Konkret geht es um einen Grundstückerwerb, der für das Vorhaben, eine neue Brücke zu bauen, erforderlich wäre. Doch der Eigentümer will es nicht hergeben. Aus verschiedenen Gründen, die er LokalDirekt nicht erklärt. „Das Grundstück ist klein. Es wurde schon probiert, so gut es geht, drumherum zu planen. Wir reden da nicht mal von der Größe eines durchschnittlichen Baugrundstücks“, erklärte Bürgermeisterin Birgit Tupat. Allerdings ist dieser Erwerb für den Neubau der Brücke unumgänglich.
Dass die alte Brücke nicht saniert oder an gleicher Stelle wieder aufgebaut werden kann, steht seit Jahren fest. Die Brücke müsste dann aufgrund der Hochwassergefahr und dem damit verbundenen Baurecht zwei Meter höher werden. Das heißt, die Fahrbahn müsste schon früh angehoben werden, damit dieser Höhenunterschied ausgeglichen werden kann. Und was noch schlimmer wäre: Die gesamte Bebauung müsste weg. Moschee, Sparkasse und Baugenossenschaftshäuser müssten abgerissen werden. „Ein Bau an dieser Stelle ist einfach nicht realistisch“, betont Bürgermeisterin Birgit Tupat immer wieder. Eigentlich ist auch alles für den Neubau bereit. Das Baufeld ist frei. Wäre da nicht die Sache mit dem Grundstück. Dieses muss erworben werden, um Klagen zu verhindern, die das Ganze Vorhaben noch mehr in die Länge ziehen.
Vermutlich liefe schon der Neubau, hätte von der Eigentümer zugestimmt. „Es gab bereits 2013 Gespräche in meinem Büro. Das Verfahren wurde erläutert und es konnten Einwendungen und Wünsche eingebracht werden. Hätte er damals zugestimmt, wäre der Neubau ein sogenannter ,Fall unwesentlicher Bedeutung‘ gewesen“, erklärt die Bürgermeisterin. Dann sei das langwierige Planfeststellungsverfahren gar nicht nötig gewesen. Doch nun ist es, wie es ist. Das Planfeststellungsverfahren wurde eingeleitet und es konnten Einwände eingereicht werden. Diese werden gerade geprüft und abgewogen. Das dauert. In diesem Fall schon knapp zwei Jahre. Erteilt die Bezirksregierung das Baurecht, kann erneut dagegen geklagt werden. Es kann also noch viel Zeit vergehen. „Hätte er damals zugestimmt, hätten wir unsere Brücke wohl schon“, sagt Tupat.
Unternehmer Uwe Hell stellte daher bereits im Dezember 2022 die Frage, was mehr wiege, das Recht auf Eigentum oder das Wohl der Allgemeinheit. Nun ist der Super-Gau eingetreten. Die Brücke ist dicht. Vielleicht nur für wenige Tage. Vielleicht danach nur für Lkw. Vielleicht aber auch für immer. Und dann? Dann muss ein Neubau her. Egal wie. Unternehmer geben an, nach Corona und Felsnasen-Sperrung keine finanziellen Reserven mehr zu haben. Vielleicht könnten sie einen Monat durchhalten, vielleicht ein halbes Jahr. Aber dann sei Schluss. Der Neubau würde aber Jahre dauern. Der Ortskern von Nachrodt würde aussterben. Wie Bürgermeisterin Birgit Tupat sagt: „Wir sind sehenden Auges ins Unglück gerannt.“
Daher findet auch sie klare Worte: „Es ist doch wirklich Gefahr im Verzug. Die Unternehmen und Einzelhändler gehen den Bach runter. Das ganze Lennetal ist betroffen. Die sollen anfangen zu bauen. Stattdessen müssen wir uns mit langwierigen Ausschreibungen und Verfahren befassen. Das ist Deutschland. Das macht mich wütend.“
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Bettina Lugk war am Samstagnachmittag an der Brücke. Sie appellierte an die Nachrodt-Wiblingwerder: „Sie sollten sich zusammentun. Machen Sie deutlich, was diese Sperrung bedeutet. Der Druck muss erhöht werden. Stehen Sie zusammen. Vielleicht gibt es dann die Chance, dass er einlenkt.“ Zudem müsse es beschleunigte Verfahren geben, um die Lebensader des Lennetals schnell wieder zu öffnen. Zu viel hänge daran.
