Die Frage nach der Dringlichkeit – sie wurde in der Sonderratssitzung am Montagabend, 23. Oktober, nicht beantwortet. Ob die Dringlichkeitsentscheidung zur Beseitigung des illegal am Herpiner Weg entsorgten Bauschutts notwendig war, das umtreibt die politische Szene in Halver seit Monaten. Im Verlauf der Sitzung ließ sich die Verwaltung nicht wie angekündigt tiefer in die Karten gucken. Antworten auf konkrete Fragen blieben aus. Fraktionsübergreifend zweifelten die Politiker die Ehrlichkeit der städtischen Spitze an; einzig die SPD schien milde gestimmt.
„Wir sehen die Dringlichkeit nicht“, sagte Sascha Gerhardt (FDP). Wie das Gros des Gremiums, erhoffte er sich eine finale Aufklärung. Damit, dass die Verwaltung, als die Entscheidung zu treffen war, zu diesem Ergebnis gekommen sei, lieferte Bürgermeister Michael Brosch keine klare Antwort. Er erklärte nicht, warum die Beseitigung – obwohl schon viele Monate bekannt – plötzlich dringlich wurde.
„Die Glaubwürdigkeit ist erschüttert.“
Gerhardt bezeichnete das Verhalten der Verwaltung als „Salamitaktik“: „Informationen wurden aus Sicht der Ratsmitglieder zurückgehalten. Wir hatten das Gefühl, nicht informiert zu sein. Ich wünsche mir, dass das eingeräumt wird.“ Und auch Martina Hesse (CDU) stellte die Ehrlichkeit in Frage: Die Anordnung des Kreises hat es nie gegeben; das entspricht nicht der Wahrheit. Lidl hat auch nicht gedroht. Die Begründungen des Bürgermeisters, die die Politik dazu verleiten sollten zuzustimmen, seien falsch und nicht der Sachlage angemessen. „Die Glaubwürdigkeit ist erschüttert. Wir werden Zeit brauchen, das zu heilen.“
Für die Stadt in die Bresche sprang Martin Kastner (SPD), der forderte „auch das zu benennen, was gut gelaufen ist“. Und es sei doch unstrittig, dass der Schutt beseitigt werden müsse. Sascha Gerhardt und Kristian Hamm (UWG) mahnten indes an, dass man bei einem Vertrauensproblem künftig grundsätzliche Probleme haben wird, Entscheidungen zu treffen. Gerhardt beharrte darauf, die Fehleinschätzungen einzugestehen; es sei kein Beinbruch.
Sina Löschke (Die Grünen) bestätigte den Vertrauensverlust: „Warum hat die Verwaltung uns nur häppchenweise die Geschichte serviert und widersprüchlich gesponnen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass uns Dinge so mitgeteilt wurden, wie sie hätten können.“ Auch Kurt-Dietrich Neuhaus (CDU) betonte, dass sich seine Fraktion daran stoße, dass die Dringlichkeit falsch begründet wurde. „Das ist doch der Knackpunkt. Die Falschinformation hat das Vertrauen erschüttert.“
„Der Verwaltungsvorschlag hat keinen Sinn“
Nach dieser scharfen Kritik seitens mehrerer Fraktionen räumte Michael Brosch „gerne ein, dass das Wort Forderung besser als Anordnung gewesen wäre“. Doch das Misstrauen ließ sich damit allein nicht aus dem Weg räumen. Dr. Sabine Wallmann (UWG) stellte in Frage, warum das Gremium überhaupt noch einmal dafür stimmen sollte, die 103.000 Euro bereitzustellen.
Denn die Zustimmung des Rates brauchte die Stadt bereits in der vergangenen Ratssitzung nicht; die Ablehnung der Politik blieb aufgrund der Dringlichkeitsentscheidung wirkungslos (wir berichteten). „Der Verwaltungsvorschlag hat keinen Sinn. Das ist, als ob in China ein Sack Reis umfällt“, verdeutlichte Wallmann. Brosch räumte ein, dass das richtig sei und man nur formal etwas gebraucht hätte, „was da steht“. Er zog den Vorschlag zurück.
Dass sich auch Halvers Bürger für die Causa „Bauschutt“ interessieren, zeigte sich anhand einiger Zuschauer, die die Ratssitzung verfolgten. Unter ihnen war auch Ordnungsamtsleiter und Personalratsvorsitzender Lutz Eicker, der sich zu Wort meldete und symbolisch für die Verwaltung die Hand ins Feuer legte: „Die Verwaltungsmitarbeiter der Lüge zu bezichtigen, finde ich nicht gut. Auch nicht, sie des Vorsatzes zu bezichtigen. Zum Zeitpunkt der Dringlichkeitsentscheidung war man in dem Glauben, dass alles gut ist. Ich bin enttäuscht.“
Im Zuge der Sonderratssitzung hätte die Verwaltung alle Zweifel der Politik aus dem Weg räumen können. Für die Ratssitzung hatte sich die Stadt ihren Anwalt Markus Knuth und dessen Kollegen Arnd Katzke an die Seite geholt.
Per Live-Schalte gab außerdem Christoph Richter (Geschäftsführer der M&P Group) einen Einblick in das Verfahren der Analysetechnik des Bauschutts. Am Ende der Sitzung reichte all das nicht aus, die entstandenen Risse zu kitten.
Rat lehnt 10.000 Euro-Belohnung ab
Die Auslobung einer Belohnung in Höhe von 10.000 Euro für sachdienliche Hinweise, die zum Verursacher des Bauschutts führen sollen, lehnte der Rat einstimmig ab. Dafür habe sich die Verwaltung von einem Facebook-Nutzer inspirieren lassen, so Brosch. Die Politik ist sich aber sicher, dass Halvers Bürger auch ohne Belohnung ihre Beobachtungen melden.