Meinolf Hammerschmidt hat am 1. Mai die Leitung des Jugendamtes übernommen. Der 60-jährige Wittener war bisher Leiter des Fachdienstes Soziale Dienste beim Märkischen Kreis. Sein Stellvertreter wird Matthias Sauerland, der den Fachdienst „Jugendförderung und Kinderbetreuung“ leitet. Hammerschmidt kennt sich mit Verwaltung bestens aus. Er arbeitete als Verwaltungsfachangestellter bei der Stadt Bochum, nach seinem Studium der Sozialen Arbeit an der Fachhochschule Dortmund und einem Anerkennungsjahr war er 20 Jahre lang im Bochumer Jugendamt tätig und hatte nebenher acht Jahre lang einen Lehrauftrag an der Evangelischen Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Bochum.
Neues „Wir-Gefühl“ soll entstehen
Seit 2012 ist er Fachdienstleiter beim Märkischen Kreis. Er versteht sich als „Teamarbeiter“. „Ich möchte Synergieeffekte nutzen und erreichen, dass sich alle Mitarbeitenden in allen Fachdiensten als Teil des Jugendamtes verstehen. So können wir auf Nachfragen viel schneller reagieren“, wünscht sich Hammerschmidt einen regen Austausch und ein neues „Wir-Gefühl“. Die Rufbereitschaft könne dann beispielsweise auch auf mehrere Fachdienste verteilt werden. Das Kreisjugendamt hat aktuell rund 100 Mitarbeitende. „Sechs Stellen sind zurzeit nicht besetzt“, erklärt der 60-Jährige beim Besuch der Redaktion.
Für acht Städte und Gemeinden zuständig
Unbesetzt ist noch die Leitungsposition seines ehemaligen Fachdienstes Soziale Dienste. Die wird demnächst neu ausgeschrieben. Jugendhilfeplaner Fabian Kläs hat diesen Monat bereits die Leitung des neuen Fachdienstes Planung und Querschnitt übernommen. Um alle erwähnten Synergieeffekte zu nutzen, werden in diesem Dienst alle Koordinierungs- und Steuerungskräfte gebündelt.

Für das Kreisjugendamt gibt es reichlich zu tun. Es ist zuständig für die Jugendarbeit in den acht kleineren kreisangehörigen Städten und Gemeinden – Balve, Herscheid, Schalksmühle, Neuenrade, Kierspe, Meinerzhagen, Nachrodt-Wiblingwerde und Halver. Altena, Hemer, Iserlohn, Lüdenscheid, Menden, Plettenberg und Werdohl haben jeweils noch eigene Jugendämter.
Gesetzesänderung in der Debatte
Aber auch diese Aufteilung könnte sich in absehbarer Zeit ändern. „Zurzeit läuft die Diskussion, dass Kommunen bis 50.000 Einwohner eine rechtliche Rückkehrmöglichkeit zum Kreis eingeräumt bekommen“, so Meinolf Hammerschmidt. Davon könnten dann Altena, Hemer, Plettenberg und Werdohl Gebrauch machen. Entschieden ist da allerdings noch nichts. Fest stehe aber für alle: Die Aufgaben des Kinder- und Jugendschutzes werden immer größer. „Denken wir nur an das Thema unbegleitete Jugendliche“, so Hammerschmidt. „Das war vor der Flüchtlingskrise noch gar keins.“
43,234 Millionen Euro Differenzierte Kreisumlage
Auch die Finanzierung der Aufgaben werde immer schwieriger. „Wir sind am Ende der Kette“, beklagt der neue Jugendamtsleiter. Ein Blick auf die Entwicklung der Differenzierten Kreisumlage, die jene acht Städte und Gemeinden zusätzlich zur Allgemeinen Kreisumlage nach Lüdenscheid überweisen müssen, weil der Kreis für sie die Aufgaben der Jugendhilfe übernimmt: Im Jahr 2020 überwiesen die Kommunen bei einem Hebesatz von 19,47 Prozentpunkte insgesamt 31,241 Millionen Euro an den Kreis. Im Haushaltsplan für das laufende Jahr sind bei einem Hebesatz von 24,24 Prozentpunkte 43,234 Millionen Euro eingeplant.
7.000 Euro monatlich für einen Heimplatz
Meinolf Hammerschmidt nennt ein Beispiel, wofür das Geld ausgegeben werden muss: „Wir haben derzeit rund 100 Kinder und Jugendliche in einer stationären Heimunterbringung. Jeder Pflegeplatz kostet zwischen 4.200 und bis zu 7.000 Euro monatlich. Wir rechnen mit durchschnittlich 4.200 Euro. Jeder Tag einer solchen Unterbringung kostet zwischen 200 Euro und 300 Euro pro Person.“
67 Kindeswohlgefährdungen
Personal- und arbeitsintensiv sind auch die Inobhutnahmen, wenn das Jugendamt bei Kindeswohlgefährdungen einschreiten und Jungen und Mädchen aus ihren Familien holen muss. Waren das 2018 noch 51 Kinder, stieg deren Zahl im Jahr 2022 sogar auf 77 an. Im vergangenen Jahr war sie leicht rückläufig und sank auf 67. Zurückgegangen ist auch die Anzahl der Adoptionen. Von der höchsten Zahl 10 im Jahr 2018 war das Jugendamt mit sechs im vergangenen Jahr ein Stück weit entfernt. Meinolf Hammerschmidt: „Da wünschen wir uns mehr, das wäre aus Sicht der Kinder gut.“

Besuchsdienst nur noch bei Erstgeborenen
An den fehlenden personellen Ressourcen scheitern auch viele Termine des Besuchsdienstes. Waren die Mitarbeitenden vor drei Jahren noch zu 592 Besuchen eingeladen worden, waren es im vergangenen Jahr nur noch 236 Familien, die Erst-Kontakt zum Jugendamt hatten. Der Rückgang ist auch darauf zurückzuführen, dass Besuche nur noch bei Erstgeborenen erfolgen. Erblicken Geschwister das Licht der Welt, gibt es lediglich nur noch ein Anschreiben.
Nicht nur „Feuerwehr-Aufgaben“
„Nur Feuerwehr-Aufgaben zu übernehmen, ist eine Katastrophe. Jugendarbeit muss mit dem Herzen gemacht werden“, wünscht sich Meinolf Hammerschmidt. Deshalb habe sich das Jugendamt auch Leitziele gesetzt. In der Präambel dazu heißt es: „Kinder, Jugendliche und junge Familien sind unsere Zukunft. Wir setzen uns für deren Förderung, Schutz und familienfreundliche Rahmenbedingungen ein. Der Märkische Kreis – ein Ort zum gesunden Aufwachsen.“