Er geht mit einem lachenden und mit einem weinenden Auge: Am Sonntag, 12. November, wird Pfarrer Reiner Fröhlich durch den Lüdenscheider Superintendenten Christof Grote entpflichtet. Der Gottesdienst beginnt um 10.30 Uhr in der Christuskirche. „Schon komisch“, befand Fröhlich im Gespräch mit LokalDirekt.
„Meine Kräfte lassen nach“ – das hat Pfarrer Fröhlich im vergangenen Jahr deutlich gespürt. Im Herbst und Winter entwickelte der 64-Jährige zusammen mit seiner Frau Jutta Betzendörfer-Fröhlich die Entscheidung, in den Ruhestand zu gehen. Im Januar 2023 teilt er der Gemeinde seinen Entschluss mit. Zu dieser Zeit litt er an Herzproblemen. „Neben meinem Befinden kam hinzu, dass die Gemeinde mit meinem Ausscheiden nötiges Geld einsparen kann.“ Die Gemeinde verzeichne jährlich immer wieder hohe Defizite in ihrem Haushalt. „Mein Jahrgang geht eigentlich mit 66 Jahren in den Ruhestand, aber so passt es für mich und für die Gemeinde zusammen“, bilanzierte Fröhlich.
Stationen
Fröhlich ist gebürtiger Siegerländer – eine pietistisch geprägte Region. Er stammt aus Hilchenbach-Müsen. „Hier bin ich in den Glauben hinein gewachsen“, so Fröhlich. Seine Großmutter sei eine fromme Frau gewesen. Jeden Abend habe sie für seinen Bruder und für ihn gebetet und dabei in der Bibel gelesen. Fröhlichs Bruder hat den Jugendkreis der Heimatgemeinde besucht, in den er Fröhlich mitgenommen hat.
„Und so kam ich vom Jugendkreis, in den Kindergottesdienstmitarbeiterkreis und in die Bibelstunde“, erinnerte sich Fröhlich. „Wir hatten einen tollen Pfarrer: Er kam aus Amerika und war mit einer deutschen Theologin verheiratet. Ihm habe ich viel zu verdanken. Nach dem Abi war für mich klar: Ich möchte auch Pfarrer werden.“
Ab in den Urwald
Fröhlich hat in Tübingen Theologie und Geisteswissenschaften studiert. Für ihn ist nach wie vor wichtig: „Ich möchte ein Pastor für alle Menschen sein.“ Also absolvierte er ein sechswöchiges Praktikum in einer Fabrik, um „ein richtiger Arbeiter zu werden“. Und weil ihm ein Praktikum nicht ausgereicht hat, um Erfahrungen zu sammeln, hat er weiterhin in der Fabrik gejobbt. „Mit dem Geld konnte ich während meines Vikariats einen Aufenthalt in Indonesien finanzieren“, so Fröhlich. Für eine Missionsgesellschaft hat er im Urwald von Kalimantan in einer Bibelschule gearbeitet. „Hier sollte ich mich bewähren. Der Kontakt besteht bis heute“, freute sich Fröhlich.
Fröhlichs nächste Station für rund zweieinhalb Jahre: die Markus-Kirche am Wehberg in Lüdenscheid. „Pastor Bolz hat mir vor seinem Ruhestand viel beigebracht“, zeigte sich Fröhlich dankbar.
Nach dem Vikariat und mit dem Zweiten Examen in der Tasche hat Fröhlichs Weg ihn nach Iserlohn geführt. „Da gab’s damals 13 Pfarrstellen. Von morgens bis abends war ich unterwegs: Beerdigungen, Seniorentreffs, zwei Gottesdienste am Sonntag.“ Der Aufwand hat sich gelohnt: Nach zwei Jahren wurde Fröhlich ordiniert.
Seit 1991 in Kierspe: „Gottes Entscheidung“
Fröhlichs Ziel als Pfarrer: Etwas Neues aufbauen und Menschen, die mit Jesus Christus und der Bibel nichts zu tun haben, an den Glauben heranführen. Das Ruhrgebiet sei der richtige Ort dafür, hat Fröhlich damals geglaubt. Er hat sich auf diverse Pfarrstellen beworben mit vielen Ideen im Gepäck: Glaubenskurse und mehr.
Doch die Wahl ist nicht auf ihn gefallen. An anderer Stelle hat ein Pfarrer-Ehepaar das Rennen gemacht – doch Kierspe wollte ihn. Im Herbst 1990 wurde Fröhlich zum 1. Januar 1991 als Pfarrer gewählt. „Gottes Entscheidung“, sagt er heute.
Bunter Glaube
In Kierspe erlebe er in seiner Gemeinde und in der Ökumene einen bunt gelebten Glauben. Und auch Fröhlich hält nichts von „theologischen Scheuklappen“ und Verboten. „Mir erschließt die Theologie die Bibel. Aus ihr sprudelt so viel heraus und das möchte ich den Menschen zeitgemäß weitergeben. Ich lebe im Heute.“ Und so könne es durchaus vorkommen, dass Fröhlich sonntags den Predigttext in Bezug zu politischen und wirtschaftlichen Themen setzt. „Glaube hat auch etwas mit meinem Lebensstil zu tun. Was ich einkaufe, ob ich Auto fahre“, ist er sich sicher. „Manchmal sagen die Leute: Was hat der Fröhlich da wieder rausgehauen, aber ich bin Gott verantwortlich und der Bibel.“
Fröhlich ist auch ein Charismatiker: Er singt und spielt gerne Gitarre. Die Anfänge des modernen Lobpreises in den 80er Jahren hat er gefeiert. Ihm sei es wichtig, dass Pfarrer und Gemeinden, ihre Aufgaben aus ihren Geistesgaben heraus wahrnehmen.
Von KU 3 bis Alpha-Kurs
Fröhlich liebt die Zusammenarbeit mit Kindern. Gemeinsam mit seiner Frau entwickelte er den KU3-Unterricht an der Christuskirche. Zuvor ist er Pfarrer am Gemeindehaus in Felderhof gewesen, das die Gemeinde 2005 aufgrund der Finanzkrise aufgeben musste. Sein Wechsel zur Christuskirche wurde vollzogen. Hier hat er das Angebot der Alpha-Glaubenskurse entwickelt. „Das wird auch weitergehen mit einem Top-Team“, versicherte Fröhlich. Für Gastvorträge, etwa im Rahmen des Kurses, sei er nach wie vor zu haben. Vor eineinhalb Wochen habe er einen Vortrag zum Nahost-Konflikt gehalten.
Zu dem bunten Glauben in Kierspe gehört für ihn auch die Ökumene: „Die ist Wahnsinn.“ Er lobt die gute Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche St. Josef, der Freien evangelischen Gemeinde, der Christlichen Gemeinde und der Neuapostolischen Kirche.
Ein Jahr nichts tun
Am Sonntag wird Fröhlich seine letzte Predigt als Pfarrer halten. „Ich bin schon aufgeregt, wenn ich daran denke, dass alle Leute, die ich kenne und auch nicht so oft sehe, da sein werden.“
Danach hat Fröhlich auch einen Plan: „Ein Jahr gar nichts tun.“ Der Pfarrer liebt es, sich in der Natur aufzuhalten oder Fußball zu spielen. Für Taufen und Co. stehe er nicht mehr zu Verfügung. Sich an einer Universität als Gasthörer einzuschreiben könne er sich auch vorstellen. Und er hat einen dringenden Aufruf zum Abschluss des Gesprächs: Seine Frau und er suchen eine Wohnung in Kierspe.