Zu vermeintlichen Rotlichtverstößen am Bräuckenkreuz liefert die Stadtverwaltung aktuelle Informationen zur "Red-and-Speed-Anlage", nachdem mehr als 1000 Fälle überprüft wurden. Bürgermeister Sebastian Wagemeyer hatte die Überprüfung angeordnet, nachdem er das Problem zur Chefsache gemacht hatte.
In den vergangenen Wochen war die Red-and-Speed-Anlage (Rotlichtblitzer) an der Kreuzung Herscheider Landstraße – Bräuckenstraße (Bräuckenkreuz) eines "der" Aufregerthemen in Lüdenscheid. Dort soll die Anlage bei mehreren Fahrzeugen einen Rotlichtverstoß gemessen haben, während diese bei Grün auf der Linksabbiegerspur unterwegs waren. Auch hätten einige Personen, bei denen die Stadt einen Rotlichtverstoß an dieser Kreuzung geahndet hat, Einspruch eingelegt, schreibt die städtische Pressestelle.
Sind die die Rotlichtverstöße am Bräuckenkreuz real?
Zusammen mit der Fachfirma, bei der die Anlage gemietet ist, überprüfte die Verwaltung alle Einstellungen, teilt man mit. Das Ergebnis: die Säule sei korrekt eingestellt und „blitze“ keine Fahrzeuge, die lediglich links abbögen. Sie erfasse aber Fahrzeuge, wenn diese die Haltelinie (Geradeaus) bei angezeigtem Rotlicht überführen oder in allen Ampelphasen die Geschwindigkeit überschritten. "Entsprechend löste die Anlage in diesen Fällen korrekt aus und es wurden Bußgeldverfahren eingeleitet." Gegen diese könne mit dem Anhörungsbogen Einspruch erhoben werden. "Das ist in Bezug auf die Red-and-Speed-Säule am Bräuckenkreuz in einigen Fällen vorgekommen und es hat ein Absehen von Rechtsfolgen bzw. Reduktionen der zunächst ausgesprochenen Rechtsfolgen gegeben. Seit Einführung der Red-and-Speed-Säulen in Lüdenscheid gab es bisher noch keine gerichtliche Aufhebung von Bußgeld-Bescheiden."
"Händische Überprüfung" aller Fälle
Nach weiteren Prüfungen der Verkehrssituation vor Ort seien in den vergangenen Tagen händisch alle Rotlichtverstöße am Bräuckenkreuz überprüft worden - mit "händisch" gemeint ist gewiss, dass sich Mitarbeiter der Stadt die Vorfälle anschauten, also optisch, mit dem Auge, überprüften. "Insgesamt wurden dort 1.085 Fahrzeuge geblitzt. Bei 63 davon lässt sich feststellen, dass die Fahrzeugführer bei grüner Ampel links abgebogen sind, dabei aber die Geradeausspur mit einem Teil des Fahrzeugs überfahren haben, für die zu diesem Zeitpunkt Rot angezeigt wurde."
Mit anderen Worten: Sechs Prozent der vermeintlichen Rotlichtverstöße sind keine. Die Verkehrsteilnehmer blieben lediglich nicht perfekt in ihrem Fahrstreifen, fuhren aber bei grün - und wurden geblitzt und sanktioniert. Die Stadt: "Sofern diese Fälle nicht schon abgeschlossen sind, werden die eingeleiteten Verfahren hinsichtlich des Rotlichtverstoßes eingestellt."
In wenigen Fällen lasse sich erkennen, dass ein Fahrzeug komplett die Geradeaus-Fahrspur genutzt hat, um dann links abzubiegen, während für den Geradeausverkehr Rot angezeigt wurde. In diesen Fällen wird weiterhin von einem sogenannten einfachen Rotlichtverstoß ausgegangen. Das bedeutet in diesen Fällen regelmäßig ein Bußgeld von 118,50 Euro und ein Punkt beim Fahreignungsregister in Flensburg.
Diese Vorgehensweise und rechtliche Einordnung solle zukünftig regelmäßig angewandt werden.
Analyse: Was ist anders am Bräuckenkreuz?
