„Ich bin 66 Jahre alt und träume immer noch“, sagt Reiner Kroschinski zu Beginn des Gesprächs. Der leidenschaftliche Fahrradfahrer engagiert sich für die Planung von neuen Radverkehrskonzepten und Radwegen. Bei dem ersten Workshop zum Radverkehrskonzept in Schalksmühle kam das beauftragte Ingenieurbüro IKS Mobilitätsplanung mit interessierten Bürgern ins Gespräch.
Über die erste Zielsetzung des Projektes, das Radverkehrsnetz sowie konkrete Problemstellen für den Radverkehr wurde abgestimmt und diskutiert. Doch bis dieser Plan in die Realität umgesetzt wird, könne es noch viele Jahre dauern. „Die Frage ist doch: Wo können wir was Kurzfristiges machen? Aber dafür ist keiner in Schalksmühle bereit. Man wartet von einem Plan zum nächsten“, kritisiert Kroschinski.
Bürgermeister weist Vorwürfe zurück
Der Vorwurf, dass sich die Gemeinde zurücklehnt und wartet, bis etwas passiert, ist laut Bürgermeister Jörg Schönenberg nicht zutreffend. Auf Anfrage von LokalDirekt heißt es: „Es ist zwar nicht von der Hand zu weisen, dass der Radverkehr in der Gemeinde Schalksmühle bislang keine so große Rolle gespielt hat. Aber hier soll ja gerade das Radverkehrskonzept eine Veränderung herbeiführen. Es ist darauf ausgelegt, die Voraussetzungen für den Alltagsradverkehr zu verbessern, zeigt Mängel und Defizite auf, gibt Handlungsempfehlungen und, ganz wichtig, es verknüpft die örtliche mit den überregionalen Planungen, z. B. im Märkischen Kreis. Im Frühjahr 2024 soll das Konzept fertig sein und wird dann ein Bündel von Maßnahmen und Handlungsempfehlungen enthalten, von denen einige sicherlich auch kurzfristig umgesetzt werden können und sollen. Die Erarbeitung des Radverkehrskonzepts und die Umsetzung kurzfristiger Lösungen müssen sich also nicht widersprechen, es gibt hier aus Sicht der Gemeinde kein ´entweder oder´“, sagt Schönenberg.
So seien bereits in der Vergangenheit Maßnahmen umgesetzt worden. Konzeptionell zu denken, soll stattdessen in den Fokus geraten, um ein „sinnvolles Ganzes“ zu ergeben. Reiner Kroschinskis Forderungen nach kurzfristigen Lösungen würden sich zudem vorrangig auf das Radfahren auf Waldwegen beziehen. Aufgabe und Zielsetzung der Gemeinde müsse aber sein, „den Radverkehr für die Allgemeinheit zu verbessern“, betont er.
Cross-Country: Das Problem mit dem Streckenverlauf
Eines von Reiner Kroschinskis Projekten ist die Radstrecke „Rund um Schalksmühle“, auch die „Cross Country Strecke“ genannt, die im Ausschuss der Gemeinde Schalksmühle für viele Diskussionen sorgte. Schließlich gab der Schalksmühler Rat im vergangenen Dezember grünes Licht für die 28-Kilometer-Strecke.
Kroschinski gefällt es, dass die Beteiligten des Projekts großen Wert auf Qualität legen würden. Er bedauert es jedoch, dass der Streckenverlauf, so wie er es im Rahmen seiner Bürgeranregung vorgestellt hatte, geändert werden muss.
„Aus dem Vorstand des Heimatvereins war zu hören, dass Radler auf Wippekühl nicht gewollt sind. Eine Waldbesitzerin erhob ebenfalls Einspruch und verhindert damit einen schönen Abschnitt entlang der Hälver. Der Gemeinde-Forstweg in der ´Kleinen Klagebach´ ist, nach erst kürzlich erledigten Holzrückarbeiten, in einem miserablen Zustand, so dass dort erst mal schweres Gerät für Ordnung sorgen muss“, sagt er.
Schnurrenweg als Alternative
Eine neue Alternative gebe es aber schon, die in die Tour eingebunden werden soll: Der Schnurrenweg. Dieser wird als Gehweg mit der Beschilderung „Radfahrer frei“ ausgewiesen. Dennoch: „Die Geschichte zum Schnurrenweg ist spannend und auf den neu aufgestellten Schildern gut erklärt, aber das Bauernhaus Wippekühl, das kann der Schnurrenweg nicht ersetzen“, bedauert Kroschinski.
Der Aspekt des Tourismus liege ihm dabei am Herzen. „Für Tagestouristen könnte das Bauernhaus ein willkommenes Foto-Motiv sein“. Zudem sollten sie laut Kroschinski die Möglichkeit haben, ihr Geld auszugeben – das würde unter anderem die heimische Wirtschaft ankurbeln. Trotz des Wegfallens des Bauernhauses ist sich der leidenschaftliche Fahrradfahrer sicher, dass die Strecke rund um Schalksmühle seinen „sportlichen Charakter“ behalten wird.
