Am vorherigen Verhandlungstag lehnte die 2. Große Jugendkammer noch den Antrag der Verteidigerin Günel Celik ab, ein biomechanisch-unfallanalytisches Gutachten einzuholen. In diesem sollte die Frage geklärt werden, ob die Verletzungsmuster des Geschädigten und die Schäden am beteiligten Pkw überhaupt auf einen „Stoß mit voller Wucht“ zurück zu führen sind oder ob „ein Gleichgewichtsverlust, ein selbst initiierter Schritt auf die Fahrbahn (etwa in suizidaler Absicht) oder eine Kollision mit dem Fahrzeug“ Auslöser für die Verletzungen sein kann.
Hierzu hat die Jugendkammer im Vorfeld mit dem Biomechaniker Dr. Rieger gesprochen, der die Meinung vertritt: „Durch ein biomechanisches Gutachten kann nicht rekonstruiert werden, was vor dem Sturz passiert ist.“ Zudem könne weder das in der Zwischenzeit unabhängig vom verhandelten Fall verstorbene Oper noch das verkaufte Auto, mit dem das Opfer kollidiert ist, in Augenschein genommen werden. Für Rieger liegen zu viele Variablen vor, weshalb er zu dem Schluss kommt: „Das kann man nicht feststellen, das ist unmöglich.
Mit einigen Änderungen im Antrag stellte Celik diesen dann erneut. Nach erneuter Rücksprache gab die Kammer diesem Antrag statt, wohl auch, um einer möglichen Revision aufgrund von Verfahrensfehlern aus dem Weg zu gehen, wie Celik im Nachgang an die Verhandlung im Gespräch mit LokalDirekt vermutete. Das Gutachten wird am nächsten Verhandlungstag am 2. Juni um 14 Uhr vorgestellt. Die neue, präzisere Fragestellung habe den Gutachter dazu bewogen, den Fall in einem speziellen Labor in Münster nachzustellen und darauf aufbauend sein Gutachten zu verfassen.
Zudem fühlte die Vorsitzende Richterin Heike Hartmann-Garschagen dem Angeklagten erneut auf den Zahn, was sein Verhalten am Tattag betrifft. Hier verstrickte der junge Mann sich erneut in Widersprüche zu vorherigen Aussagen im Rahmen der Verhandlung und seinen Aussagen am Tattag bei der Polizei.
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