Um das Grundstück zu erwerben, seien Angebote gemacht worden, die weit über dem Bodenrichtwert lägen. Auch Ausgleichsflächen wurden angeboten. Alles sei abgelehnt worden. Würde ein sogenanntes Enteignungsverfahren angestrebt, würde dies vermutlich mit vielen Klagen und Revisionen Jahre dauern. Für die Bürger und vor allem für die Wirtschaft eine Katastrophe.
LokalDirekt hat versucht, ein Statement des Eigentümers zu bekommen. Konkret wurden ihm am Freitag um 17.26 Uhr diese Fragen via E-Mail gestellt. Bis heute (Stand Sonntag, 6.55 Uhr) gab es keinerlei Reaktion:
1. Die Sperrung ist der Super-Gau für das komplette Lennetal. Ohne Ihr Veto hätte Nachrodt ohne Planfeststellungsverfahren eine neue Brücke und wir stünden vermutlich nicht an diesem Punkt. Ist das korrekt? Warum genau blockieren Sie den Neubau?
2. Ihnen wurden Ausgleichsflächen angeboten und auch sonst einige Angebote gemacht, die finanziell angeblich weit über den üblichen Werten liegen. Das bestätigen alle anderen Beteiligten. Warum haben Sie diese nicht angenommen?
3. Böse Zungen behaupten, es sei reiner Egoismus. Stimmt das? Was genau stört Sie?
4. „Die ganze Region leidet, weil er einen auf König macht“, war einer der Sätze. Oder auch: „Wir gehen pleite, dann wird er nur noch reicher. Kann dann Bäume pflanzen. Am besten nimmt er gleich das ganze Lennetal. Wir sind ja dann weg.“ Trifft Sie das? Oder ist es Ihnen wirklich egal, was aus den heimischen Unternehmen wird?
5. Ihre Familie ist in Nachrodt verwurzelt, wie kann es sein, dass es keine Möglichkeit auf Einigung gibt? Was ist Ihr Ziel? Welche Lösung haben Sie? Sie haben doch einen Plan, oder möchten Sie wirklich die Teilung der Gemeinde? Oder geht es Ihnen wirklich nur um das Dagegensein?
6. Wer ist Ihrer Meinung nach Schuld an der Katastrophe?
7. Wie erklären Sie den Unternehmern und Bürgern, dass Sie im Recht sind?
Fakt ist natürlich auch, dass vor allem Straßen.NRW einen großen Anteil an der Misere hat. Seit 1983 – sprich seit 41 Jahren – ist die Brücke Thema. Seit nunmehr sieben Jahren ist sie nur einspurig befahrbar. Immer wieder appellierte die Gemeinde an den Landesbetrieb, die Sorgen ernstzunehmen. Als die Rahmedetalbrücke gesperrt wurde, wurde die Verwaltung mehr als einmal laut. Es sei klar gewesen, dass die Mehrbelastung durch den Umleitungsverkehr der Brücke schade. Zuletzt im Dezember hatte Straßen.NRW betont, dass alles im grünen Bereich läge. Und jetzt das. Risse im Fundament auf der strömungsabgewandten Seite. Was die Menschen in Nachrodt-Wiblingwerde und die Verwaltung so wütend macht: Sie konnten nur machtlos zusehen. Auch Straßen.NRW war bis heute nicht für eine Stellungnahme erreichbar. Weder in der Niederlassung, noch auf dem Handy, noch via E-Mail.