Unabhängig von den Diskussionen um diese Einzelfälle wertet die Stadtverwaltung ein gutes halbes Jahr nach Einführung der Red-and-Speed-Säulen die ersten gesammelten Erkenntnisse ergebnisoffen aus – in praktischer, technischer, baulicher und rechtlicher Hinsicht.
Allein am Bräuckenkreuz kam es bislang zu Fragen zum Links-Abbiegen im Zusammenhang mit Red-and-Speed-Anlagen. Vor diesem Hintergrund hat die Stadtverwaltung zunächst intern die vier anderen Red-and-Speed-Säulen im Zusammenhang mit Rotlichtüberwachung und Links-Abbiegen betrachtet. Hier konnten keine Auffälligkeiten oder gar Parallelen zum Bräuckenkreuz festgestellt werden. Da die Anlage selbst am Bräuckenkreuz einwandfrei arbeitet, wurde im nächsten Schritt die Kreuzung an sich betrachtet. Das Ergebnis: Sämtliche Fahrbahnen entsprechen den technischen Standards.
Nächster Schritt der Auswertung: Bei den betrachteten Vorgängen zu "Fehlverhalten" am Bräuckenkreuz fiel auf, dass es auffällig wenig große Fahrzeuge, insbesondere Busse und Lkw, betraf und das festgestellte "Fehlverhalten" überdurchschnittlich Schwachverkehrszeiten betraf.
Diese Feststellung wiederum wurde verkehrsplanerisch mit den Fahrstrecken, Fahrspuren, Radien, Fahrzeuggrößen, örtlichem Fahrverhalten und örtlichen Wahrnehmungen abgeglichen. Aus diesem Abgleich ergibt sich nunmehr die Vermutung, dass insbesondere für kleinere Fahrzeuge zu Schwachverkehrszeiten die örtlichen Gegebenheiten am Bräuckenkreuz dazu verleiten, sich nicht bzw. unzureichend an die vorgegebenen Fahrstreifen zu halten.
"Dieses verkehrliche Fehlverhalten – also das nicht Einhalten der Fahrtrichtungsspur – führt im Zusammenhang mit dem durch die Red-and-Speed-Säule überwachten Bräuckenkreuz zu der Häufung der objektiven Tatbestands-Feststellung eines Rotlichtverstoßes", urteilt die Stadtverwaltung.
Hintergrundinfo: Warum „Rotlichtblitzer“?
Im Dezember 2022 beschloss der Rat der Stadt Lüdenscheid das „Konzept für mehr Verkehrssicherheit im fließenden Verkehr, insbesondere der Einrichtung von fünf stationären Anlagen zur Überwachung von Rotlichtverstößen mit integrierter Überwachung von Geschwindigkeitsverstößen sowie der Anschaffung eines mobilen Trailers zur Geschwindigkeitsüberwachung“. Diese sechs Anlagen mietete die Stadtverwaltung nach und nach an und nahm diese in Betrieb. Aufgrund einer Baumaßnahme ist lediglich eine Überwachungsanlage für Rotlichtverstöße noch nicht in Betrieb.
Im Vorfeld haben Ordnungsamt und Verkehrsplanung der Stadt die jeweiligen Standorte an den Ampelkreuzungen gemeinsam mit der Kreispolizeibehörde genau unter die Lupe genommen. Die drei sachkundigen Stellen hatten dabei das Ziel im Blick, die Sicherheit an den viel befahrenen Kreuzungen in Lüdenscheid vor allem für die schwächeren Verkehrsteilnehmer zu erhöhen. Daraus ergab sich die Empfehlung zur Errichtung der stationären Rotlichtüberwachungsanlagen an den vier beschlossenen Kreuzungen in zusammen fünf Fahrtrichtungen.
Aufgrund der angespannten Verkehrssituation kontrolliert die Stadt Lüdenscheid derzeit mit mehreren angemieteten mobilen Blitzeranlagen – so genannten Enforcement-Trailern – unter anderem das Lkw-Durchfahrtsverbot für den Durchgangsverkehr. Zudem überwacht sie den fließenden Verkehr in Bezug auf Geschwindigkeitsverstöße mit hergebrachter Radarwagen-Technik.
Die stationäre Rotlichtüberwachungsanlage am Bräuckenkreuz nahm Mitte Juni 2024 (Geschwindigkeit) bzw. Mitte November 2024 (Rotlicht) ihren Betrieb auf.