Ob die Fertigstellung noch im Herbst erfolgen kann, wird sich laut Kroschinski nach den Fortschritten der Arbeiten am Forstweg in der Kleinen Klagebach richten. Derzeit arbeite die Gemeinde an der Erstellung der Beschilderung, das Design wird an “Oben an der Volme” angepasst und spezielle Schilder für Start- und Zwischenpunkte an der Strecke werden erstellt.
„Für auswärtige Besucher ist es wichtig, ihnen die Sicherheit zu vermitteln, immer auf dem richtigen Weg zu sein. Auch wenn es altbacken klingt, Biker wissen eine ordentliche Auszeichnung zu schätzen“.
Geh- und Radweg: Kroschinski sieht Benutzungspflicht nicht ein
„Man plant einfach lustig drauf los“, wirft Reiner Kroschinski der Gemeinde Schalksmühle vor, wenn es um den geplanten Geh- und Radweg von Linscheid nach Kuhlenhagen geht. Hier sieht Kroschinski gleich mehrere Probleme. Kurz hinter der Kreuzung, wo Radler nach Stallhaus, Holthausen und nach Lindscheid fahren können, müssten sie die Fahrbahn queren und linksseitig zur Fahrbahn fahren, „was außerdem nicht ganz ungefährlich ist“, wie Kroschinski betont: „Dass man dabei auf telefonierende Fußgänger und Jogger mit Musik in den Ohren Rücksicht nehmen muss, ist nicht nur für Radler umständlich, sondern für Radler und Fußgänger gefährlich. Um sicher an Fußgängern oder Joggern vorbei zu fahren, müssen Radler die Geschwindigkeit fast auf Null reduzieren“. Daher sieht Kroschinski die von der Gemeinde Schalksmühle geplante Benutzungspflicht des Geh- und Radwegs als problematisch an. Dass dieser mithilfe von Fördergeldern des Landes NRW subventioniert wird, soll nicht die Grundlage bilden.
Der Vorwurf, die Gemeinde würde „einfach drauf losplanen“, ist ebenfalls eine Unterstellung, die Jörg Schönenberg entschieden zurückweist: „Anlass für diesen Vorwurf ist einzig die Tatsache, dass Herr Kroschinski mit der zu erwartenden Benutzungspflicht dieses Radweges nicht einverstanden ist. Dies wird in seinen weiteren Äußerungen ja dann auch deutlich. Herr Kroschinski hat bei zahlreichen Gelegenheiten wiederholt erklärt, unter anderem auch bei dem von ihm selbst angesprochenen Workshop, dass und warum er gegen die vorgesehene Benutzungspflicht ist: Er könne (und dürfe) auf der Straße schneller fahren als auf einem gemeinsamen Geh- und Radweg.“
Auch hier würde wieder ein rein persönliches Interesse in den Vordergrund gerückt werden, während die Gemeinde dafür Sorge zu tragen hätte, dass möglichst alle Interessen – also auch die von Kindern, Jugendlichen und nicht so versierten Radfahrenden – berücksichtigt werden.
Auch der Fachplaner im Workshop hätte bestätigt, dass die hier von der Gemeinde angestrebte Lösung mit der Benutzungspflicht aus seiner Sicht, weil im Außenbereich gelegen, die „einzig richtige ist“. Ergänzend zur weiteren Erläuterung weist der Bürgermeister auf die Beantwortung einer Anfrage durch die Verwaltung im öffentliche Teil einer Ratssitzung hin – hier geht es zur Antwort (dritte Frage).
In Schalksmühle mangelt es an einer Community
Es fehle an einer Community. Reiner Kroschinski möchte nicht mehr einer der wenigen sein, der sich für bessere Radwege in der Gemeinde Schalksmühle einsetzt. „Als Einzelkämpfer kommt man nicht weit“, weiß er. Das fehlende Interesse habe sich am Workshop zum Radverkehrskonzept gezeigt – dort sei die Resonanz nur schwach ausgefallen. Dabei würden noch viele Fragen offen stehen.
„Vielleicht kommen einige Radfahrer aus weit her – weil sie zuvor ‚Radstrecke im Märkischen Kreis‘ gegoogelt haben – und dann bemerken ‚Hier ist es schön. In Schalksmühle möchte ich bleiben'“, sagt Kroschinski. Insbesondere in Zeiten von Fachkräftemangel wäre es ein Ansatz, um Menschen in die Gemeinde zu locken und zum Bleiben zu motivieren. Er verweist auf Ralf Windfuhr vom Maler- und Lackierbetrieb in Schalksmühle, der seit längerem Probleme hat, Auszubildende zum Azubi-Start zu finden – wir berichteten. Auch er hofft, mehr Leute in die Diskussion für Radwege zu holen. Durch ein neues Stadtradeln-Konzept könne man dies fördern: „Die Stadtradler treffen sich jeden Sonntag – mit Brötchen und Kaffee – an einem Standort und tauschen sich dann über die Strecken aus, die sie gefahren sind“, schlägt Windfuhr, Verteidiger des silbernen Wanderpokals, vor. Oft stelle sich die Fragen, über welche Forstwege man herfahren dürfe, und über welche nicht.