde aller ist, um die es geht. Dass es nicht um des Bürgermeisters Karriere, nicht um höhere Weihen, nicht um ein das Einwerben von Meriten für ein prestigeträchtigeres Amt in einer Stadt, im Kreis, im Land oder Bund geht. Wie sagte Schmalenbach, der Mann im Schaufenster, noch gleich: „Wenn, dann ist es Herscheid!“

Siehe auch LokalDirekt: Bürgermeister hat auch nach 16 Jahren noch Biss und Pläne